4 StR 2/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 2/24 BESCHLUSS vom 1. August 2024 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung ECLI:DE:BGH:2024:010824B4STR2.24.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 1. August 2024 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO, § 354 Abs. 1 StPO analog, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 28. August 2023, auch soweit es den Mitangeklagten C. betrifft, a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte und der Mitangeklagte jeweils statt der „gemeinschaftlichen“ gefährlichen Körperverletzung der gefährlichen Körperverletzung schuldig sind; b) im Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten B. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten B. und den Mitangeklagten C. jeweils wegen „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die auf die nicht ausgeführten Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten B. führt mit der Sachrüge zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, auch soweit der Mitangeklagte C. , welcher seine Revision zurückgenommen hat, betroffen ist. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.
1. Die auf die erhobene Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Der Senat fasst jedoch den Schuldspruch dahin neu, dass die Angeklagten jeweils statt der „gemeinschaftlichen“ gefährlichen Körperverletzung der gefährlichen Körperverletzung schuldig sind. Denn die mittäterschaftliche Begehungsweise im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB ist auch im Fall des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB im Tenor nicht aufzuführen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2024 – 3 StR 463/23 Rn. 4; Urteil vom 07. Juni 2017 – 2 StR 30/16 Rn. 7; Beschluss vom 07. August 2018 – 3 StR 74/18; vgl. allgemein zu § 25 Abs. 2 StGB BGH; Beschluss vom 25. Januar 2011 – 4 StR 689/10 Rn. 4; Beschluss vom 12. Oktober 1977 – 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287, 289).
2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
a) Das Landgericht hat neben anderen Zumessungskriterien zu Lasten des Angeklagten B. gewertet, dass er für den bewusstlos am Boden liegenden Nebenkläger keine Hilfe gerufen, sondern sich aus der Straßenbahn entfernt habe.
Diese Erwägung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn sie lässt besorgen, dass die Kammer - rechtsfehlerhaft - das Fehlen eines möglichen Strafmilderungsgrundes zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 2020 – 4 StR 45/20 Rn. 4). Das Herbeiholen ärztlicher Hilfe für das Opfer ist regelmäßig strafmildernd zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1994 – 3 StR 311/94 Rn. 2). Umgekehrt darf aber nicht ohne weiteres strafschärfend berücksichtigt werden, dass eine solche Bemühung unterblieben ist (vgl. BGH bei Holtz MDR 1979, 806; Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 46 Rn. 40). Die Formulierung der Kammer lässt sich auch nicht, anders als der Generalbundesanwalt meint, als bloße Bekräftigung für die strafschärfende Berücksichtigung der konkret eingetretenen Lebensgefahr begreifen.
Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass das Landgericht ohne diese fehlerhafte Erwägung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte, und hebt daher den Strafausspruch auf. Da der Rechtsfehler nur die rechtliche Bewertung der festgestellten Strafzumessungstatsachen betrifft, können die getroffenen Feststellungen zu den Strafaussprüchen bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
b) Die Aufhebung im Strafausspruch war auf den Mitangeklagten C. zu erstrecken (§ 357 StPO). Der Mitangeklagte C. ist wegen derselben Tat wie der verbliebene Revident verurteilt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2024 – 2 StR 30/22 Rn. 31). Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung auch zu seinen Lasten gewertet, dass dieser für den bewusstlos am Boden liegenden Nebenkläger keine Hilfe gerufen, sondern sich aus der Straßenbahn entfernt habe, so dass auch eine Gleichartigkeit der Rechtsverletzung gegeben ist. Die Regelung der Revisionserstreckung gilt auch für einen Angeklagten, der zwar zunächst Revision eingelegt, diese aber zurückgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 – 1 StR 51/96, NJW 1996, 2663, 2665).
Quentin Scheuß Bartel Marks Maatsch Vorinstanz: Landgericht Essen, 28.08.2023 - 64 KLs 10/23 70 Js 471/22