5 StR 303/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 303/24 BESCHLUSS vom 10. September 2024 in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen zu 1. bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a. zu 2. Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:100924B5STR303.24.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. September 2024 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, entsprechend § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 15. Februar 2024, soweit es ihn betrifft, mit Ausnahme der Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten S.
wird das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit mit Besitz von mehr als 60 Gramm Cannabis und mehr als drei lebenden Cannabispflanzen schuldig ist, und im Strafausspruch aufgehoben.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln und mit unerlaubtem Besitz eines Butterflymessers, einer Schusswaffe und von Munition zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Den Angeklagten S. hat es wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung des Angeklagten K. kann keinen Bestand haben.
Das Handeltreiben bezog sich auf rund 8,8 Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von etwa 1,1 Kilogramm THC, sein Besitz auf 62,03 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von weniger als 7,5 Gramm THC. Da der Umgang mit Konsumcannabis nunmehr abschließend im Konsumcannabisgesetz (KCanG) geregelt ist, sind darauf bezogene Handlungen allein nach § 34 KCanG zu bewerten. Dies hätte der Senat bei der Revisionsentscheidung nach § 2 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen, wenn die Neuregelung im Konsumcannabisgesetz sich als milder erwiese (§ 354a StPO). Dies kann er in der hier konkret gegebenen Konstellation nicht abschließend entscheiden, was zur Aufhebung des Schuldspruchs nötigt.
Das mildere von zwei Gesetzen ist dasjenige, welches anhand des konkreten Falls nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt (BGH, Urteil vom 8. August 2022 – 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130, 131 f. mwN). Hängt die Beurteilung des im Einzelfall milderen Rechts davon ab, ob die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung genutzt wird, etwa durch Annahme eines gesetzlich geregelten besonders oder minder schweren Falls, obliegt die Bewertung grundsätzlich dem Tatgericht, sofern eine abweichende Würdigung nicht sicher auszuschließen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. August 2024 – 5 StR 254/24; vom 28. Mai 2024 – 3 StR 154/24 Rn. 5 mwN).
Bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes wären die Handlungen als bewaffnetes Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 4 KCanG) in Tateinheit mit Besitz von insgesamt mehr als 60 Gramm Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1b KCanG) zu würdigen. Für das bewaffnete Handeltreiben mit Cannabis droht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von nicht unter zwei Jahren an. Der Strafrahmen des Konsumcannabisgesetzes erweist sich damit nicht als milder, als derjenige des zur Tatzeit geltenden und von der Strafkammer zur Anwendung gebrachte Strafrahmen des § 30a Abs. 3 BtMG mit der Untergrenze des § 29a Abs. 1 BtMG, der eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren androht. Allerdings sieht § 34 Abs. 4 KCanG einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren für minder schwere Fälle vor. Ob das Konsumcannabisgesetz das mildere Recht ist, hängt mithin davon ab, ob ein minder schwerer Fall nach § 34 Abs. 4 KCanG angenommen wird. Dieser Strafzumessungsakt obliegt indes allein dem Tatgericht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2024 – 5 StR 240/24). Dies zieht die Aufhebung der tateinheitlichen Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln nach sich, auch wenn sich § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG insoweit als milderes Recht im Vergleich zu § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG erweist.
Wegen der Aufhebung der Verurteilung kann auch die daran anknüpfende – für sich genommen rechtsfehlerfreie – Einziehung des Wertes von Taterträgen nach §§ 73, 73c StGB keinen Bestand haben.
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sind von dem Aufhebungsgrund nicht betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können deshalb bestehen bleiben.
2. Die Verurteilung des Angeklagten S. Bestand haben.
kann ebenfalls keinen Seine Handlungen bezogen sich auf 50 Cannabispflanzen mit einem Nettogewicht von knapp 223 Gramm und einer Wirkstoffmenge von 3,19 Gramm THC, die bei Erntereife 1.125 Gramm Cannabis mit einer Wirkstoffmenge von 125 Gramm ergeben hätten, und gut 2.150 Gramm Cannabis mit einer Wirkstoffmenge von rund 210 Gramm THC und sind nunmehr allein nach § 34 KCanG zu bewerten. Dies hat der Senat bei der Revisionsentscheidung nach § 2 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen, da die Neuregelung im Konsumcannabisgesetz sich als milder erweist (§ 354a StPO).
Bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes wären die Handlungen als Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB) in Tateinheit mit Besitz von insgesamt mehr als 60 Gramm Cannabis und mehr als drei lebenden Cannabispflanzen (§ 34 Abs. 1 Nr. 1b KCanG) zu würdigen. Der danach anzuwendende Strafrahmen ist in jedem Fall milder als der vom Landgericht zur Anwendung gebrachte des nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen des § 29a Abs. 2 BtMG, der Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren androht. Denn der besonders schwere Fall des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG sieht ebenfalls Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor, der – sollte die Regelwirkung des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG wegen des vertypten Milderungsgrundes des § 27 StGB nicht entfallen – nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB zu mildern wäre. Der Senat hat den Schuldspruch daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO geändert.
Der Strafausspruch kann keinen Bestand haben, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht bei Anwendung des KCanG eine niedrigere Strafe verhängt hätte.
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sind von dem Aufhebungsgrund nicht betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können deshalb bestehen bleiben.
Cirener Mosbacher Köhler Resch von Häfen Vorinstanz: Landgericht Bremen, 15.02.2024 - 3 KLs 540 Js 60636/19 (29/20) verbunden mit 3 KLs 331 Js 75045/21 (10/22)