AK 86/24
BUNDESGERICHTSHOF AK 86/24 BESCHLUSS vom 30. Oktober 2024 in dem Strafverfahren gegen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:301024BAK86.24.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Angeschuldigten und seines Verteidigers am 30. Oktober 2024 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht München übertragen.
Gründe:
I. 1 Der Angeschuldigte wurde in dieser Sache aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 11. April 2024 (2 BGs 85/24) am 17. April 2024 festgenommen und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft, zunächst in anderer Sache auf der Grundlage des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. April 2024 (1 BGs 161/24), seit dem 29. August 2024 in dieser Sache aufgrund des Beschlusses des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tag (5 BGs 227/24). 2 Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe sich in dem Zeitraum von Dezember 2014 bis 30. September 2016 durch dieselbe Handlung als Mitglied an einer Vereinigung im Ausland beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, und habe zudem eine schwere staatsgefährdende Gewalttat begangen, nämlich eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 StGB oder des § 212 StGB vorbereitet, die nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen, indem er eine Schusswaffe verwahrte, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 89a Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 89a Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 und 2, § 52 StGB.
II.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Angeschuldigte ist der ihm im Haftbefehl angelasteten Tat dringend verdächtig.
a) Im Sinne eines dringenden Tatverdachts ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) Die „Volksrepublik Donezk“ (VRD) ist eine im Frühjahr 2014 entstandene Organisation, die mittels paramilitärischer Verbände, wie der im Frühsommer 2014 gegründeten „Pyatnashka Brigade“, gegen das ukrainische Militär kämpfte und dabei den Tod ukrainischer Soldaten in Kauf nahm, um die Herrschaft über ein von ihr beanspruchtes Gebiet im Osten der Ukraine zu erlangen.
(1) Nachdem sich der damalige ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch im November 2013 auf russischen Druck überraschend gegen die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union entschieden hatte, kam es im gesamten Land zu Protesten, die im Dezember 2013 in einer Massendemonstration auf dem Platz der Unabhängigkeit (Maidan Nesaleschnosti) in Kiew mündeten und im Februar 2014 zum Sturz der Regierung führten.
Russland annektierte daraufhin im März 2014 die ukrainische Halbinsel Krim. Im März und April 2014 folgten zudem auf russische Initiative im Osten und Süden der Ukraine prorussische Demonstrationen und Unruhen, die sich von Odessa über Mariupol bis nach Donezk und Luhansk zogen. Es formierten sich paramilitärische Milizen, die dort gegen ukrainische Sicherheitskräfte kämpften. Zunächst gelang es den Milizen, Regierungsgebäude, Verkehrsknotenpunkte und Grenzübergänge zur Russischen Föderation zu besetzen, jedoch mussten sie diese alsbald wieder räumen.
(2) Am 7. April 2014 wurde im besetzten Teil der ukrainischen Region Donezk die „Volksrepublik Donezk“ ausgerufen, am 27. April 2014 die „Volksrepublik Luhansk“. Bei einem am 11. Mai 2014 abgehaltenen Referendum in der Region Donezk sollen sich - nach Darstellung der Führung der VRD - bei einer hohen Wahlbeteiligung 90% der Bevölkerung für eine Loslösung des Gebiets von der Ukraine ausgesprochen haben.
Während die politischen Proteste zwischenzeitlich abzuflauen schienen, wurden die militanten Aktionen der Milizen im Laufe des April 2014 zielgerichteter und systematischer. Sie begannen, Gebäude der Staatsverwaltung und von Sicherheitsdiensten dauerhaft zu besetzen und sich mit dort aufgefundenen Waffen auszurüsten. Zwar scheiterten sie an der Eroberung größerer Städte wie Charkiw, Mariupol oder Odessa; in anderen westlich von Donezk gelegenen Städten wie Kramatorsk oder Slowjansk gelang es ihnen hingegen, sich festzusetzen. Dabei führte die VRD militärische Operationen unter Einsatz von schweren Waffen auch in von Zivilisten bewohnten Gebieten durch. Auf beiden Seiten kamen neben Kämpfern zahlreiche Zivilisten ums Leben.
Im Laufe des Monats Juni 2014 erzielte eine gegen die VRD gerichtete Anti-Terror-Operation der ukrainischen Regierung ihrerseits erste Erfolge. Die ukrainischen Truppen befreiten Kramatorsk und Slowjansk und brachten ihre Gegner zudem in Donezk und anderen Orten in Bedrängnis. Vor diesem Hintergrund griffen in der zweiten Augusthälfte 2014 reguläre russische Truppen erstmals auf Seiten der Milizen direkt in die militärischen Auseinandersetzungen ein. Die ukrainischen Truppen wurden eingeschlossen und erlitten in der Schlacht um Ilowajsk große Verluste. In der Folge mussten sie sich aus dem Osten und Südosten von Donezk zurückziehen.
Im „Minsker Protokoll“ vom 5. September 2014 wurde unter anderem ein sofortiger Waffenstillstand vereinbart, wobei die ukrainische Regierung die Kontrolle über die besetzten Gebiete nicht wiedererlangte. Bereits Ende 2014 kam es wieder zu Kampfhandlungen. Im Januar 2015 griffen Kampfeinheiten der VRD, der „Volksrepublik Luhansk“ und Söldner der „Gruppe Wagner“ den wichtigen Straßen- und Eisenbahnknotenpunkt Debalzewe zwischen Donezk und Luhansk an, der zuvor im Juli 2014 durch ukrainische Truppen befreit worden war. Am 12. Februar 2015 wurde in Minsk erneut ein Waffenstillstand vereinbart, Einheiten der VRD setzten allerdings ihren Angriff auf Debalzewe fort, bis sie etwa zehn Tage später durch das ukrainische Militär verdrängt wurden. Dieser ersten offenen Kriegsphase folgte eine lange Periode, in der sich der Konflikt im Donbass auf niedrigem militärischen Niveau fortsetzte. Kleineren und größeren Eskalationen schlossen sich neue temporäre Waffenstillstände an, die in der Folge jedoch wieder gebrochen wurden.
(3) Nach dem Referendum im Mai 2014 gab sich die VRD eine Verfassung. An der Spitze der VRD stand ein Ministerpräsident, ab Sommer 2014 Alexander Sachartschenko. In den von der VRD kontrollierten Gebieten bildeten sich quasi-staatliche Strukturen, und gesetzgeberische sowie verwaltungstechnische Abläufe wurden eingeführt. Gleichwohl handelte es sich um ein diktatorisches System ohne funktionierendes, unabhängiges Rechtswesen. Die Separatisten kontrollierten zudem das Parlament. Bei den Militär- und Sicherheitskräften der VRD fanden sich Personen, die der zunehmenden Wirtschaftsmisere im Donbass entkommen und Zugang zu ökonomischen Ressourcen erhalten wollten. Sie übten willkürliche und brutale Gewalt gegen politische Gegner, zivilgesellschaftliche Strukturen und gegen die Bevölkerung insgesamt aus.
(4) Die VRD verfügte über eigene bewaffnete Einheiten, die gegen die ukrainischen Streitkräfte kämpften. Zu ihnen gehörte die im Frühsommer 2014 gegründete paramilitärische „Pyatnashka Brigade“, die sich zunächst vor allem aus abchasischen Kämpfern zusammensetzte und mit der Zeit Anlaufstelle für internationale, darunter auch europäische Freiwillige wurde. Die Brigade war eine von vielen Milizen, die in den ersten Monaten des Krieges die Kampfhandlungen bestimmten. Sie wurden von Feldkommandeuren angeführt, die teils ukrainische, teils russische Staatsbürger waren und über enge Verbindungen mit dem russischen Staat, russischen Geheimdiensten und dem rechtsextremen und imperialistischen Milieu in Russland verfügten. Sie kämpften für die Ablösung der ostund südukrainischen Gebiete von Kiew und ihren Anschluss an Russland, aber auch um ihre jeweiligen Machtpositionen und den Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen. Diese Ziele verfolgten sie mit äußerster Gewaltbereitschaft.
Nach der Waffenstillstandsvereinbarung vom 5. September 2014 wurden die Milizen der Aufständischen in die militärischen Strukturen der VRD eingegliedert und dem Sicherheitsministerium unterstellt. Im Winter 2014/2015 vereinte Sachartschenko zudem mehrere Bataillone und Brigaden in einer Republikgarde, die er sich selbst unterstellte, darunter auch die „Pyatnashka-Brigade“.
(5) Am 30. September 2022 annektierte Russland Donezk und Luhansk. In der Folge wurden die bewaffneten Formationen der Volksrepubliken, zu denen die „Pyatnashka Brigade“ gehörte, Teil der russischen Streitkräfte.
Am 21. Februar 2022 erklärte die Russische Föderation, die VRD als unabhängigen Staat anzuerkennen. Seit Herbst 2022 betrachtet die Russische Föderation die VRD offiziell als Teil ihres eigenen Staatsgebiets.
(6) Die VRD ist in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 810/2014 des Rates vom 25. Juli 2014 als eine Einrichtung gelistet, welche die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergräbt. Die Listung wird unter anderem mit dem Umstand begründet, sie sei „beteiligt an der Rekrutierung illegaler bewaffneter separatistischer Gruppen“.
bb) Am 16. Dezember 2014 reiste der Angeschuldigte über den Grenz- übergang M.
von der Russischen Föderation aus in die Ostukraine ein und schloss sich dort der „Pyatnashka Brigade“ an, um gegen die ukrainischen Streitkräfte zu kämpfen. Die „Pyatnashka Brigade“ war Teil der bewaffneten Einheiten der VRD.
Der Angeschuldigte und seine Einheit kämpften auf dem Gebiet des ukrainischen Verwaltungsbezirks (Oblast) Donezk, unter anderem zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 16. Dezember 2014 und dem 5. Februar 2015 am Flughafen in Donezk sowie Anfang Juni 2015 in Marinka. Bei seinen Einsätzen führte er jeweils eine Schusswaffe mit sich, um mit dieser gegebenenfalls ukrainische Soldaten zu töten. Darüber hinaus waren der Angeschuldigte sowie die Angehörigen der „Pyatnashka Brigade“ mit Sturmgewehren, Panzerfäusten und Nachtsichtgeräten ausgerüstet. Untergebracht waren sie etwa in einem alten Universitätsgebäude in einer Stadt in der Oblast Donezk, die von der VRD kontrolliert wurde.
Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, frühestens am 11. August 2016, verließ der Angeschuldigte die „Pyatnashka Brigade“ und die Ukraine, reiste - nach derzeitigem Erkenntnisstand - am 1. September 2016 aus der Russischen Föderation aus und kehrte nach Deutschland zurück.
b) Der Angeschuldigte hat sich zu den Tatvorwürfen bislang nicht umfassend eingelassen. Er hat lediglich einzelne Angaben anlässlich seiner Festnahme, im Rahmen einer Besuchsüberwachung gegenüber Beamten des Bundeskriminalamtes und bei einem Besuch von Mitarbeitern des russischen Generalkonsulats gemacht. Bei der zuletzt genannten Gelegenheit hat der Angeschuldigte angegeben, sich 2014/2015 in der Region Donezk in der Ukraine aufgehalten zu haben; er habe dort lediglich Bilder gemacht, für die er eigens eine Uniform angezogen habe.
Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus Folgendem:
aa) Hinsichtlich der ausländischen Vereinigung VRD und der „Pyatnahska Brigade“ beruht er maßgeblich auf Gutachten, unter anderem der Sachverständigen F. , sowie auf verschiedenen öffentlich zugänglichen Quellen.
bb) Der dringende Tatverdacht betreffend die mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen des Angeschuldigten stützt sich auf einen Beitrag des ZDFAuslandsjournals aus dem Jahr 2015, welcher eine Person namens „D. “ während seines Einsatzes an der Front in der Ostukraine begleitet und interviewt. Die biografischen Angaben in dem Fernsehbericht korrespondieren mit denen des Angeschuldigten. Zudem sprach ihn seine Ehefrau in einem Telefongespräch vom 13. Februar 2024 mit „D. “ an. Auf einem sichergestellten Laptop befindet sich überdies ein digitaler Ordner mit der Bezeichnung „Rechnungen D. “. Ferner lautet der Benutzername eines dem Angeschuldigten zuzuordnenden Telegram-Accounts „D. “. Schließlich belegen Auswertevermerke, Angaben der ehemaligen Lebenspartnerin des Angeschuldigten, Chatverkehr unter anderem mit seiner Ehefrau sowie weitere Telefonate und Fotos aus dem Internetauftritt der „Pyatnashka Brigade“ sowie auf Social Media seinen Aufenthalt bei der „Pyatnashka Brigade“ in der Ukraine. Die Teilnahme an Kämpfen ergibt sich aus einem Video, von dem der Angeschuldigte einen Screenshot postete.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 11. April 2024 sowie die Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom 15. Oktober 2024 (S. 15 bis 48) und die dort jeweils angeführten Nachweise aus der Sachakte Bezug genommen.
c) Das dargelegte Verhalten des Angeschuldigten begründet in rechtlicher Hinsicht den dringenden Tatverdacht der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1, Satz 2 StGB in Tateinheit mit der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 und 2 StGB.
aa) Bei der Personenvereinigung VRD, die nach der Besetzung des Gebäudes der Regionalverwaltung Donezk am 7. April 2014 ausgerufen wurde und danach die gewaltsame Kontrolle über einen Teil des ukrainischen Staatsgebiets hielt, handelt es sich unter Zugrundelegung der bisherigen Erkenntnisse zumin- dest im Tatzeitraum um eine ausländische Vereinigung, deren Zwecke oder Tätigkeiten darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen.
(1) Für das Bestehen einer Vereinigung i.S.d. § 129a StGB in der vom 28. Dezember 2003 bis 29. Juli 2016 gültigen Fassung ist ein auf gewisse Dauer angelegter, freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen erforderlich, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich als einheitlicher Verband fühlen. Es bedarf eines Mindestmaßes an fester Organisation mit einer gegenseitigen Verpflichtung der Mitglieder sowie einer subjektiven Einbindung der Beteiligten in die Ziele der Organisation und in deren Willensbildung unter Zurückstellung individueller Einzelmeinungen (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, Rn. 116 ff. mwN; MüKoStGB/Schäfer, 2. Aufl., § 129a Rn. 25).
Hieran gemessen erfüllte die VRD im Tatzeitraum die Merkmale des von der Rechtsprechung geprägten Vereinigungsbegriffs ebenso wie die Voraussetzungen des § 129 Abs. 2 StGB. Sie verfügte über eine ausgeprägte Organisationsstruktur (organisatorisches Element), ist auf Dauer angelegt (zeitliches Element), hat eine große Zahl von Mitgliedern (personelles Element) und verfolgt das übergeordnete gemeinsame Interesse, das Gebiet um Donezk dauerhaft der Kontrolle der ukrainischen Regierung zu entziehen, dort selbst die Herrschaft auszuüben und eigene quasi-staatliche Strukturen zu schaffen (interessenbezogenes Element). Die VRD war zumindest damals ein aus einer Vielzahl von Personen zusammengesetztes quasistaatliches Gebilde mit einem „Premierminister“, einer „Regierung“ und militärischen Verbänden, zu denen unter anderem die „Pyatnashka Brigade“ gehörte.
Die VRD erfüllte auch die Voraussetzungen des Vereinigungsbegriffs nach neuem Recht (siehe dazu nur BGH, Beschluss vom 26. Juni 2024 - AK 53-55/24, NStZ-RR 2024, 275 mwN).
(2) Bei dem Personenzusammenschluss handelt es sich nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand um eine Vereinigung, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, mithin um eine terroristische im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB.
Eine Vereinigung ist auf die Begehung von Straftaten gerichtet, sofern sie auf strafbares Handeln durch Vereinigungsmitglieder hin konzipiert ist, also der übereinstimmende Wille der Mitglieder und der verbindlich festgelegte Zweck der Vereinigung dahingehen, gemeinschaftlich Straftaten zu verüben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2023 - AK 35/23, BGHSt 68, 1 Rn. 33; vom 30. März 2023 - StB 58/22, NStZ-RR 2023, 182, 183). Das bloße Bewusstsein, dass es in Verfolgung der Vereinigungsziele zur Begehung von Straftaten kommen könnte, genügt nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2023 - AK 35/23, BGHSt 68, 1 Rn. 33; Urteil vom 22. Januar 2015 - 3 StR 233/14, BGHSt 60, 166 Rn. 30). Die Begehung von Straftaten braucht aber nicht das Endziel oder der Hauptzweck der Vereinigung zu sein (LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 129 Rn. 65; MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 48).
Diese Voraussetzungen sind bei der VRD hochwahrscheinlich erfüllt. Denn zur Erreichung ihrer politischen Ziele bediente die Vereinigung sich militanter Mittel. Die Mitglieder des VRD gingen mit Waffengewalt gegen die ukrainischen Streitkräfte vor und waren demgemäß darauf gerichtet, Mord oder Totschlag zu begehen.
(3) Da die Vereinigung ihren organisatorischen und politischen Schwerpunkt in der Ostukraine hatte, handelt es sich um eine ausländische Vereinigung im Sinne des § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB (vgl. zur Abgrenzung zwischen inländischer und ausländischer Vereinigung BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, BGHR StGB § 129b Vereinigung 3 Rn. 19 mwN).
(4) Die Umstände, dass sich die Verantwortlichen der VRD als Organe eines Staates gerierten, die Selbstbezeichnung als „Volksrepublik“ sowie, dass die Schaffung administrativer Strukturen einen staatsähnlichen Herrschaftsanspruch vermitteln sollten, lässt die Bewertung als terroristische Vereinigung im Sinne von §§ 129a, 129b StGB nicht entfallen.
Die Ukraine - einschließlich der Krim und der Ostukraine - hatte im Jahr 1991 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Unabhängigkeit erlangt. Im Jahr 1997 waren die Grenzen der Ukraine, welche die genannten Gebiete einschließen, auch von Russland in einem Vertrag über Freundschaft und Kooperation völkerrechtlich anerkannt worden (vgl. Vertrag über Freundschaft, Kooperation und Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation vom 31. Mai 1997, UN-Reg. 52240).
Bei der in diesem Verfahrensstadium gebotenen vorläufigen Betrachtung ist davon auszugehen, dass der VRD im Tatzeitraum keine eigene Staatlichkeit zukam (vgl. Luchterhandt, AVR 2019, 428, 441). Demgemäß wurde die VRD - mit Ausnahme von Russland - auch nicht allgemein völkerrechtlich als Staat angesehen (siehe dazu Ipsen/Heintze, Völkerrecht, 8. Aufl., § 10 Rn. 88). Anderes ergibt sich auch nicht aus dem - im Grundsatz völkergewohnheitsrechtlich anerkannten - Selbstbestimmungsrecht der Völker. Unabhängig von dessen näherer Konturierung liegen nach den gegenwärtig maßgebenden Umständen (siehe dazu etwa Ipsen/Heintze, Völkerrecht, 8. Aufl., § 10 Rn. 47 ff.), die Voraussetzungen für eine Sezession aus dem Staatsverband der Ukraine durch das Referendum vom 11. Mai 2014 nicht vor. Ein Sezessionsrecht wird - außerhalb von Dekolonisierungsprozessen - überwiegend abgelehnt und allenfalls dann anerkannt, wenn es zu schweren Diskriminierungen kommt und gravierende Verletzungen von Menschen- und Minderheitsrechten vorangegangen sind, welche die Existenz des Volkes insgesamt bedrohen (vgl. Ipsen/Heintze, Völkerrecht, 8. Aufl., § 10 Rn. 81; Peters/Petrig, Völkerrecht, Allgemeiner Teil, 6. Aufl., Kapitel 4 Rn. 12 f.; Proelß/Kau, Völkerrecht, 9. Aufl., 3. Abschnitt Rn. 162, 164 mwN). Eine solche Situation bestand für die Bevölkerung in der Ostukraine jedoch nicht.
bb) Der Angeschuldigte hat sich mit hoher Wahrscheinlichkeit als Mitglied der Vereinigung VRD an dieser beteiligt.
(1) Die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 StGB setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein eine Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch eine Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die einer Vereinigung nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 23. Januar 2024 - AK 108/23, NStZ-RR 2024, 111, 112; vom 18. Oktober 2022 - AK 33/22, juris Rn. 33; vom 21. April 2022 - AK 18/22, juris Rn. 5).
Eine relevante Beteiligungshandlung des Mitglieds kann darin bestehen, unmittelbar zur Durchsetzung der Ziele der Vereinigung beizutragen; sie kann auch darauf gerichtet sein, lediglich die Grundlagen für die Aktivitäten der Vereinigung zu schaffen oder zu erhalten. Ausreichend ist deshalb die Förderung von Aufbau, Zusammenhalt oder Tätigkeit der Organisation. In Betracht kommt etwa ein organisationsförderndes oder ansonsten vereinigungstypisches Verhalten von entsprechendem Gewicht. In Abgrenzung hierzu fehlt es in Fällen einer bloß formalen oder passiven, für das Wirken der Vereinigung bedeutungslosen Mitgliedschaft grundsätzlich an einem aktiven mitgliedschaftlichen Beteiligungsakt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Januar 2024 - AK 108/23, NStZ-RR 2024, 111, 112; vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, BGHR StGB § 129a Abs. 1 Mitgliedschaft 5 Rn. 24 mwN).
(2) Auf der Grundlage der genannten Erkenntnisse ist hochwahrscheinlich davon auszugehen, dass der Angeschuldigte sich an der terroristischen Vereinigung mitgliedschaftlich beteiligt hat, §§ 129a, 129b StGB. Er nahm auf Dauer oder zumindest für längere Zeit als Soldat am Verbandsleben der Organisation teil, hat sich in diese eingliedert, sich dem Organisationswillen untergeordnet und fördernde Tätigkeiten entfaltet.
Der Angeschuldigte führte bei den Kämpfen regelmäßig eine Schusswaffe mit sich und hielt sich dafür bereit, erforderlichenfalls in das Kampfgeschehen einzugreifen und damit Straftaten nach §§ 211, 212 StGB zu begehen. Dieser Sachverhalt begründet zudem den dringenden Tatverdacht des Vorbereitens einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB.
cc) Deutsches Strafrecht ist gemäß § 89a Abs. 3 Satz 2 Variante 1, § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 2 und Variante 4, § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB anwendbar. Denn der Angeschuldigte ist deutscher Staatsangehöriger und hält sich in der Bundesrepublik auf.
Die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB und § 89a Abs. 4 Satz 1 StGB erforderliche Strafverfolgungsermächtigung liegen vor.
2. Es bestehen die Haftgründe der Fluchtgefahr und der Schwerkriminalität.
a) Der Angeschuldigte hat im Fall der Verurteilung wegen der ihm vorgeworfenen Tat mit der Verhängung einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem sich aus der hohen Straferwartung ergebenden starken Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände gegenüber.
Zwar ist der Angeschuldigte seit dem 7. Dezember 2017 verheiratet. Das Ehepaar hat zwei gemeinsame Kinder im Alter von sieben und fünf Jahren. Ferner hat der Angeschuldigte eine 16-jährige Tochter aus einer früheren Beziehung, was ihn aber 2014 nicht davon abhielt, in die Ostukraine auszureisen. Zudem belegt die Teilnahme des Angeschuldigten an Kampfhandlungen auf Seiten einer pro-russischen terroristischen Vereinigung in der Ostukraine seine intensive Identifikation mit seinem Geburtsland Russland, dessen Staatsangehörigkeit er (auch) besitzt und dessen Sprache er spricht. Aus Äußerungen im Zusammenhang mit dem ukrainischen Freund seiner Tochter wird deutlich, dass er sich weiterhin mit der VRD identifiziert. Dafür sprechen zudem die Bilder von seinem Aufenthalt in der Ostukraine, die weiterhin auf seinen Profilen in sozialen Medien zu sehen sind.
Diese Umstände lassen erwarten, dass der Angeschuldigte sich trotz seiner familiären Verbindungen einem drohenden Strafverfahren in Deutschland entziehen und sich hierfür etwaige Kontakte nach Russland zu Nutze machen wird.
b) Die zu würdigenden Umstände begründen die Gefahr, dass die Ahndung der Taten ohne die weitere Inhaftierung des Angeschuldigten vereitelt werden könnte, so dass die Fortdauer der Untersuchungshaft bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) ebenso auf den dort geregelten Haftgrund gestützt werden kann.
3. Eine - bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO mögliche - Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 StPO) ist nicht erfolgversprechend. Angesichts der Einbindung des Angeschuldigten in das Netzwerk einer terroristischen Vereinigung, das ihm ein Untertauchen wesentlich erleichtern könnte, kann der Zweck der Untersuchungshaft hier nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).
4. Die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen mit der Auswertung einer Vielzahl von Chat-, Audio-, Video- und Bilddateien sowie zahlreicher verdeckter Ermittlungsmaßnahmen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Das Ermittlungsverfahren ist mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden. Die Anklage ist unter dem 15. Oktober 2024 bei dem Oberlandesgericht München erhoben worden.
5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Schäfer Hohoff Anstötz