VIa ZR 944/22
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VIa ZR 944/22 URTEIL in dem Rechtsstreit Verkündet am: 6. Februar 2024 Bürk Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ECLI:DE:BGH:2024:060224UVIAZR944.22.0 Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2024 durch die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. C. Fischer als Vorsitzende, die Richterinnen Möhring, Dr. Krüger, Wille und den Richter Liepin für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Juni 2022 im Kostenpunkt und im Übrigen insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Berufung gegen die Beklagte zu 2 zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand: 1 Der Kläger nimmt die Beklagte zu 2 (im Folgenden: Beklagte) wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. 2 Der Kläger kaufte im Oktober 2016 von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten Porsche Cayenne Diesel V6, der mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor (entweder der Baureihe EA 896 Gen 2 oder der Baureihe EA 897; jedenfalls Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist. Die Abgasreinigung erfolgt in dem Fahrzeug über die Abgasrückführung. Diese wird bei kühleren Temperaturen reduziert (Thermofenster). 3 Der Kläger hat zuletzt die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Herausgabe des Fahrzeugs, die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und die Feststellung begehrt, die Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger auch für zukünftige Schäden aus der Ausstattung des Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung Schadensersatz zu leisten. 4 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Schlussanträge aus der Berufungsinstanz weiter.
Entscheidungsgründe: 5 Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I. 6 Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet: 7 Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB lägen nicht vor. Es lasse sich nicht feststellen, dass eine der behaupteten Funktionen im Fahrzeug des Klägers sittenwidrig und mit Schädigungsvorsatz durch für die Beklagte handelnde Personen in das Fahrzeug implementiert worden sei. Ein Anspruch lasse sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ableiten, da diese Regelungen kein Schutzgesetz darstellten.
II.
Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
1. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.
2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des die Berufung zurückweisenden Beschlusses entschieden hat, stellen die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 - III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
Der die Berufung zurückweisende Beschluss ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang daher aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil er sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.
C. Fischer Wille Möhring Liepin Krüger Vorinstanzen: LG Karlsruhe, Entscheidung vom 04.03.2021 - 2 O 289/20 OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 14.06.2022 - 8 U 73/21 -