I ZR 43/23
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 43/23 Nachschlagewerk: BGHZ: BGHR: JNEU:
ja nein nein nein in dem Rechtsstreit Hydra Energy UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, §§ 3a, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 3; MessEG § 2 Nr. 1, § 43 Abs. 2 a) Die Vorschrift des § 43 Abs. 2 MessEG, die dem Schutz des Verkehrs vor Fehlannahmen über die relative Füllmenge einer Fertigpackung ("Mogelpackung") dient, fällt, soweit Handlungen von Unternehmen gegenüber Verbrauchern betroffen sind, in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der in diesem Verhältnis eine Vollharmonisierung bewirkenden Richtlinie 2005/29/EG. Damit ist, weil insoweit die in den übrigen Absätzen des Art. 3 der Richtlinie 2005/29/EG vorgesehenen Ausnahmen nicht betroffen sind, für die lauterkeitsrechtliche Anwendung der Vorschrift des § 43 Abs. 2 MessEG als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG kein Raum, soweit sie Tatbestandsmerkmale - hier: das Merkmal der Bereitstellung auf dem Markt - vorsieht, die dem Tatbestand des Art. 6 der Richtlinie 2005/29/EG beziehungsweise des diese Vorschrift umsetzenden § 5 UWG fremd sind. Die Beurteilung der Irreführung über die relative Füllmenge einer Fertigpackung hat dann allein nach § 5 UWG zu erfolgen (Klarstellung zu BGH, Urteil vom 11. Oktober 2017 - I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 41] = WRP 2018, 413 - Tiegelgröße).
b) Eine wettbewerblich relevante Irreführung über die relative Füllmenge einer Fertigpackung ("Mogelpackung") nach § 5 UWG liegt unabhängig von dem konkret beanstandeten Werbemedium - hier: Online-Werbung - vor, wenn die Verpackung eines Produkts nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der darin enthaltenen Füllmenge steht. Dies ist in der Regel der Fall, wenn die Fertigpackung nur zu zwei Dritteln gefüllt ist, sofern nicht die Aufmachung der Verpackung das Vortäuschen einer größeren Füllmenge zuverlässig verhindert oder die gegebene Füllmenge auf technischen Erfordernissen beruht.
BGH, Urteil vom 29. Mai 2024 - I ZR 43/23 - OLG Düsseldorf LG Düsseldorf ECLI:DE:BGH:2024:290524UIZR43.23.0 Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2024 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke, den Richter Feddersen und die Richterin Wille für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. März 2023 aufgehoben. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 30. November 2021 abgeändert. 1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Waschgels in Tubenverpackungen zum Kauf durch Verbraucher zu bewerben, wie geschehen gemäß Screenshots nach Anlage K 3, wenn bei aufgestellter Tube (Anlage K 3, S. 4) die Oberfläche des enthaltenen Gels mit dem Übergang des transparenten Teils der Verpackung zum silbernen Aufdruck der Verpackung abschließt, wie aus Anlage K 6 ersichtlich. 2. Der Beklagten wird für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung gemäß Ziffer 1 ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Wochen, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an deren Geschäftsführern, angedroht. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Klägerin ist ein in die Liste qualifizierter Verbraucherverbände nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband. Die Beklagte ist die deutsche Vertriebsgesellschaft des L. -Konzerns.
Die Beklagte bewarb auf der von ihr betriebenen Internetseite www.m.
.de das von ihrer Konzernschwester, der L. P.
Deutschland GmbH & Co. KG, hergestellte Herrenwaschgel "Hydra Energy - erfrischendes Waschgel Aufwach-Kick" wie aus der nachfolgenden Abbildung (Anlage K 3,
Seite 4) ersichtlich:
Die aus Kunststoff bestehende Tube ist in der Online-Werbung auf dem Verschlussdeckel stehend abgebildet. Sie ist im unteren Bereich des Verschlussdeckels transparent und gibt den Blick auf den orangefarbigen Inhalt frei. Der darüber befindliche, sich zum Falz der Tube stark verjüngende Bereich ist nicht durchsichtig, sondern silbern eingefärbt. Die Tube ist bis zum Beginn des oberen, nicht durchsichtigen Bereichs mit 100 ml Waschgel befüllt. Vorder- und Rückseite der Waschgel-Tube sehen wie folgt aus (Auszug aus der Anlage K 6):
Die Klägerin hält die Produktaufmachung für irreführend, weil sie eine tatsächlich nicht gegebene nahezu vollständige Befüllung mit Waschgel suggeriere. Vor die Wahl gestellt, wähle ein Großteil der Verbraucher schon aus ökologischen Gründen diejenige Verpackung aus, die im Verhältnis zur Füllmenge am wenigsten Plastikmüll erzeuge.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen,
es zu unterlassen, Waschgels in Tubenverpackungen zum Kauf durch Verbraucher zu bewerben, wie geschehen gemäß Screenshots nach Anlage K 3, wenn bei aufgestellter Tube (Anlage K 3, S. 4) die Oberfläche des enthaltenen Gels mit dem Übergang des transparenten Teils der Verpackung zum silbernen Aufdruck der Verpackung abschließt, wie aus Anlage K 6 ersichtlich.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2024, 29). Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch für unbegründet erachtet und hierzu ausgeführt:
Ein Verstoß gegen § 3a UWG in Verbindung mit § 43 Abs. 2 MessEG liege nicht vor. Zwar täusche die Verpackung jedenfalls dann ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge als vorhanden vor, wenn sie der Verbraucher im Rahmen des Erwerbs im Laden in Originalgröße wahrnehme. Es fehle jedoch an der Spürbarkeit des im Streitfall geltend gemachten Verstoßes in Form des Online-Vertriebs. Dem Verbraucher bleibe die konkrete Größe der Produktverpackung im Zeitpunkt der Beschäftigung mit dem Angebot und dem Erwerb des Produkts verborgen.
Auch ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG scheide aus. Eine für die Verbraucherentscheidung relevante Täuschung über den Hohlraum in der Verpackung sei nicht gegeben. Es könne nicht in jedem Fall einer ökologisch nicht sinnvollen Verpackung, die beim Erwerb nicht offen zu Tage trete, eine relevante Täuschung der Verbraucher angenommen werden. Das hierfür erforderliche ausgeprägte Umweltbewusstsein könne bei dem Durchschnittskäufer von Konsumgütern des täglichen Bedarfs noch nicht unterstellt werden. Das Produkt werde auch nicht gezielt unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit beworben.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 43 Abs. 2 MessEG nicht verneint werden. Bei § 43 Abs. 2 MessEG handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG (dazu II 1). Die beanstandete Produktgestaltung täuscht entgegen § 43 Abs. 2 MessEG ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge vor, als in ihr enthalten ist (dazu II 2). Die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 MessEG sind im Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin zu unterstellen (dazu II 3). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt auch eine spürbare Interessenbeeinträchtigung vor (dazu II 4).
1. Bei § 43 Abs. 2 MessEG handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG.
a) Nach § 3a UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Nach § 43 Abs. 2 MessEG ist es verboten, Fertigpackungen herzustellen, herstellen zu lassen, in den Geltungsbereich dieses Gesetzes zu verbringen, in Verkehr zu bringen oder sonst auf dem Markt bereitzustellen, wenn sie ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge vortäuschen, als in ihnen enthalten ist.
b) Das in § 43 Abs. 2 MessEG geregelte Verbot sogenannter Mogelpackungen ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2017 - I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 41] = WRP 2018, 413 - Tiegelgröße; OLG Frankfurt, ZLR 2009, 618 [juris Rn. 15]; OLG Karlsruhe, WRP 2013, 216 [juris Rn. 25]; WRP 2015, 774 [juris Rn. 12]; Bornkamm/ Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 5 Rn. 2.238; Wolf/ Psallidaki, WRP 2021, 447 Rn. 16).
Ob im Streitfall die Anwendung des § 3a UWG in Verbindung mit § 43 Abs. 2 MessEG zugunsten der Anwendung des § 5 UWG aufgrund der durch die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt hergestellten Vollharmonisierung des Lauterkeitsrechts im Verhältnis von Unternehmen zu Verbrauchern zurückzutreten hat, kann an dieser Stelle offenbleiben (dazu siehe Rn. 49 bis 53).
2. Im Streitfall täuscht die Verpackung entgegen § 43 Abs. 2 MessEG eine größere als die tatsächlich in ihr enthaltene Füllmenge vor.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Waschgel-Verpackung täusche jedenfalls dann ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge als vorhanden vor, wenn sie der Verbraucher im Rahmen des Erwerbs im Laden in Originalgröße wahrnehme. Er erwarte, dass die Verpackung in einem angemessenen Verhältnis zu der darin enthaltenen Füllmenge des Produkts stehe, und wisse, dass Verpackungen der vorliegenden Art regelmäßig zu deutlich mehr als nur zwei Dritteln gefüllt seien. Er nehme den Übergang von der transparenten Verpackung zur silbernen Bedruckung lediglich als Gestaltungsmerkmal, nicht aber als Füllhöhenangabe wahr. Es sei fernliegend, dass der Verbraucher das konkrete Konsumprodukt des täglichen Bedarfs in die Hand nehme, eingehend betrachte, auf seine Inhaltsstoffe überprüfe und dabei die konkrete Füllmenge erkenne. Das hält der rechtlichen Nachprüfung auch im Hinblick auf die im Streitfall gegebene Fallgestaltung der Online-Werbung stand.
b) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die streitgegenständliche Tube entgegen § 43 Abs. 2 MessEG eine größere Füllmenge vortäuscht, als in ihr enthalten ist.
aa) Sinn und Zweck des § 43 Abs. 2 MessEG ist der Schutz des Verkehrs vor Fehlannahmen über die relative Füllmenge einer Fertigpackung (KG, LRE 41, 124 [juris Rn. 5]; OVG Berlin, GewArch 2004, 221 [juris Rn. 30]; OLG Karlsruhe, WRP 2013, 216 [juris Rn. 26], LG Bremen, WRP 2016, 778 [juris Rn. 19]; Häberle in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 250. Ergänzungslieferung Dezember 2023, § 43 MessEG Rn. 6; Wüstenberg, AbfallR 2020, 180, 181 und 184; vgl. auch die - nicht umgesetzte - Verordnungsermächtigung in § 44 Abs. 1 Nr. 11 MessEG, die den Erlass von Vorschriften über die Gestaltung und Befüllung von Fertigpackungen unter anderem zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher ermöglicht). Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich dabei nicht um ein abstraktes, sondern um ein konkretes Gefährdungsdelikt. Bei einem abstrakten Gefährdungstatbestand ist das Gefahrenpotential zwar Anlass, nicht aber Voraussetzung für das Verbot (zu § 9 HWG vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 - I ZR 146/20, GRUR 2022, 399 [juris Rn. 41] = WRP 2022, 426 - Werbung für Fernbehandlung). Anders liegt es bei § 43 Abs. 2 MessEG. Hier muss das Vortäuschen einer größeren Füllmenge als objektives Tatbestandsmerkmal stets im Einzelfall festgestellt werden (vgl. Strecker/Fincke/Trapp, FPV, § 24 unter 2. zu § 35 Abs. 1 Nr. 1 EichG aF).
bb) Bei der Auslegung des Irreführungstatbestands des § 43 Abs. 2 MessEG können die für § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG geltenden Grundsätze zur Irreführung herangezogen werden (vgl. BGH, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 36, 41] - Tiegelgröße; zur inhaltsgleichen Vorgängerregelung in § 17a EichG aF vgl. bereits BGH, Urteil vom 30. Oktober 1981 - I ZR 156/79, BGHZ 82, 138 [juris Rn. 17] - Kippdeckeldose; vgl. auch MünchKomm.UWG/Busche, 3. Aufl., § 5 Rn. 423).
Maßgeblich ist, welche Vorstellungen der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, der dem Produkt die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt, über den Inhalt der jeweiligen Verpackung auf Grund deren äußerer Gestaltung entwickelt, und ob diese Vorstellung vom tatsächlichen Inhalt der Verpackung abweicht (OLG Karlsruhe, WRP 2013, 216 [juris Rn. 27], LG Bremen, WRP 2016, 778 [juris Rn. 20]; Oechsle, WRP 2015, 826 Rn. 13). Wenn eine Divergenz zwischen der Verbrauchererwartung und dem tatsächlichen Inhalt der Packung festzustellen ist, ist zu überprüfen, ob diese Divergenz rechtserheblich oder aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen notwendig ist (OVG Berlin, GewArch 2004, 221 [juris Rn. 30]; OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 263 [juris Rn. 11]; Rathke in Sosnitza/Meisterernst, Lebensmittelrecht, 188. Ergänzungslieferung November 2023, § 43 MessEG Rn. 32, 46 bis 50).
cc) Die Frage der Irreführung ist nach dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck von § 43 Abs. 2 MessEG aus der Gestaltung der einzelnen Packung selbst zu ermitteln. Es kommt ausschließlich auf die Gestaltungselemente der jeweiligen Verpackung nach einem objektiven Maßstab an und nicht auch auf einen Vergleich mit Fertigpackungen von Konkurrenzprodukten oder Vorgängerpackungen (KG, BB 1995, 1001, 1002; OVG Berlin, GewArch 2004, 221 [juris Rn. 24 bis 28] mwN; Eggers/Böhler in Hasselblatt, MAH Gewerblicher Rechtsschutz, 6. Aufl., § 30 Rn. 240; Lindegall in Lindemann/Reinhard/Riemer/Weickert, Kommentar Fertigpackungsrecht, 122. Lieferung Oktober 2014, Kap. IV.2 § 43 MessEG, S. 78; Rützler in Streinz/Kraus, LebensmittelR-HdB, 46. Ergänzungslieferung Januar 2024, Kap. II Rn. 66; Oechsle, WRP 2015, 826 Rn. 56; Weidert in HarteBavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl., § 5 Rn. 410).
dd) Der Begriff der Gestaltung entspricht dem der Aufmachung in Art. 7 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (LMIV) und umfasst die äußere Erscheinungsform, insbesondere die Form, Größe und Farbe der Packung sowie die Mengenkennzeichnung (OLG Frankfurt, ZLR 2009, 618 [juris Rn. 15]; Baumgarten, Mogelpackungen, 1985, S. 9; Häberle in Erbs/Kohlhaas aaO § 43 MessEG Rn. 6; Rathke in Sosnitza/Meisterernst aaO § 43 MessEG Rn. 36; ebenso zu §§ 17, 27 LMBG aF KG, BB 1995, 1001, 1002; Oechsle, WRP 2015, 826 Rn. 15).
ee) Bezugspunkt der Täuschung ist nach dem Wortlaut von § 43 Abs. 2 MessEG die Füllmenge. Darunter ist die Menge zu verstehen, die eine einzelne Fertigpackung tatsächlich enthält (§ 42 Abs. 3 Nr. 1 MessEG). Es geht hingegen nicht um die Menge, die die Fertigpackung enthalten soll, also die sogenannte Nennfüllmenge (§ 42 Abs. 3 Nr. 2 MessEG). Daraus folgt, dass sich die Täuschung allein auf die relative Füllmenge beziehen muss, das heißt auf das Verhältnis der tatsächlichen Füllmenge zur möglichen Füllmenge der konkreten Fertigpackung (ähnlich Oechsle, WRP 2015, 826 Rn. 70). Nicht entscheidend ist dagegen die absolute Füllmenge.
ff) Die Verkehrsvorstellung ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und hängt auch von der Art des verpackten Produkts ab (vgl. BGH, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 47] - Tiegelgröße; Büscher/Büscher, UWG, 3. Aufl., § 5 Rn. 381). Üblicherweise erwartet ein Durchschnittsverbraucher nicht die kleinstmögliche Verpackung, sondern vor allem eine gut handhabbare Verpackung (OVG Berlin, GewArch 2004, 221 [juris Rn. 35 aE]; Wüstenberg, AbfallR 2020, 180, 183). Mit Blick auf die zunehmend in den Fokus tretenden Ziele der Ressourcenschonung und Abfallvermeidung, die auch der Gesetzgeber vorgibt (vgl. §§ 1, 6 Abs. 1 Nr. 1 KrWG; § 4 Nr. 1 VerpackG), muss ein Verbraucher indes auch nicht davon ausgehen, dass unnötig viel Verpackungsmaterial zur Umschließung von Luft verwendet wird (Wolf/Psallidaki, WRP 2021, 447 Rn. 12; ähnlich Baumgarten aaO S. 9, 15: optimal befüllt beziehungsweise gut gefüllt). Sofern der Verkehr daran gewöhnt ist, dass die Verpackungsgröße regelmäßig außer Verhältnis zum Inhalt steht, ist eine solche Verpackungsgröße nicht zur Täuschung geeignet. Das ist etwa bei Pralinenverpackungen oder Parfümflaschen der Fall (vgl. BGH, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 43, 47] - Tiegelgröße; KG, GRUR 1983, 591, 592; LMRR 1987, 74; Büscher/Büscher aaO § 5 Rn. 381).
gg) Eine Abweichung der relativen Füllmenge von der Verbrauchererwartung ist nur dann rechtserheblich, wenn - insoweit nicht anders als im Falle des § 5 Abs. 1 UWG - eine Relevanzschwelle überschritten wird (vgl. Kühl, ZLR 2018, 268, 269; Rathke in Sosnitza/Meisterernst aaO § 43 MessEG Rn. 44 f.; Wolf/
Psallidaki, WRP 2021, 447 Rn. 21; aA wohl Lindegall in Lindemann/Reinhard/ Riemer/Weickert aaO Kap. IV.2 § 43 MessEG, S. 74).
Von einer sogenannten Mogelpackung ist regelmäßig auszugehen, wenn das Füllvolumen weniger als 70 % des Verpackungsvolumens beträgt (vgl. Eggers/Böhler in Hasselblatt aaO § 30 Rn. 237 mwN). Ein Indiz für die Erheblichkeit der Irreführung stellt insoweit die rechtlich unverbindliche Verwaltungsrichtlinie mit allgemeinen Grundsätzen für die Gestaltung von Fertigpackungen im Sinne von § 17a EichG aF vom 31. Januar 1972, geändert gemäß Bekanntmachung vom 23. Januar 1978, dar (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 263 [juris Rn. 8, 19] mwN; LG Stade, BeckRS 2009, 12927 unter I. 3.). Diese Richtlinie sieht unter II. vor, dass undurchsichtige Fertigpackungen grundsätzlich zu beanstanden sind, wenn der Freiraum 30 % oder mehr beträgt (vgl. Rathke in Sosnitza/Meisterernst aaO § 43 MessEG Rn. 55 f. mit Abdruck der Richtlinie; dazu auch Baumgarten aaO S. 21 bis 25).
In der Rechtsprechung ist die Relevanzschwelle im Einzelfall bei rund 30 %, jedenfalls aber bei 50 % Leerraum als überschritten angesehen worden (vgl. OLG Koblenz, NStZ 1983, 465 [mehr als 50 % Freiraum in Käseschachtel]; OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 263 [juris Rn. 19] [mehr als 30 % Freiraum in Packung für Kaffeepads]; OLG Karlsruhe, WRP 2013, 216 [juris Rn. 28] [Volumen der äußeren Verpackung einer Frischkäsepackung von 272,5 cm³, tatsächlich befülltes Volumen von 200 cm³]; LG Frankfurt, GRUR-RR 2002, 80 [33 % Freiraum in Verpackung für Korrekturflüssigkeit]; LG Stade, BeckRS 2009, 12927 [Freiraum von 60 bis 70 % in Gewürzverpackung]; LG Karlsruhe, Urteil vom 17. August 2023 - 13 O 19/20 KfH, juris Rn. 31 bis 34 [Volumenverhältnis Waschgel-Tube zu Inhalt von 1,9 zu 1 ist täuschend]; LG Hamburg, GRUR-RS 2024, 2281, Rn. 12 [Freiraum von 20 % in Streichfettpackung nicht irreführend]; vgl. auch OGH, MR 2019, 41, 43 [Täuschung über das Volumen von 40 bis 50 % bei Kuchen grundsätzlich relevant]; Oechsle, WRP 2015, 826 Rn. 25 f., 71 mwN).
hh) Danach ist die tatgerichtliche Würdigung des Berufungsgerichts frei von Rechtsfehlern.
(1) Die Ermittlung der Verkehrsauffassung unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung dahingehend, ob das Berufungsgericht den Tatsachenstoff verfahrensfehlerfrei ausgeschöpft hat und die Beurteilung mit den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen in Einklang steht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 5/21, GRUR 2022, 837 [juris Rn. 21] = WRP 2022, 720 - Kinderzahnärztin, mwN). Dieser Nachprüfung hält die vom Berufungsgericht festgestellte Verkehrserwartung an die Füllmenge der streitgegenständlichen Tube stand.
(2) Das Berufungsgericht hat zutreffend auf einen Durchschnittsverbraucher abgestellt, der das Waschgel als alltägliches, geringwertiges Produkt zum Preis von 4 €, das nicht mit besonderer Hautfreundlichkeit, sondern mit grellen Farben in Orange und Silber sowie plakativen Aussagen ("Aufwach-Kick", "für müde Männerhaut") werbe, eher flüchtig wahrnehme und der sich, wenn überhaupt, auf die darauf abgedruckten Kernaussagen konzentriere (vgl. BGH, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 27] - Tiegelgröße; Oechsle, WRP 2015, 826 Rn. 18; Wolf/Psallidaki, WRP 2021, 447 Rn. 9 mwN).
(3) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Verkehr bei der streitgegenständlichen Tube als Alltagsprodukt erwartet, dass die Verpackung in einem angemessenen Verhältnis zu der darin enthaltenen Füllmenge des Produkts steht. Die Verkehrserwartung geht dahin, dass solche Packungen regelmäßig zwar nicht vollständig gefüllt sind, aber doch zu deutlich mehr als nur zu zwei Dritteln. Tatsächlich sind die Tuben nach den erstinstanzlichen Feststellungen, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, jedoch nur etwa zu zwei Dritteln gefüllt, so dass eine größere Füllmenge als enthalten vorgetäuscht wird. Es ist auch weder hinreichend dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die Verpackungsgröße technisch notwendig ist (vgl. dazu BGHZ 82, 138 [juris Rn. 17 f., 20] - Kippdeckeldose; Rathke in Sosnitza/Meisterernst aaO § 43 MessEG Rn. 46).
(4) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Aufmachung der Verpackung das Vortäuschen einer größeren Füllmenge nicht zuverlässig verhindert.
Täuscht die Umverpackung oder die Produktaufmachung - wie hier - eine größere Füllmenge vor, kann der Unternehmer durch aufklärende Hinweise eine entsprechende Fehlvorstellung neutralisieren (BeckOK.UWG/Rehart/Ruhl/Isele, 24. Edition [Stand 1. April 2024], § 5 Rn. 305; Büscher/Büscher aaO § 5 Rn. 381; Peifer/Obergfell in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 5 Rn. 300). Zudem kann die Irreführung durch die Gestaltung der Verpackung ausgeschlossen werden, beispielsweise durch die Verwendung von allseits durchsichtigem Material (BeckOK.UWG/Rehart/Ruhl/Isele aaO § 5 Rn. 306; Oechsle, WRP 2015, 826 Rn. 16; Strecker, ZLR 1978, 284, 285; zum fehlenden Verstoß gegen § 43 Abs. 2 MessEG bei einer nur mit einem kleinen Sichtfenster versehenen und im Übrigen undurchsichtigen Weichfertigpackung vgl. OLG Frankfurt, ZLR 2009, 618 [juris Rn. 15 f.]; kritisch Beyerlein, ZLR 2009, 622; für einen Verstoß auch bei Weichfertigpackungen vgl. LG Stade, BeckRS 2009, 12927). Ebenso wie bei § 5 Abs. 1 UWG liegen tatsächliche Umstände, die gegen eine geschäftliche Relevanz des als irreführend beanstandeten Verhaltens sprechen, in der Darlegungs- und Beweislast der auf Unterlassung in Anspruch genommenen Partei (zu § 5 Abs. 1 UWG vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2021 - I ZR 123/20, GRUR 2021, 1422 [juris Rn. 20] = WRP 2021, 1441 - Vorstandsabteilung).
An aufklärenden Hinweisen auf der Verpackung fehlt es im Streitfall. Der Verbraucher nimmt den Übergang von der transparenten Verpackung zur silbernen Bedruckung lediglich als Gestaltungsmerkmal, nicht aber als Füllhöhenangabe wahr. Hierfür wäre ein farblich kontrastierender und deutlich erkennbarer Füllstrich, der beispielsweise noch mit einem Hinweis versehen ist, erforderlich
(vgl. Kiethe/Groeschke, WRP 2003, 962, 968; Baumgarten aaO S. 27 und Abbildungen 12 bis 14).
Die bloße Füllmengenkennzeichnung auf der Rückseite (100 ml) genügt ebenfalls nicht, um eine Täuschung auszuschließen. Diese nach § 43 Abs. 1 MessEG vorgeschriebene Kennzeichnung wirkt einer Irreführung nicht hinreichend entgegen, wenn der Verbraucher - wie im Streitfall - aufgrund des optischen Eindrucks von der Produktverpackung zu einer Fehleinschätzung der relativen Füllmenge gelangt. Das Verbot von Mogelpackungen beruht gerade auf der Erfahrung, dass der Verbraucher eine zutreffende Nennfüllmengenangabe entweder nicht beachtet oder sie nicht richtig einordnen kann (vgl. BGHZ 82, 138 [juris Rn. 23] - Kippdeckeldose; KG, LMRR 1987, 74; OLG Karlsruhe, WRP 2015, 774 [juris Rn. 17]; Baumgarten aaO S. 153; Helm/Sonntag/Burger in Gloy/ Loschelder/Danckwerts, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., § 59 Rn. 309; Rathke in Sosnitza/Meisterernst aaO § 43 MessEG Rn. 51; Oechsle, WRP 2015, 826 Rn. 34 f., 38; Strecker, ZLR 1978, 284, 285).
(5) Die Annahme, dass die Verpackung entgegen § 43 Abs. 2 MessEG eine größere als tatsächlich gegebene Füllmenge vortäuscht, wird von dem Umstand nicht berührt, dass im Streitfall der Online-Vertrieb des beanstandeten Produkts und nicht der Vertrieb durch den stationären Handel betroffen ist.
Täuscht eine Fertigpackung entgegen § 43 Abs. 2 MessEG ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine größere Füllmenge vor, als in ihr enthalten ist, und ist eine der tatbestandsmäßigen Handlungsformen erfüllt, so ist der Tatbestand des § 43 Abs. 2 MessEG unabhängig von dem konkret beanstandeten Vertriebsweg verwirklicht. Der Zweck der Vorschrift, den Verkehr vor Fehlannahmen über die relative Füllmenge zu schützen (dazu siehe Rn. 18), ist stets betroffen, wenn eine Fertigpackung ihrer Gestaltung und Befüllung nach eine nicht gegebene Füllmenge vortäuscht. Die für die Prüfung des § 43 Abs. 2 MessEG maßgebliche Verkehrserwartung knüpft an die Packungsgestaltung an, nicht an den Vertriebsweg. Ob der Verbraucher der täuschenden Packung im stationären Handel oder im Internethandel begegnet, rechtfertigt deshalb keine unterschiedliche Behandlung.
3. Im Revisionsverfahren ist zugunsten der Klägerin zu unterstellen, dass der Tatbestand des § 43 Abs. 2 MessEG auch im Übrigen erfüllt ist.
a) Die streitgegenständlichen Tuben sind Fertigpackungen gemäß § 42 Abs. 1 MessEG, in die in Abwesenheit des Käufers das Waschgel als Erzeugnis abgepackt und die dann verschlossen werden, wobei die Menge des darin enthaltenen Erzeugnisses ohne Öffnen oder merkliche Änderung der Verpackung nicht verändert werden kann.
b) Den Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich nicht sicher entnehmen, ob es die beanstandete, von ihm als Online-Vertrieb durch die Beklagte bezeichnete Handlung als eine - von den in § 43 Abs. 2 MessEG genannten Handlungsmodalitäten vorliegend einzig in Betracht kommende - Bereitstellung auf dem Markt angesehen hat. Nach § 2 Nr. 1 MessEG ist unter Bereitstellung auf dem Markt jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Markt der Europäischen Union im Rahmen einer Geschäftstätigkeit zu verstehen. Mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts ist im Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin das Vorliegen der entsprechenden tatsächlichen Voraussetzungen zu unterstellen.
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung erfasst der von der Klägerin gestellte Antrag auch das Verbot einer (unterstellten) Bereitstellung des Waschgels auf dem Markt. Die Klägerin hat im Antrag mit der Formulierung "wie geschehen gemäß Screenshots nach Anlage K 3" auf die konkrete Verletzungsform Bezug genommen, mithin auf die in den Abbildungen des Internetauftritts der Beklagten gezeigte Angebotshandlung. Durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform ist klargestellt, welches tatsächliche Verhalten Gegenstand der Beanstandung ist. Dass der Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform im Antrag eine abstrakte Beschreibung vorangestellt ist, nach der der Beklagten untersagt werden soll, "Waschgels in Tubenverpackungen zum Kauf durch Verbraucher zu bewerben", bewirkt keine Verengung des Antrags auf den Gesichtspunkt der Werbung. Ist auf die konkrete Verletzungsform Bezug genommen, steht eine etwaige verbale Zuspitzung auf einzelne rechtliche Aspekte als unschädliche Überbestimmung der Würdigung dieses Verhaltens auch unter anderen rechtlichen Aspekten nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - I ZR 96/19, GRUR 2020, 1226 [juris Rn. 30] = WRP 2020, 1426 - LTE-Geschwindigkeit, mwN).
4. Der Verstoß gegen die Marktverhaltensregelung in § 43 Abs. 2 MessEG ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts im Sinne von § 3a UWG geeignet, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen.
a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es fehle an der Spürbarkeit des im Streitfall allein geltend gemachten Verstoßes durch den Online-Vertrieb des Produkts. Dem Verbraucher bleibe die konkrete Größe der Produktverpackung im Zeitpunkt der Beschäftigung mit dem Angebot und dem Erwerb des Produkts verborgen. Er nehme sie erst nach Vertragsschluss bei Anlieferung zur Kenntnis. Er könne anhand der Produktabbildung zwar auf ein bestimmtes Aussehen der Verpackung schließen, insbesondere auf ein bestimmtes Verhältnis von Höhe zu Breite/Durchmesser der Verpackung. Die Füllmenge als solche entnehme er mangels Kenntnis der tatsächlichen Größe der Produktverpackung indes allein der - unstreitig zutreffenden - Füllmengenangabe. Der Verbraucher möge deshalb aus der Füllmenge auf eine bestimmte Größe der Verpackung schließen, nicht aber von der Verpackung auf eine bestimmte Füllmenge. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
b) Die Frage, ob eine Eignung zur spürbaren Interessenbeeinträchtigung besteht, ist nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Marktverhaltensregelung zu beurteilen. Bei dieser Beurteilung sind diejenigen Zwecke zu berücksichtigen, die die Einordnung der Vorschrift als Marktverhaltensregelung rechtfertigen, weil sie die Interessen der Marktteilnehmer betreffen (BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 206/17, GRUR 2019, 1071 [juris Rn. 54] = WRP 2019, 1296 - Brötchen-Gutschein, mwN). Die Spürbarkeitsklausel hat den Zweck, solche Fälle des Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregelung von der Verfolgung auszunehmen, die keine nennenswerte Auswirkung auf andere Marktteilnehmer haben und an denen daher kein Interesse der Allgemeinheit besteht (OLG Frankfurt, WRP 2020, 758 [juris Rn. 13]; Köhler/Odörfer in Köhler/Bornkamm/ Feddersen aaO § 3a Rn. 1.96; Büscher/Meinhardt aaO § 3a Rn. 166). Eine spürbare Beeinträchtigung der Interessen von Verbrauchern liegt vor, wenn deren Fähigkeit zur informierten und freien geschäftlichen Entscheidung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG betroffen ist (Köhler/Odörfer in Köhler/Bornkamm/ Feddersen aaO § 3a Rn. 1.98).
c) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall die Spürbarkeit des Verstoßes gemäß § 3a UWG zu bejahen. Das Berufungsgericht hat bei der rechtlichen Prüfung der Spürbarkeit einen unzutreffenden Schutzzweck der betroffenen Marktverhaltensregelung zugrunde gelegt.
Der Schutzzweck des § 43 Abs. 2 MessEG besteht darin, den Verkehr vor Fehlannahmen über die relative Füllmenge einer Fertigpackung zu schützen. Dieser Schutzzweck ist unabhängig vom Vertriebsweg stets betroffen, wenn eine Fertigpackung ihrer Gestaltung und Befüllung nach in relevanter Weise (dazu siehe Rn. 19 f., 25) über ihre relative Füllmenge täuscht (dazu siehe Rn. 23). Das Berufungsgericht hat die Spürbarkeit des Verstoßes verneint, weil dem Verbraucher beim Online-Vertrieb die tatsächliche Größe der Produktverpackung verborgen bleibe und er damit nicht der Gefahr ausgesetzt sei, die absolute Füllmenge falsch einzuschätzen, sondern er sich allein an der zutreffenden Angabe der absoluten Füllmenge orientiere. Das ist verfehlt, weil § 43 Abs. 2 MessEG den Verkehr vor Fehlannahmen über die relative Füllmenge schützen soll und eine Füllmengenkennzeichnung nicht geeignet ist, eine Täuschung über die relative Füllmenge auszuschließen.
Wird ein Marktteilnehmer in dieser Weise über die relative Füllmenge einer ihm dargebotenen Fertigpackung getäuscht, liegt die Beeinträchtigung seiner Fähigkeit zur informierten und freien geschäftlichen Entscheidung auf der Hand (zu § 5 UWG vgl. BGH, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 36 aE] - Tiegelgröße). Die Prüfung der Relevanzschwelle im Rahmen des Tatbestands des § 43 Abs. 2 MessEG entspricht in der Sache dem im Rahmen des § 3a UWG oder auch des § 5 UWG geprüften Relevanzkriteriums.
III. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der geltend gemachte Anspruch besteht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 3, § 3 Abs. 1 und 2, § 5 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 UWG.
1. Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 MessEG auch im Übrigen erfüllt sind und insbesondere die Werbung für ein Produkt oder das nicht mit einem Wechsel in der Sachherrschaft verbundene bloße Angebot der Abgabe eines Produkts unter den Begriff der Bereitstellung auf dem Markt im Sinne des § 43 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Nr. 1 MessEG fällt, wie die Revisionserwiderung bezweifelt. Denn § 3a UWG in Verbindung mit § 43 Abs. 2 MessEG kommt aufgrund der vollharmonisierenden Wirkung der Richtlinie 2005/29/EG vorliegend nicht zur Anwendung.
50 a) Der Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG, die nach ihrem Art. 4 vollharmonisierende Wirkung hat, erfasst nach ihrem Art. 3 Abs. 1 unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Art. 5 der Richtlinie von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts. Nach Art. 5 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2005/29/EG sind unlautere Geschäftspraktiken insbesondere solche, die irreführend im Sinne der Art. 6 und 7 dieser Richtlinie sind. Der Umsetzung des Art. 6 der Richtlinie 2005/29/EG dient die Vorschrift des § 5 UWG.
b) Ist der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG definierte Anwendungsbereich eröffnet, ist für die lauterkeitsrechtliche Anwendung von Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG nur Raum, sofern die Richtlinie den von der Marktverhaltensregelung betroffenen Bereich nach den übrigen Absätzen des Art. 3 unberührt lässt. Dies gilt etwa mit Blick auf das in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/EG genannte Vertragsrecht (dazu BGH, Beschluss vom 10. Februar 2022 - I ZR 38/21, GRUR 2022, 500 [juris Rn. 67] = WRP 2022, 452 - Zufriedenheitsgarantie) oder die in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/29/EG genannten Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten, zu denen etwa Vorschriften des Lebensmittelrechts (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2022 - I ZR 143/19, BGHZ 233, 193 [juris Rn. 28] - Knuspermüsli II), des Heilmittelwerberechts (vgl. BGH, GRUR 2022, 399 [juris Rn. 20] - Werbung für Fernbehandlung), des Arzneimittelrechts (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 - I ZR 235/16, GRUR 2019, 97 [juris Rn. 11] = WRP 2019, 58 - Apothekenmuster I; Urteil vom 17. Dezember 2020 - I ZR 235/16, GRUR 2021, 628 [juris Rn. 14] = WRP 2021, 615 - Apothekenmuster II), über Biozide (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2022 - I ZR 16/22, GRUR 2023, 416 [juris Rn. 22] = WRP 2023, 447 - Stickstoffgenerator), über die Werbung für Tabakerzeugnisse (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2020 - I ZR 176/19, GRUR 2020, 1002 [juris Rn. 15]
= WRP 2020, 1300 - Zigarettenausgabeautomat I) oder des Produktsicherheitsrechts (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 - I ZR 258/15, GRUR 2017, 409 [juris Rn. 25] = WRP 2017, 418 - Motivkontaktlinsen) zählen.
c) Die Vorschrift des § 43 Abs. 2 MessEG, die dem Schutz des Verkehrs vor Fehlannahmen über die relative Füllmenge einer Fertigpackung dient (dazu vorstehend Rn. 18), fällt, soweit Handlungen von Unternehmen gegenüber Verbrauchern betroffen sind, in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG. Damit ist, weil insoweit die in den übrigen Absätzen des Art. 3 der Richtlinie 2005/29/EG vorgesehenen Ausnahmen nicht betroffen sind, für die Anwendung der Vorschrift des § 43 Abs. 2 MessEG kein Raum, soweit sie Tatbestandsmerkmale - hier: das Merkmal der Bereitstellung auf dem Markt - vorsieht, die dem Tatbestand des Art. 6 der Richtlinie 2005/29/EG beziehungsweise des § 5 UWG fremd sind. Soweit der Senat in der Entscheidung "Tiegelgröße" (BGH, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 41]) eine Anspruchskonkurrenz zwischen § 5 UWG und § 3a UWG in Verbindung mit § 43 Abs. 2 MessEG angenommen hat, wird daran für das Verhältnis zwischen Unternehmen und Verbrauchern nicht festgehalten.
Die im Streitfall als irreführend beanstandete Werbung der Beklagten, eines Unternehmens, gegenüber Verbrauchern, ist folglich allein nach § 5 UWG zu beurteilen.
2. Die angegriffene Handlung verstößt gegen § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG.
a) Gegenstand der im auf die konkrete Verletzungsform Bezug nehmenden Klageantrag bezeichneten Handlung ist die Werbung auf einer Internetseite der Beklagten für das Waschgel "Hydra Energy - erfrischendes Waschgel Aufwach-Kick", wobei bei dem Anwählen des Produkts das auf Seite 4 der Anlage K 3 sichtbare Fenster mit einer Schaltfläche mit einem Warenkorbsymbol und der Aufschrift "ONLINE KAUFEN" erscheint.
b) Nach § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie die Menge enthält.
Bei der Prüfung der Relevanzklausel des § 5 Abs. 1 UWG kommt es auf die Vorstellung des verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers an. Erforderlich ist, dass die betroffene Angabe geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über marktrelevante Umstände hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, GRUR 2021, 1422 [juris Rn. 16] - Vorstandsabteilung).
c) Die Beklagte hat durch die angegriffene Werbung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG geschäftlich gehandelt. Nach dieser Vorschrift ist eine geschäftliche Handlung jegliches Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt.
d) Die angegriffene Werbung ist im Sinne des § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG geeignet, über den marktrelevanten Umstand der tatsächlichen Befüllung der Waschgel-Tube irrezuführen und den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
aa) Die angegriffene Werbung führt über den marktrelevanten Umstand der relativen Füllmenge in die Irre.
Im Rahmen der Prüfung einer Irreführung über die Menge nach § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG sind die für § 43 Abs. 2 MessEG geltenden Grundsätze zum Vortäuschen einer tatsächlich nicht bestehenden Füllmenge (dazu Rn. 17 bis 37) gleichermaßen anwendbar. Die Internetwerbung für die Waschgel-Tube führt mithin über die relative Füllmenge in die Irre, weil der Verbraucher erwartet, dass die Verpackung eines Produkts in der Weise in einem angemessenen Verhältnis zu der darin enthaltenen Füllmenge steht, dass das Produkt zu deutlich mehr als nur zu zwei Dritteln befüllt ist. Dies ist nach den erstinstanzlichen Feststellungen, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, nicht der Fall, weil die Waschgel-Tube nur zu etwa zwei Dritteln gefüllt ist und nach der zutreffenden Würdigung des Berufungsgerichts die Aufmachung der Verpackung das Vortäuschen einer größeren Füllmenge nicht zuverlässig verhindert. Zudem ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die gegebene Füllmenge auf technischen Erfordernissen beruht.
bb) Diese Irreführung ist geeignet, eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen.
(1) Die Werbung ist geeignet, eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen.
Eine geschäftliche Entscheidung ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher sich entschließt, tätig zu werden. Hierzu gehören nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie das Betreten eines Geschäfts (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-281/12, GRUR 2014, 196 [juris Rn. 36] = WRP 2014, 161 - Trento Sviluppo und Centrale Adriatica),
das Aufsuchen eines Verkaufsportals im Internet (vgl. BGH, Urteil vom 14. September 2017 - I ZR 231/14, GRUR 2017, 1269 [juris Rn. 19] = WRP 2018, 65 - MeinPaket.de II) oder der Aufruf der Internetseite eines Unternehmens, um sich näher mit dem Unternehmen oder seinem Produktangebot zu befassen (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2016 - I ZR 23/15, GRUR 2016, 1073 [juris Rn. 34] = WRP 2016, 1228 - Geo-Targeting; Urteil vom 7. März 2019 - I ZR 184/17, GRUR 2019, 746 [juris Rn. 29] = WRP 2019, 874 - Energieeffizienzklasse III; Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 90/20, BGHZ 231, 38 [juris Rn. 96] - Influencer I).
Im Streitfall nimmt der angesprochene Verbraucher an, durch Anwählen der ihm angezeigten Schaltfläche "ONLINE KAUFEN" (Seite 4 der Anlage K 3) zu einer im Internet angebotenen Erwerbsmöglichkeit zu gelangen. Damit veranlasst diese Gestaltung zu einer der Entscheidung über den Erwerb des Produkts unmittelbar vorgelagerten Entscheidung, die den vorstehend erläuterten Begriff der geschäftlichen Entscheidung erfüllt, ohne dass es in tatsächlicher Hinsicht darauf ankommt, ob der Verbraucher auf eine Internetseite der Beklagten bzw. eines Drittanbieters oder auf einen Online-Marktplatz weitergeleitet wird.
(2) Wird ein Marktteilnehmer über die relative Füllmenge einer ihm dargebotenen Fertigpackung getäuscht, liegt die wettbewerbliche Relevanz dieser Irreführung auf der Hand, weil die Fähigkeit des Verbrauchers zur informierten und freien geschäftlichen Entscheidung beeinträchtigt wird (BGH, GRUR 2018, 431 [juris Rn. 36 aE] - Tiegelgröße; dazu bereits Rn. 45 bis 47).
e) Die Klägerin ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG anspruchsberechtigt. Es besteht Wiederholungsgefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG.
Koch Richter am BGH Dr. Löffler ist wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben.
Koch Schwonke Feddersen Wille Vorinstanzen: LG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.11.2021 - 37 O 42/20 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 23.03.2023 - 20 U 176/21 - Es folgen Anlage K 3 (5 Abbildungen) und Anlage K 6 (10 Abbildungen)
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- 40 - Verkündet am 29. Mai 2024 Hemminger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle