6 StR 588/23
BUNDESGERICHTSHOF StR 588/23 BESCHLUSS vom 5. März 2024 in der Strafsache gegen wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:050324B6STR588.23.0 Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. März 2024 beschlossen:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27. Juni 2023 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen diverser Betäubungsmitteldelikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und von der Einziehung des Wertes von Taterträgen abgesehen. Die auf den Maßregelausspruch und die Nichtanordnung der Wertersatzeinziehung beschränkte, auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Der Senat hat seiner Entscheidung nach § 354a StPO die zum 1. Oktober 2023 in Kraft getretene Fassung des § 64 StGB (BGBl. 2023 I Nr. 203) zugrundezulegen (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2023 – 6 StR 327/23). Die dort normierten und nach § 2 Abs. 6 StGB auch für „Altfälle“ geltenden Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt werden durch das Urteil nicht hinreichend belegt. Das gilt jedenfalls für den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Substanzkonsum des Täters und der Begehung von Straftaten.
aa) Die begangene rechtswidrige Tat muss nach § 64 Satz 1 StGB „überwiegend“ auf den Hang zurückgehen. Durch diese Schärfung des Kausalitätserfordernisses zwischen „Hang“ und „Anlasstat“ erstrebt der Gesetzgeber, dass Personen, bei denen die Straffälligkeit auf andere Ursachen zurückzuführen ist, künftig nicht mehr die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 64 StGB erfüllen (vgl. BT-Drucks. 20/5913, S. 26). Bloße Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat reicht deshalb nur noch dann aus, wenn sie andere Ursachen überwiegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2023 – 5 StR 246/23; vom 2. November 2023 – 6 StR 316/23; vom 10. Januar 2024 – 6 StR 549/23). Dies wird insbesondere in Fällen abzulehnen sein, in denen Straftaten begangen werden, um – neben dem Drogenkonsum – den eigenen, womöglich aufwändigen Lebensbedarf zu finanzieren, oder bei einem „Großdealer“, der selbst auch die gehandelte Droge oder ein anderes Suchtmittel konsumiert (vgl. BT-Drucks. aaO, S. 47).
bb) Bei seiner Entscheidung hat das Landgericht diesen strengeren Anordnungsmaßstab nicht anwenden können. Es hat – sachverständig beraten – festgestellt, dass der Angeklagte auch seinen Konsum befriedigen wollte. Der Hang sei eines von mehreren Tatmotiven gewesen; das Handeln des Angeklagten sei auch entscheidend vom Streben nach Gewinn geleitet worden. Damit fehlt eine Aussage zu der nunmehr entscheidenden Frage, inwieweit der Hang das überwiegende Motiv war.
b) Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit erneuter Prüfung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen, namentlich mit Blick auf die Behandlungserfolgsaussicht (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2023 – 6 StR 316/23).
2. Demgegenüber hält die Einziehungsentscheidung revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.
a) Nach den Feststellungen zu Fall II.2.1 der Urteilsgründe teilten der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte I.
die gemeinschaftlich bestellte, zum Weiterverkauf bestimmte Menge von 1.508,60 Gramm Marihuana unter sich auf, und jeder veräußerte seinen Anteil auf eigene Rechnung, der Angeklagte allerdings auf Kommissionsbasis. Insgesamt vereinnahmten der Angeklagte und I. nach der Einlassung I. s 17.780 Euro. Indessen ließ sich nicht feststellen, welchen Anteil hieran der Angeklagte erhielt und ob etwa der für den Angeklagten ausliefernde nicht revidierende Mitangeklagte Ç. Geld entgegennahm.
b) Die dem zugrundeliegende Beweiswürdigung ist rechtsfehlerfrei.
Sie ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Es hat das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2021 – 1 StR 376/20, Rn. 10 mwN). Die ohne Rechtsfehler vom Tatgericht vorgenommene Würdigung ist auch dann hinzunehmen, wenn ein anderes Ergebnis ebenso möglich gewesen wäre oder gar nähergelegen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 2014 − 3 StR 27/14, NStZ-RR 2014, 279, 280).
Der Generalbundesanwalt weist zutreffend darauf hin, dass die Beweiswürdigung nicht lückenhaft ist. Zwar hat sich das Landgericht nicht ausdrücklich dazu verhalten, ob der Angeklagte einen Anteil vereinnahmte, der der Höhe seiner Aufwendungen entsprach. Angesichts seines sorglosen Umgangs mit finanziellen Mitteln wäre es aber rein spekulativ anzunehmen, er hätte Schulden aus Betäubungsmittelgeschäften eingetrieben.
Sander Feilcke Tiemann Wenske Fritsche Vorinstanz: Landgericht Nürnberg-Fürth, 27.06.2023 - 1 KLs 350 Js 21153/22