6 StR 352/23
BUNDESGERICHTSHOF StR 352/23 BESCHLUSS vom 6. Februar 2024 in der Strafsache gegen wegen Betruges u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:060224B6STR352.23.0 Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Februar 2024 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 8. Mai 2023 unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen aufgehoben a) in den Fällen II.2.1 bis 116 der Urteilsgründe, b) im Ausspruch über die erste Gesamtstrafe (Fälle II.2.1 bis 116 der Urteilsgründe), c) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen, soweit sie einen Betrag von 13.362,92 Euro übersteigt. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe: 1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 116 Fällen unter Einbeziehung der Strafen und einer Einziehungsentscheidung aus einem Urteil des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 5. März 2020 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 114.117,24 Euro angeordnet. Außerdem hat es ihn „wegen Betruges in 13 Fällen, wobei es in drei Fällen beim Versuch blieb“, wegen Urkundenfälschung und wegen Verwahrungsbruchs in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von weiteren 13.362,92 Euro angeordnet. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch in den Fällen II.2.1 bis 116 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil die konkurrenzrechtliche Bewertung der rechtsfehlerfrei festgestellten Taten rechtlicher Überprüfung nicht standhält.
Nach den Feststellungen inserierte der Angeklagte in diesen Fällen „über gehackte Accounts in diversen Internetportalen wie ebay, ebay-Kleinanzeigen und shpock“ eine Vielzahl verschiedener Waren zum Verkauf, die er – wie von Anfang an beabsichtigt – trotz Kaufpreiszahlung nicht an die Käufer übersandte. Die nicht begründete Annahme des Landgerichts, dass es sich jeweils um rechtlich selbständige Taten handelte, stößt auf durchgreifende Bedenken. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„In den Fällen 1 bis 116 der Urteilsgründe hat die Strafkammer nicht bedacht, dass bei der mehrfachen Nutzung eines vom Täter zu diesem Zweck manipulierten Benutzerkontos einer Internet-Verkaufsplattform die über dieses Konto abgewickelten Betrugstaten zur Tateinheit verbunden werden. (…) Die Urteilsgründe offenbaren nicht, welche seiner Betrugstaten der Angeklagte über welche der durch ihn manipulierten Nutzerkonten der Verkaufsplattformen Ebay, Ebay-Kleinanzeigen oder Shpock abgewickelt hat (UA S. 14), obgleich dahingehende Feststellungen möglich erscheinen. Nach den Urteilsfeststellungen ist nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte mehrere seiner Betrügereien mithilfe derselben von ihm manipulierten Accounts verübt hat und diese Taten daher in Tateinheit zueinander stehen; denn wenn der Täter – wie hier – beweiserhebliche Daten eines bestehenden, ihm nicht zugeordneten Kundenkontos einer Internetverkaufsbörse verändert und von diesem Kundenkonto danach plangemäß Gebrauch macht, werden sämtliche nachfolgende hierüber abgewickelten Betrugstaten aufgrund Teilidentität in den Ausführungshandlungen zur Tateinheit verbunden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. April 2015 – 4 StR 422/14, Rn. 6; vom 9. Januar 2023 – 1 StR 381/22, Rn. 4). (…) Das Fehlen entsprechender Ausführungen zur Zuordnung der einzelnen Betrugshandlungen zu den Benutzerkonten in den Urteilsgründen stellt im Hinblick auf die Frage des Konkurrenzverhältnisses der Taten einen durchgreifenden Rechtsfehler dar. Mangels dazu getroffener Feststellungen ist auch eine Schuldspruchänderung durch den Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO nicht möglich.“
Dem schließt sich der Senat an und bemerkt ergänzend, dass die konkurrenzrechtliche Einordnung der auf der Grundlage der Anklageschrift vom 8. November 2022 abgeurteilten Taten vom 13. Januar 2022 (Fälle II.3.17 und 18 der Urteilsgründe) nicht auf durchgreifende rechtliche Bedenken stößt.
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II.2.1 bis 116 der Urteilsgründe lässt die insoweit verhängten Strafen entfallen und zieht die Aufhebung der daraus unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 5. März 2020 gebildeten Gesamtstrafe nach sich. Gleiches gilt für die auf diese Fälle gestützte Einziehungsentscheidung über 104.247,04 Euro.
3. Der Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen hat darüber hinaus keinen Bestand, soweit die in dem Urteil des Amtsgerichts Wolfenbüttel angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 9.870,20 Euro einbezogen worden ist, weil sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, ob und inwieweit diese Anordnung bereits erledigt ist. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, hat zwar im Rahmen einer Entscheidung nach § 55 StGB eine einheitliche Einziehungsanordnung zu ergehen, wenn die frühere Entscheidung eine Einziehung von Taterträgen enthält und auch bei dem angefochtenen Urteil die Voraussetzungen für eine Einziehung von Taterträgen vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 2021 – 6 StR 342/21 mwN). Dies gilt jedoch nicht, wenn die frühere Einziehungsanordnung bereits vollstreckt worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. März 2023 – 3 StR 497/22, Rn. 2; vom 9. März 2022 – 1 StR 498/21).
4. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von den Rechtsfehlern nicht berührt sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen sind möglich und hinsichtlich der konkurrenzrechtlichen Einordnung der Taten in den Fällen II.2.1 bis 116 der Urteilsgründe sowie zum Vollstreckungsstand der durch das Urteil des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 5. März 2020 angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen auch geboten.
5. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht wird zu beachten haben, dass in Fällen, in denen wegen einer Konkurrenzkorrektur neue Strafen festzusetzen und mehrere vom ersten Tatgericht als rechtlich selbständig erachtete Taten zur Tateinheit zu verbinden sind, das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO (nur) gebietet, dass die neu festzusetzende Strafe die Summe der bisherigen Strafen nicht überschreitet; auch die neue Gesamtstrafe darf nicht höher ausfallen als bisher. Dagegen steht es der Verhängung einer höheren Strafe für die nunmehr als tateinheitlich zu bewertenden Betrugshandlungen als solches nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2022 – 2 StR 319/21, Rn. 15). Eine abweichende Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse lässt den Unrechts- und Schuldgehalt des Vorgehens des Angeklagten unberührt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 2020 – 6 StR 197/20, Rn. 6 mwN).
Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, den aufgrund der Taten in den Fällen II.2.1 bis 116 der Urteilsgründe einzuziehenden Wert der Taterträge nachvollziehbar zu berechnen.
Sander Feilcke Tiemann von Schmettau Arnoldi Vorinstanz: Landgericht Braunschweig, 08.05.2023 - 1 KLs 80/22