VIa ZR 1003/22
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VIa ZR 1003/22 URTEIL in dem Rechtsstreit Verkündet am: 30. Januar 2024 Neumayer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2023:300123UVIAZR1003.22.0 Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2024 durch die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. C. Fischer als Vorsitzende, die Richterin Möhring, die Richter Dr. Götz und Dr. Rensen sowie die Richterin Dr. Vogt-Beheim für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 1. Juni 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, soweit die Berufungsanträge zu 1, zu 3 und zu 4 zurückgewiesen worden sind. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger erwarb am 13. Juli 2015 für 31.979 € ein von der Beklagten hergestelltes, gebrauchtes Kraftfahrzeug BMW 520d, das mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe N47 ausgerüstet ist.
Das Landgericht hat die auf Zahlung von Schadensersatz, Zahlung von Deliktszinsen, Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge im tenorierten Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Kläger habe die Tatbestandsvoraussetzungen einer Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB nicht nachvollziehbar dargelegt. Ein Thermofenster als solches erfülle die Voraussetzungen nicht. Im Übrigen fehle konkreter, nachvollziehbarer Vortrag des Klägers, aus dem sich das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung verbunden mit einem sittenwidrigen Verhalten für die Beklagte handelnder Personen ergebe. Insbesondere lege der Kläger eine arglistige Täuschung oder einen bewussten Gesetzesverstoß nicht dar.
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV stehe dem Kläger nicht zu, weil der geltend gemachte Schaden nicht in den Schutzbereich der zuletzt genannten Bestimmungen falle.
II.
Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
1. Die Revision ist allerdings nicht schon ohne weiteres deshalb begründet, weil der Zurückweisungsbeschluss, was einen von Amts wegen beachtlichen Verfahrensmangel darstellte und grundsätzlich zur Aufhebung und Zurückverweisung führen müsste (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2023 - VIII ZR 201/22, DAR 2023, 613 Rn. 16; Urteil vom 24. Juli 2023 - VIa ZR 752/22, NJW 2023, 3010 Rn. 8), den Vorgaben der § 522 Abs. 2 Satz 4, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht genügte. Zwar muss auch ein mit der Nichtzulassungsbeschwerde angreifbarer Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO - gegebenenfalls mit dem Hinweisbeschluss - zumindest sinngemäß erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat (BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 - II ZR 229/16, juris Rn. 6 mwN). Eine wörtliche Wiedergabe der Berufungsanträge, an der es hier fehlt, ist aber nicht erforderlich. Der Zurückweisungsbeschluss muss mit Rücksicht auf das eröffnete Rechtsmittel lediglich den Gegenstand des Berufungsverfahrens erkennen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2023 - VIa ZR 845/22 Rn. 8, juris). Hier hat das Berufungsgericht noch ausreichend den Gegenstand des Berufungsverfahrens in einer für die Zwecke eines anschließenden Rechtsmittelverfahrens genügenden Weise dargestellt.
2. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.
3. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 - III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
Die angefochtene Entscheidung ist demnach im beantragten Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.
C. Fischer Rensen Möhring Vogt-Beheim Götz Vorinstanzen: LG Traunstein, Entscheidung vom 26.07.2021 - 5 O 3478/20 OLG München, Entscheidung vom 01.06.2022 - 18 U 5835/21 -