AnwZ (Brfg) 18/20
BUNDESGERICHTSHOF AnwZ (Brfg) 18/20 BESCHLUSS vom
10. September 2020 in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache wegen Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ECLI:DE:BGH:2020:100920BANWZ.BRFG.18.20.0 Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Grupp, den Richter Dr. Paul, die Richterin Grüneberg sowie die Rechtsanwältin Schäfer und den Rechtsanwalt Prof. Dr. Schmittmann am 10. September 2020 beschlossen:
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17. Januar 2020 wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen findet nicht statt. Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 25.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der im Bezirk der Beklagten als Rechtsanwalt zugelassene Beigeladene beantragte am 25. August 2018 die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für seine Tätigkeit bei dem D.
e.V.
(im Folgenden: Verein). Nach dem von ihm vorgelegten Dienstvertrag vom
25. Mai 2018 war er durch Beschluss des geschäftsführenden Präsidiums zum Geschäftsführer des Vereins bestellt worden und seit dem 1. August 2018 als
"Geschäftsführer (Kreisgeschäftsführer) und zugleich Syndikusrechtsanwalt" des Vereins angestellt. Außerdem ist der Beigeladene Geschäftsführer von zwei Tochtergesellschaften des Vereins, der D G. GmbH und der D. S.
G. GmbH. Im Zulassungsverfahren reichte der Kläger u.a. eine Tätigkeitsbeschreibung ein, in der der Anteil seiner nichtanwaltlichen Tätigkeiten für den Verein mit 40 %
seiner Arbeitszeit angegeben war.
Die Beklagte ließ den Beigeladenen mit Bescheid vom 12. September 2019 als Syndikusrechtsanwalt zu. Auf die dagegen erhobene Klage der Klägerin hat der Anwaltsgerichtshof den Zulassungsbescheid aufgehoben. Zur Begründung seiner Entscheidung (AGH Hamm, Urteil vom 17. Januar 2020 - 1 AGH 37/19, juris) hat er im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Der Beigeladene sei nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 46 Abs. 2 BRAO für seinen Arbeitgeber anwaltlich tätig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 18. März 2019 - AnwZ (Brfg) 22/17, juris) sei der Geschäftsführer einer GmbH aufgrund seiner gesetzlichen Vertretungs- und Organstellung nach § 35 GmbHG kein Arbeitnehmer im Sinne des § 46 Abs. 2 BRAO. Dieser Grundsatz sei auch im vorliegenden Fall anwendbar. Der Beigeladene habe zwar keine gesetzliche Organstellung, sei aber nach der Satzung des Vereins als Kreisgeschäftsführer Mitglied des Präsidiums und des Vereinsvorstands. Zudem sei er als GmbHGeschäftsführer gesetzliches Organ der beiden Tochtergesellschaften des Vereins. Eine Zulassung des Beigeladenen scheide auch deswegen aus, weil seine Tätigkeit nicht durch eine typische Syndikustätigkeit geprägt sei. Vielmehr sei von einer typischen Geschäftsführertätigkeit auszugehen, die sicherlich auch rechtsberatende Elemente enthalte, die sich aber nicht derart in den Vordergrund drängten, dass sie sich als geradezu typisch für Syndikusanwälte darstellten, zumal sich darüber hinaus auch nicht feststellen lasse, dass die anwaltliche Tätigkeit prägend sei. In den vom Beigeladenen mit einem Umfang von 60 % angegebenen anwaltlichen Tätigkeiten seien auch nichtanwaltliche Tätigkeiten in Form der Kenntnisvermittlung des Völkerrechts, der Kommunikation mit Vertretern der Wohlfahrtspflege sowie im Bereich des Rettungsdienstes mit den Kommunen und dem Landkreis enthalten. Da der Beigeladene deren Arbeitsanteil nicht dargelegt habe, sei eine genaue Angabe des Tätigkeitsumfangs nicht möglich. Der Umfang der von ihm dargestellten Tätigkeit unterschreite aber bereits den vom Bundesgerichtshof als unteren Rand des für eine anwaltliche Prägung Erforderlichen angenommenen Anteil von 65 %, so dass jedenfalls nicht mehr von einer anwaltlichen Prägung ausgegangen werden könne. Hinzu komme, dass die Tätigkeit des Beigeladenen als Geschäftsführer für die Tochtergesellschaften des Vereins keine anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 2 BRAO darstelle, da er insoweit als Gesellschaftsorgan tätig werde.
Die Beklagte beantragt die Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag der Beklagten ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Die von der Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht entscheidungserheblich.
1. Der Anwaltsgerichtshof hat seine Entscheidung auf zwei selbständig tragende Begründungen gestützt: Er hat zum einen darauf abgestellt, dass der Beigeladene als Geschäftsführer des Vereins nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO tätig sei. Zum anderen hat er - selbständig tragend - festgestellt, dass es an der anwaltlichen Prägung der Tätigkeit des Beigeladenen gemäß § 46 Abs. 3 BRAO fehle.
2. Ist das angefochtene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, setzt eine Zulassung der Berufung voraus, dass hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juli 2008 - IX ZR 147/05, juris Rn. 2 und vom 27. Februar 2020 - III ZR 41/19, juris Rn. 3; BVerwG, Beschlüsse vom 3. April 2007 - 4 B 10/07, juris Rn. 2; vom 15. August 2008 - 5 B 26/08, juris Rn. 5; vom 19. November 2019 - 5 PB 6/19, juris Rn. 7 und vom 22. April 2020 - 10 B 18/19, juris Rn. 7; jeweils mwN). Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. April 2007 - 4 B 10/07, juris Rn. 2 und vom 22. April 2020 - 10 B 18/19, juris Rn. 7).
3. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt:
Die von der Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe richten sich nur gegen die erste Begründung des Anwaltsgerichtshofs. Ihrer Auffassung nach bedarf es der Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), weil der Anwaltsgerichtshof verkannt habe, dass es sich bei dem Anstellungsvertrag des Beigeladenen seinem Inhalt nach tatsächlich um einen Arbeitsvertrag im Sinne von § 611a BGB handele. Außerdem sei eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) dazu geboten, ob und unter welchen Voraussetzungen die auf einem Dienstvertrag beruhende Geschäftsführertätigkeit eine Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 46 Abs. 2 BRAO darstellt und ob allein der Umstand, dass ein Antragsteller auch als nicht allein vertretungsberechtigtes Organ eines eingetragenen Vereins bestellt wurde, seiner Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nach §§ 46 ff. BRAO entgegensteht.
Die zweite - ebenfalls selbständig tragende - Begründung des Anwaltsgerichtshofs wird von diesen Zulassungsgründen nicht berührt. Der Anwaltsgerichtshof hat insoweit darauf abgestellt, dass der vom Beigeladenen selbst bereits mit nur 60 % angegebene Anteil seiner anwaltlichen Tätigkeiten noch zusätzlich zu reduzieren sei, weil es sich bei mehreren von ihm einbezogenen Tätigkeiten nicht um anwaltliche Tätigkeiten im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO handele. Diesbezüglich wird von der Beklagten kein Zulassungsgrund geltend gemacht. Soweit der Anwaltsgerichtshof abschließend ausgeführt hat, die Tätigkeit des Beigeladenen als Geschäftsführer der beiden Tochtergesellschaften stelle auch keine anwaltliche Tätigkeit im Sinne des § 46 Abs. 2 BRAO dar, handelt es sich ersichtlich um eine lediglich ergänzende Hilfserwägung ("Hinzu kommt des Weiteren …") zu seinen vorangehenden, seine Entscheidung selbständig tragenden Ausführungen zur fehlenden anwaltlichen Prägung.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt aus § 194 Abs. 2 BRAO.
Grupp Schäfer Paul Schmittmann Grüneberg Vorinstanz: AGH Hamm, Entscheidung vom 17.01.2020 - 1 AGH 37/19 -