VIII ZB 85/22
BUNDESGERICHTSHOF VIII ZB 85/22 BESCHLUSS vom 30. Januar 2024 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja ZPO § 520 Abs. 2 Satz 3, § 233 B Zu den Anforderungen an die Ausgangskontrolle bei der Versendung fristgebundener Schriftsätze - hier: Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA; im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 11. Mai 2021 - VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 44 ff.; vom 24. Mai 2022 - XI ZB 18/21, NJW-RR 2022, 1069 Rn. 12; vom 21. März 2023 - VIII ZB 80/22, NJW 2023, 1668 Rn. 19 ff.; jeweils mwN).
BGH, Beschluss vom 30. Januar 2024 - VIII ZB 85/22 - LG Berlin AG Schöneberg ECLI:DE:BGH:2024:300124BVIIIZB85.22.0 Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Januar 2024 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bünger, die Richterin Dr. Liebert, den Richter Dr. Schmidt sowie die Richterinnen Wiegand und Dr. Matussek beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin - Zivilkammer 63 - vom 28. September 2022 wird als unzulässig verworfen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 10.214 € festgesetzt.
Gründe: I.
Die Klägerin als Vermieterin nimmt den Beklagten als ihren ehemaligen Mieter auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage weit überwiegend abgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Ihr Antrag auf Verlängerung der am 1. September 2022 ablaufenden Berufungsbegründungsfrist ist erst am Folgetag bei dem Berufungsgericht eingegangen. Die Klägerin hat am 8. September 2022 die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt. Das Berufungsgericht hat sowohl diesen Antrag als auch denjenigen auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist sei unbegründet, da die Klägerin nicht ohne das ihr zuzurechnende Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) an der Wahrung dieser Frist gehindert gewesen sei. Zwar seien die Angestellten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin angewiesen, zweimal am Tag zu prüfen, ob die gefertigten Schriftsätze von den Rechtsanwälten mit einer digitalen Signatur versehen worden seien, die Schriftsätze danach unverzüglich über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) zu versenden und sich von der erfolgreichen Zustellung zu überzeugen. Hinsichtlich des Schriftsatzes, mit welchem vorliegend die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt worden sei, habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ferner an eine Kanzleiangestellte eine Einzelanweisung zum Versand erteilt.
Jedoch stelle sich die seitens der Klägerin im Rahmen ihres Wiedereinsetzungsantrags dargelegte Organisation zum Versand fristgebundener Schriftsätze in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten verschuldet als nicht ausreichend dar, was zu der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist geführt habe. Es wäre ein Fristenkalender zu führen gewesen, in dem eine zu wahrende Frist eingetragen und erst dann gestrichen werde, wenn die erforderliche Handlung auch tatsächlich ausgeführt worden sei. Anhand einer abendlichen Kontrolle des Fristenkalenders wäre zu überprüfen gewesen, ob die an dem Tag ablaufenden Fristen als erledigt anzusehen seien. Vorliegend sei nicht erkennbar, dass diese Sorgfaltspflichten eingehalten worden seien. Anhand des Vorbringens der Klägerin zur Begründung der beantragten Wiedereinsetzung sei nicht ersichtlich, ob in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten ein Fristenkalender existiere und wer aufgrund welcher Anweisungen in diesem Eintragungen und Streichungen vornehme beziehungsweise auf wen die Verantwortung für die abschließende Kontrolle des Fristenkalenders delegiert worden sei.
Der Antrag auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung sei zurückzuweisen, da dieser erst am 2. September 2022 und damit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen sei; eine abgelaufene Frist könne nicht verlängert werden.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (§ 577 Abs. 1 ZPO).
1. Soweit sich die Klägerin gegen die Zurückweisung des Antrags auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung wendet, ist die Rechtsbeschwerde bereits nicht statthaft. Denn gemäß § 225 Abs. 3 ZPO findet eine Anfechtung der Entscheidung, durch die das Gesuch um Verlängerung einer Frist zurückgewiesen wird, nicht statt (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 1987 - IVb ZR 86/86, BGHZ 102, 37, 39; Beschlüsse vom 23. Januar 1985 - VIII ZB 18/84, BGHZ 93, 300, 302 f.; vom 21. Juni 2023 - V ZB 15/22, NJW 2023, 2883 Rn. 6; vom 30. November 2023 - III ZB 4/23, juris Rn. 14; MünchKommmZPO/
Rimmelspacher, 6. Aufl., § 520 Rn. 20; Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 23. Aufl., § 520 Rn. 17; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 5. Aufl., § 520 Rn. 55).
2. Soweit die Rechtsbeschwerde die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung betrifft, ist sie - auch wenn die Berufung, wie hier, noch nicht als unzulässig verworfen worden ist - zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Oktober 2019 - VIII ZB 103/18 und VIII ZB 104/18, NJW-RR 2020, 52 Rn. 8; vom 31. August 2023 - III ZB 72/22, juris Rn. 7 mwN) und genügt den Form- und Fristerfordernissen. Sie ist jedoch ebenfalls unzulässig, wobei dahinstehen kann, ob dies bereits daraus folgt, dass die Rechtsbeschwerde in der Sache beantragt, der Klägerin "wegen der Versäumung der Frist zur Beantragung der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren", was keine Grundlage im Gesetz hat (§ 233 Satz 1 ZPO; vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Oktober 1986 - III ZB 30/86, VersR 1987, 308; vom 6. Juli 1989 - IX ZB 52/89, juris Rn. 2 [jeweils zu § 233 ZPO aF]; vgl. auch Senatsbeschluss vom 27. September 2023 - VIII ZB 90/22, juris Rn. 21).
Auch wenn man dieses mit der Rechtsbeschwerde verfolgte Begehren zugunsten der Klägerin dahingehend auslegt, dass sie - ebenso wie in der Berufungsinstanz - (zutreffend) die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist begehrt, ist das Rechtsmittel unzulässig, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Wiedereinsetzung ablehnenden Beschluss gewahrt sein müssen (siehe nur Senatsbeschlüsse vom 7. Februar 2023 - VIII ZB 55/21, NJW 2023, 1812 Rn. 14; vom 21. März 2023 - VIII ZB 80/22, NJW 2023, 1668 Rn. 13; vom 10. Oktober 2023 - VIII ZB 60/22, NJW 2024, 83 Rn. 17; jeweils mwN; siehe auch BGH, Beschluss vom 9. Januar 2020 - I ZB 41/19, juris Rn. 8), nicht erfüllt sind. Denn die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Insbesondere verletzt die angegriffene Entscheidung - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht die Verfahrensgrundrechte der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip).
a) Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden beziehungsweise die den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 7. Februar 2023 - VIII ZB 55/21, aaO Rn. 16; vom 21. März 2023 - VIII ZB 80/22, aaO Rn. 16; vom 10. Oktober 2023 - VIII ZB 60/22, aaO Rn. 18; jeweils mwN).
b) Gemessen hieran verletzt die Versagung einer Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist die Klägerin in ihren vorgenannten Verfahrensgrundrechten nicht, da die Fristversäumung auf einem der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden anwaltlichen Organisationsmangel (§ 233 Satz 1 ZPO) bei der Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten beruht.
aa) Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Oktober 2019 - VIII ZB 103/18 und VIII ZB 104/18, NJW-RR 2020, 52 Rn. 11; vom 11. Mai 2021 - VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 44; vom 21. März 2023 - VIII ZB 80/22, NJW 2023, 1668 Rn. 18; jeweils mwN).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Prozessbevollmächtigte in ihrem Büro eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze rechtzeitig hinausgehen. Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax kommt der Rechtsanwalt seiner Verpflichtung, für eine wirksame Ausgangskontrolle zu sorgen, nur dann nach, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen und die Frist erst nach Kontrolle des Sendeberichts zu löschen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2016 - VII ZB 36/15, NJW 2016, 1740 Rn. 8; vom 17. März 2020 - VI ZB 99/19, NJW 2020, 1809 Rn. 12; vom 21. März 2023 - VIII ZB 80/22, aaO Rn. 19; jeweils mwN).
Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen - wie hier - mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) entsprechen nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs denjenigen bei der Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch hier ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 11. Mai 2021 - VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 21; vom 29. September 2021 - VII ZR 94/21, NJW 2021, 3471 Rn. 12; vom 20. September 2022 - XI ZB 14/22, NJW 2022, 3715 Rn. 7). Daher hat der Rechtsanwalt in seiner Kanzlei das zuständige Personal dahingehend anzuweisen, dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu kontrollieren ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Mai 2021 - VIII ZB 9/20, aaO Rn. 24; vom 11. Januar 2023 - IV ZB 23/21, NJW-RR 2023, 425 Rn. 14). Die Kontrollpflichten erstrecken sich zudem unter anderem darauf, ob die Übermittlung vollständig und an das richtige Gericht erfolgte sowie ob die richtige Datei übermittelt wurde (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2022 - XI ZB 14/22, aaO Rn. 7 ff.; vom 21. März 2023 - VIII ZB 80/22, aaO Rn. 20, 26; jeweils mwN).
bb) Dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine den vorstehenden Maßstäben gerecht werdende Ausgangskontrolle besteht, hat diese weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Der darin liegende Organisationsmangel ist für die Fristversäumung auch ursächlich geworden.
(1) Die Klägerin hat in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch vom 8. September 2022 - worauf das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend abgestellt hat nichts zur Führung eines Fristenkalenders vorgebracht, anhand dessen eine den vorgenannten Anforderungen genügende Ausgangskontrolle durchgeführt wird.
Die Klägerin hat lediglich ausgeführt, in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten bestehe die Arbeitsanweisung, dass die Mitarbeiterinnen sich davon zu überzeugen hätten, dass ein - per beA - versandtes Schriftstück erfolgreich zugestellt worden sei. Ungeachtet bereits fehlender Angaben zur Führung eines Fristenkalenders ergibt sich weder aus den vorgenannten Ausführungen noch aus dem Vorbingen der Klägerin in der Rechtsbeschwerde - wobei dahinstehen kann, ob dieses Vorbringen im vorliegenden Verfahrensstadium überhaupt noch zu berücksichtigen ist (vgl. hierzu nur Senatsbeschluss vom 8. März 2022
- VIII ZB 96/20, NJW-RR 2022, 644 Rn. 31 mwN) -, in welcher erstmals (allgemein) von einer Eingangsbestätigung die Rede ist, nach deren Eingang die Frist erst zu streichen sei, wie die Überprüfung der erfolgreichen Zustellung genau erfolgt. Insbesondere ist nichts dazu vorgetragen, ob diese den Erhalt sowie den Inhalt der elektronischen Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 24. Mai 2022 - XI ZB 18/21, NJW-RR 2022, 1069 Rn. 12) umfasst. Überdies lässt sich den Ausführungen der Klägerin nicht entnehmen, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten eine Anweisung besteht, wonach erst nach einer solchen Überprüfung der Eingangsbestätigung eine Frist im Fristenkalender als erledigt vermerkt beziehungsweise gestrichen werden darf.
Aufgrund dieses Organisationsverschuldens kann sich die Rechtsbeschwerde nicht mit Erfolg darauf berufen, es liege allein ein Verschulden der zuständigen Mitarbeiterin in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor, die es (lediglich) versäumt habe, "auf den Knopf" zum Versenden der beANachricht mit dem Fristverlängerungsantrag "zu drücken". Zwar ist der bloße Versand der (qualifiziert signierten, § 130a Abs. 3 ZPO) beA-Nachricht durch eine Kanzleiangestellte nicht vom Rechtsanwalt zu kontrollieren und stellt ein diesbezüglicher Fehler der Angestellten ein schlichtes, der Partei nicht zuzurechnendes und bei fehlendem eigenen Verschulden des Rechtsanwalts - etwa in Form eines Organisations- oder Aufsichtsverschuldens - ein der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegenstehendes Büroversehen dar (vgl. hierzu BVerfG, NJW 1996, 309; BGH, Beschlüsse vom 18. Januar 2018 - IX ZB 4/17, juris Rn. 5; vom 29. Oktober 2019 - VIII ZR 103/18 und VIII ZR 104/18, NJW-RR 2020, 52 Rn. 15 [zum Postversand]; vom 6. September 2023 - IV ZB 4/23, NJW 2023, 3432 Rn. 11; vom 10. Oktober 2023 - VIII ZB 60/22, NJW 2024, 83 Rn. 25). Jedoch sind in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht "sämtliche Maßnahmen zur Fristerledigung" getroffen, sondern fehlt es - wie ausgeführt - an einer ordnungsgemäßen Ausgangskontrolle.
(2) Dieses Versäumnis ist nicht nach den Grundsätzen zum Verschulden eines Prozessbevollmächtigten bei Vorliegen einer konkreten Einzelanweisung deshalb unerheblich, weil die Kanzleiangestellte "noch einmal gesondert" angewiesen wurde, den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am Tag deren Ablaufs dem Gericht per beA zu übermitteln.
(a) Auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen kommt es dann nicht an, wenn ein Rechtsanwalt für einen bestimmten Fall eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. In einem solchen Fall darf ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, diese konkrete Einzelanweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 16. September 2015 - V ZB 54/15, NJW-RR 2016, 126 Rn. 11; vom 4. September 2018 - VIII ZB 70/17, NJW-RR 2018, 1325 Rn. 22; vom 21. Mai 2019 - II ZB 4/18, juris Rn. 13). Wird die Anweisung jedoch - wie hier - nur mündlich erteilt, müssen allerdings ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Erledigung in Vergessenheit gerät. Dafür genügt im Regelfall die klare und präzise Anweisung, die Erledigung sofort vorzunehmen, insbesondere wenn zudem eine weitere allgemeine Büroanweisung besteht, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen auszuführen. Die Gefahr, dass eine solche sofort auszuführende Weisung sogleich vergessen oder aus sonstigen Gründen nicht befolgt wird, macht eine nachträgliche Kontrolle ihrer Ausführung dann nicht erforderlich. Der Rechtsanwalt muss aber, wenn er - wie im Streitfall - nicht die sofortige Ausführung seiner Anweisung anordnet, durch allgemeine Weisung oder besonderen Auftrag Vorkehrungen gegen das Vergessen treffen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Mai 2019 - II ZB 4/18, juris Rn. 13; vom 17. März 2020 - VI ZB 99/19, NJW 2020, 1809 Rn. 11).
(b) Hieran fehlt es vorliegend. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte weder einen besonderen Auftrag zur sofortigen Erledigung erteilt noch besteht - wie ausgeführt - in der Kanzlei eine ausreichende allgemeine Weisung bezüglich der Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze. Daher hätte sich die Einzelanweisung in gleicher Weise wie allgemeine Organisationsanweisungen auf die gebotene Ausgangskontrolle, insbesondere auf die Kontrolle des Erhalts sowie des Inhalts der automatisierten Eingangsbestätigung (§ 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO) erstrecken müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2020 - VI ZB 99/19, aaO Rn. 12). Dies war nach dem Vorbringen der Klägerin in ihrem Wiedereinsetzungsgesuch jedoch nicht der Fall. Hiernach sei die Kanzleiangestellte lediglich "noch einmal gesondert" darauf hingewiesen worden, den Fristverlängerungsantrag weiterzuleiten. Konkrete Anweisungen, die an die Stelle einer allgemeinen Ausgangskontrolle hätten treten können, fehlen somit.
(3) Die Pflichtverletzung in Form einer ungenügenden Ausgangskontrolle war für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auch ursächlich. Hätte in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Organisation bestanden, die die ordnungsgemäße Prüfung des Eingangs sowie des Inhalts der Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO gewährleistet hätte, wäre nach gewöhnlichem Lauf der Dinge bei ansonsten pflichtgemäßem Verhalten der Beteiligten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Dezember 2015 - VI ZB 15/15, NJW 2016, 873 Rn. 11; vom 29. Oktober 2019 - VIII ZB 103/18 und VIII ZB 104/18, NJW-RR 2020, 52 Rn. 19; vom 11. Mai 2021 - VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 54) die nicht erfolgte Übermittlung des Fristverlängerungsantrags bekannt geworden und hätte - noch am Tag des Ablaufs der Frist zur Begründung der Berufung - eine Versendung unternommen werden können.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Bünger Dr. Liebert Dr. Schmidt Wiegand Dr. Matussek Vorinstanzen: AG Schöneberg, Entscheidung vom 29.06.2022 - 6 C 8/22 LG Berlin, Entscheidung vom 28.09.2022 - 63 S 198/22 -