AK 101/23
BUNDESGERICHTSHOF AK 100-106/23 BESCHLUSS vom 24. Januar 2024 in dem Ermittlungsverfahren gegen
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
wegen Gründung einer und mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:240124BAK100.23.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschuldigten und ihrer Verteidiger am 24. Januar 2024 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.
Gründe:
I.
Die Beschuldigten sind aufgrund von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 28. Juni 2023 (2 BGs 878/23 [A. ]) und vom
29. Juni 2023 (2 BGs 942/23 [N.
], 2 BGs 941/23 [K.
], 2 BGs
945/23 [Ka.
], 2 BGs 939/23 [Ab.
], 2 BGs 940/23 [Z. ]
und 2 BGs 944/23 [S. ]) am 6. Juli 2023 festgenommen worden und befinden sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.
Gegenstand der Haftbefehle sind die Vorwürfe, die sieben Beschuldigten hätten im Zeitraum von spätestens Juni 2022 bis zu ihrer Verhaftung durch dieselbe Handlung in No.
und anderenorts in Deutschland eine inländische terroristische Vereinigung, deren Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, gegründet und sich an dieser mitgliedschaftlich beteiligt sowie die terroristische Vereinigung im Ausland „Islamischer Staat“ (IS) - unter anderem durch Geldsammlungen für inhaftierte IS-Kämpfer und internierte IS-Frauen sowie den Transfer der Gelder in das Ausland und zum IS - unterstützt. Die Beschuldigten seien mithin dringend verdächtig, sich gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1,
§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 52 StGB strafbar gemacht zu haben, wobei der Beschuldigte Ab.
als Heranwachsender (§ 105 JGG) gehandelt habe.
Der Senat hat mit Beschluss vom 21. September 2023 (StB 56/23) eine Haftbeschwerde des Beschuldigten S. verworfen.
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus anzuordnen. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat daraufhin die Akten dem Senat zur Entscheidung über die Haftfortdauer nach § 121 Abs. 2 und 4 StPO vorgelegt.
II.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Die Beschuldigten sind der ihnen mit den vorgenannten Haftbefehlen zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.
a) Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) Die Beschuldigten, die aus Tadschikistan beziehungsweise anderen zentralasiatischen Staaten stammen und seit mehreren Jahren miteinander bekannt und untereinander vernetzt sind, reisten - ebenso wie ein weiterer zu ihrem Umfeld gehörender Mitbeschuldigter - in einem engen zeitlichen Zusammenhang Ende Februar und Anfang März 2022 von der Ukraine über Polen nach Deutschland ein, wo sie verblieben. Der weitere Mitbeschuldigte Am. begab sich später in die Niederlande, wo er sich derzeit in einem dortigen Ermittlungsverfahren in Untersuchungshaft befindet.
Die Beschuldigten sind Anhänger eines salafistisch-dschihadistischen Religionsverständnisses und befürworten die Ideologie und das Vorgehen der terroristischen Vereinigung im Ausland „Islamischer Staat“ (IS).
Zu einem jedenfalls derzeit noch nicht näher konkretisierten Zeitpunkt zwischen ihrer Einreise in die Bundesrepublik und Ende Juni 2022 schlossen sich die Beschuldigten sowie der Mitbeschuldigte Am. in Deutschland zu einer abgeschottet und konspirativ agierenden Vereinigung zusammen, um aus diesem organisierten Zusammenschluss heraus konzertiert zum einen hier oder anderenorts in Westeuropa öffentlichkeitswirksame terroristische Anschläge zu verüben und so der salafistisch-islamistischen Ideologie Vorschub zu leisten sowie Ziele und Zwecke des IS zu fördern, zum anderen den IS durch Geldsammlungen in Deutschland und den Transfer der gesammelten Beträge in das Ausland zu ihm zu unterstützen. Die Führung der Vereinigung übernahm der sich in den Niederlanden aufhaltende Mitbeschuldigte Am. .
bb) In der Folgezeit unternahmen es die Beschuldigten, die von ihnen beabsichtigten Anschläge zu planen und vorzubereiten. Sie erörterten geeignete Anschlagsobjekte, nahmen potentielle Tatorte in den Blick und berieten über die mögliche technische Umsetzung ihrer Pläne. Hierzu kamen sie - in unterschiedlicher Besetzung - bis zum 3. Juli 2023 zu mindestens 58 persönlichen Treffen zusammen.
Im Juli 2022 gab es Überlegungen, die I.
Moschee in B. , die für einen liberalen Islam steht, als Ziel eines Terroranschlags auszuwählen. Anfang Januar 2023 erkundigte sich der Mitbeschuldigte Am. nach Möglichkeiten einer Beschaffung von Schusswaffen für die Gruppierung. Im März befassten sich die Beschuldigten A. , K.
, Ab.
und S. mit Angehörigen jüdischen Glaubens als potentielle Anschlagsopfer,
indem sie im Internet nach dem Tagesablauf religiöser Juden sowie jüdischen Gebets- und Bekleidungsvorschriften recherchierten. Am 24. März 2023 platzierte der Beschuldigte A. zahlreiche mit einer klaren Flüssigkeit gefüllte Plastikflaschen in einem Koffer, um dessen Fassungsvermögen und damit Eignung für eine Kofferbombe zu ermitteln. Hiervon fertigte er Digitalfotos, die er dem Beschuldigten S. übersandte, der in diese Bemühungen um die technische Vorbereitung eines Anschlags eingebunden war.
Auch der Beschuldigte A. bemühte sich um die Beschaffung von Waffen. Anfang Juni 2023 wurde ihm eine Stinger-Rakete zu einem Preis von 5.000 € zum Kauf angeboten, wovon der Beschuldigte jedoch absah. Ebenfalls im Juni 2023 erhielt er ein Angebot zum Erwerb einer Pistole des Typs Makarov; zu dem Kauf kam es indes wegen fehlender finanzieller Mittel nicht. Der Beschuldigte K.
recherchierte im relevanten Zeitraum wiederholt im Internet nach Waffen, unter anderem nach Maschinenpistolen des Typs AK-47.
Der Zusammenschluss stand währenddessen in Kontakt mit im Ausland agierenden Mitgliedern der Regionalgruppe des IS in Afghanistan und Pakistan, dem „Islamischen Staat Provinz Khorasan“ (ISPK). So kommunizierte der Mitbeschuldigte Am. mit dem sich seinerzeit in der Türkei befindlichen tadschikischen Staatsangehörigen G. („ “), bei dem es sich mutmaßlich um ein hochrangiges IS(PK)-Mitglied handelt, das in Anschlagsplanungen gegen niederländische und schwedische Einrichtungen involviert war. Die Inhalte der Kommunikationen der Beschuldigten mit IS(PK)-Mitgliedern im Ausland haben bislang allerdings nicht in Erfahrung gebracht werden können.
Konkrete Tatpläne hatten die Vereinigungsmitglieder bis zum Zeitpunkt der Zerschlagung der Gruppierung am 6. Juli 2023 noch nicht entwickelt; auch in unmittelbare Anschlagsvorbereitungen waren sie noch nicht eingetreten. Grund hierfür war im Wesentlichen, dass sie Schwierigkeiten hatten, die erforderlichen finanziellen Mittel für einen Terroranschlag zu beschaffen. Ein potentieller Geldgeber - ein tschetschenischer Kämpfer des ISPK - wurde in Afghanistan getötet, so dass die Gruppierung sich um eine neue Finanzquelle bemühen musste. Erst kurz vor ihrer Verhaftung gelang es, einen neuen Finanzier - einen bislang nicht identifizierten in Österreich lebenden Tschetschenen - zu gewinnen.
cc) Daneben waren die Beschuldigten seit April 2022 in Geldsammlungen in Deutschland für den IS sowie die Geldtransfers in das Ausland zum IS involviert. Es wurden Gelder zusammengetragen für inhaftierte IS-Kämpfer und der Organisation angehörende Frauen, die in kurdischen Lagern im Nordosten Syriens interniert waren. Zum Teil wurden finanzielle Mittel zur Unterstützung des IS auch durch Ladendiebstähle erlangt; diesbezügliche Erkenntnisse liegen in Bezug auf die Beschuldigten Ka.
, Ab.
und S. vor.
17 Die Beschuldigten A. , Ab.
und S. sammelten vom
18. bis zum 22. April 2022 in No.
Spendengelder für in Russland in Haft befindliche IS-Mitglieder. Ende April 2022 beteiligten sich die Beschuldigten A. , Ab.
und K.
an einer weiteren Geldsammlung.
Der Beschuldigte Z. transferierte im Mai 2022 einen Geldbetrag in Höhe von 2.400 € in die Türkei an dortige IS-Mitglieder. Anfang 2023 versandte der Beschuldigte S. ein Paket mit einer erheblichen Summe an Spendengeldern,
das allerdings den Adressaten nicht erreichte. Der Beschuldigte N.
übermittelte im März 2023 einen Geldbetrag nach Russland, der zur Unterstützung weiblicher IS-Mitglieder bestimmt war. Im April 2023 erhielt der Beschuldigte A. in B. 3.215 US-$ zur Weiterleitung an den IS.
b) Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) begründet sich wie folgt:
aa) Die islamistisch-salafistische Ideologie der Beschuldigten, ihre dschihadistische Grundhaltung sowie ihre Nähe zum IS ergeben sich insbesondere aus Text-, Foto-, Video- und Audiodateien, die bei Auswertungen sichergestellter Datenträger und von Konten der mutmaßlichen Vereinigungsmitglieder in sozialen Netzwerken festgestellt worden sind, zudem aus Bekundungen einer Vertrauensperson und Angaben des Mitbeschuldigten Am. gegenüber der niederländischen Polizei.
Der Beschuldigte A. erklärte gegenüber einer polizeilichen Vertrauensperson, er vertrete einen sehr radikalen muslimischen Glauben, sei Anhänger des IS und von seinen „Brüdern“ „bekehrt“ worden, die - wie er - mit gefälschten Papieren über die Ukraine nach Deutschland gekommen seien. Bei der Auswertung sichergestellter Speichermedien konnten Fotos aufgefunden werden, welche einzelne Beschuldigte mit der „Tauhid-Geste“ zeigen, einem in islamistischen Kreisen verbreiteten Zeichen des Ausdrucks eines radikal-salafistischen Religionsverständnisses. Die Beschuldigten teilten in Gruppenchats islamistische Inhalte, darunter IS-Propagandamaterial, beziehungsweise sandten einander solches zu. Hinsichtlich weiterer den Beschuldigten zuzuordnender Inhalte mit islamistischen Bezügen wird auf die Darlegungen in den Zuschriften des Generalbundesanwalts vom 21. Dezember 2023 und die dort genannten polizeilichen Auswerteberichte Bezug genommen.
bb) Der Tatverdacht eines Zusammenschlusses der Beschuldigten zu einer islamistisch-dschihadistischen Vereinigung in Deutschland mit dem Ziel einer Unterstützung des IS(PK) namentlich durch Begehung von Anschlägen in der Bundesrepublik beziehungsweise Westeuropa ergibt sich aus einer Gesamtschau der bisherigen Ermittlungsergebnisse, wobei folgende besonders zu erwähnen sind: Die Beschuldigten reisten nahezu zeitgleich nach Deutschland ein und verkehrten (auch) fortan intensiv miteinander, was sich nicht zuletzt aus der Auswertung sichergestellter Speichermedien, die unter anderem Fotos von Treffen der Beschuldigten enthielten, sowie Angaben des Beschuldigten A.
gegenüber einer polizeilichen Vertrauensperson ergibt. Der Mitbeschuldigte Am. wurde vom Beschuldigten Z.
als „Scheich“ und vom Beschuldigten N. als „Lehrer“ bezeichnet; er selbst titulierte sich als „Emir“. Dies spricht für seine Rolle als Führungsperson und damit einen Zusammenschluss mit organisierter Struktur. Dem widerstreitet nicht, dass Am. einen internen Konflikt mit dem Beschuldigten Ka.
nicht autoritativ durch eine Anweisung, sondern durch Anrufung eines „Shariarichters“ zu lösen beabsichtigte. Denn die Heranziehung eines externen Streitschlichters kann gerade Ausdruck einer Führungsentscheidung sein. Ausweislich nachrichtendienstlicher Erkenntnisse und abgehörter Telefongespräche stand der Mitbeschuldigte Am. in Verbindung mit Angehörigen des ISPK, darunter dem „
“, und hatte jedenfalls auch der Beschuldigte K.
Kontakt zu IS-Mitgliedern. Im März 2022 verfügte Am. auf seinem Mobiltelefon nach Erkenntnissen niederländischer Behörden über Dokumente für die Planung und Durchführung von Terrorakten, unter anderem Anleitungen zur Herbeiführung einer Gasexplosion und Herstellung eines Sprengmittels. Nach einer Mitteilung eines niederländischen Nachrichtendienstes erklärte er, „etwas Großes für Allah“ tun zu wollen, und war er Mitglied einer Chatgruppe, in der es um Anschläge des IS ging. Ende Juni 2022 erkundigte sich ausweislich einer Mitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz der Beschuldigte A. beim Mitbeschuldigten Am. danach, wann ein Anschlag durchgeführt werden solle und ob Am. einen solchen im Namen des ISPK organisiere. Am. verneinte letzteres nicht, sondern bat seinen Gesprächspartner, sich zu gedulden. Der Beschuldigte A. äußerte sich im Juli 2022 in einem WhatsApp-Chat dahin, dass das Leben unter Ungläubigen keine Freude mache, er Europa „satt“ habe und sie hier in der Erwartung lebten, „zu Gott ziehen zu dürfen“. Im November 2022 teilte der Beschuldigte A. einem in Tadschikistan befindlichen Dritten mit, dass „sie“ auf dem Weg seien, ihre Pflicht auf dem Weg zu Allah zu erfüllen, und es, so Gott wolle, bald „eine Bombe geben“
werde; sie warteten, bis sie dran seien. Gegenüber einer polizeilichen Vertrauensperson äußerte er sich ähnlich dahin, die islamische Religion müsse „mit einem großen Knall in das Licht gehoben“ werden. Zudem forderte er den Beschuldigten K.
auf, Sport zu treiben und sich so „bereit zu halten“. Anfang Januar 2023 bekundete der Mitbeschuldigte Am. ausweislich eines Zeugnisses des Bundesamtes für Verfassungsschutz in den Niederlanden Interesse an kleinen automatischen Schusswaffen für „drei deutsche Brüder“, die diese bei einer Tat „für Allah“ einsetzen wollten; bei den „drei Brüdern“ handelte es sich mutmaßlich um die Beschuldigten A. , N.
und Ka.
, mit denen Am. nach Erkenntnissen eines niederländischen Nachrichtendienstes dort in sehr engem Austausch stand. Hinzuweisen ist ferner darauf, dass die Beschuldigten in Kontakt standen mit im Ausland befindlichen Dritten, gegen die dort wegen islamistischer Anschlagspläne ermittelt wird. So wurde eine Kontaktperson des Beschuldigten Ka.
und des Mitbeschuldigten Am. in Polen inhaftiert. Im März 2022 trafen sich die Beschuldigten A. , Ab.
und Z.
in Kö. mit einer Person, die Ende 2022 in St.
wegen Anschlagsvorbereitungen für den IS festgenommen wurde. Nach dessen Inhaftierung löschten die Beschuldigten gespeicherte Chatverläufe mit dem Festgenommenen.
Die Annahme, dass die konkrete Planung und Vorbereitung sowie Durchführung eines Anschlages im Wesentlichen an nicht hinreichenden finanziellen Mitteln scheiterte, folgt aus diesbezüglichen Angaben des Beschuldigten A. gegenüber einer polizeilichen Vertrauensperson.
cc) Hinsichtlich der vorstehend erwähnten Aktivitäten zur Planung und Vorbereitung eines Anschlags gilt:
(1) Nach polizeilichen Erkenntnissen versandte der Beschuldigte Ka.
am 8. Juli 2022 an den Beschuldigten N.
zwei die I.
Moschee in B.
betreffende Bilddateien. Einige Monate später wurde in dem vom ISPK herausgegebenen Online-Magazin „
“
zu dschihadistischen Anschlägen in Europa aufgerufen, zugleich die I. Moschee als „Ort der Teufelsanbetung“ bezeichnet und damit implizit als potentielles Anschlagsziel benannt. Dies lässt es in einer Zusammenschau wahrscheinlich erscheinen, dass sich die Gruppierung - möglicherweise beeinflusst durch Kontakte zum ISPK - mit dem Gedanken befasste, einen Anschlag auf dieses Gotteshaus zu verüben.
(2) Am 10. März 2023 übernachteten die Beschuldigten A. , K.
und S. beim Beschuldigten Ab.
in Ge.
. In den frühen Morgenstunden des 11. März 2023 wurde über den DSL-Anschluss des Ab. und mutmaßlich von einem Mobiltelefon Xaomi Mi 11 T aus
- über ein solches Gerät verfügte der Beschuldigte S. - eine Internetseite aufgerufen, die Informationen über den Tagesablauf religiöser Juden sowie jüdische Gebets- und Bekleidungsvorschriften vermittelte. Dies legt die Annahme nahe, dass die Beschuldigten bei dieser Zusammenkunft etwaige Anschläge auf jüdische Mitbürger oder jüdische Einrichtungen erörterten.
(3) Die Auswertung von WhatsApp-Chatkommunikationen hat ergeben, dass der Beschuldigte A. dem Beschuldigten S. am 24. März 2023 kommentarlos zwei Fotos eines Koffers übersandte, wobei auf dem zweiten Bild - wie bereits erwähnt - zwanzig in dem geöffneten Koffer befindliche und mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllte handelsübliche 1,5-Liter-Getränke-Plastikflaschen zu sehen sind. Vor dem Hintergrund der weiteren Ermittlungsergebnisse ist die Annahme naheliegend, dass es darum ging, die Möglichkeiten der Nutzung des Koffers als Behältnis für einen Sprengsatz - also als Kofferbombe - zu eruieren.
(4) Angesichts des Vorstehenden kann dahingestellt bleiben, ob - wovon die Haftbefehle ausgehen - ein polizeilich observierter Besuch der D.
O.
in Kö. durch die Beschuldigten A. , K.
und S. am
10. April 2023 der Abklärung diente, ob ein Volksfest mit Fahrgeschäften als potentieller Anschlagsort in Betracht komme. Denn nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand hat lediglich der Besuch des Volksfestes durch die drei Beschuldigten festgestellt werden können; im Speicher eines Mobiltelefons des Beschuldigten S. aufgefundene Videos zeigen diese ausweislich bei den Akten befindlicher Screenshots in ersichtlich vergnüglicher Stimmung in einem Fahrgeschäft. Insofern erscheint es jedenfalls derzeit ebenso naheliegend, dass es sich bei dem Besuch der Kirmes um eine reine Freizeitaktivität dieser Beschuldigten handelte.
dd) Der Tatverdacht hinsichtlich der Geldsammlungen für den IS folgt aus polizeilich überwachten Gesprächen sowie einer Auswertung sichergestellter Datenträger, Schriftstücke und Kommunikationen der Beschuldigten über soziale Netzwerke, unter anderem über den Messengerdienst WhatsApp.
ee) Wegen weiterer Einzelheiten zu den bisherigen Beweisergebnissen, die den dringenden Tatverdacht begründen, wird auf die Haftbefehle sowie die Zuschriften des Generalbundesanwalts vom 21. Dezember 2023 und die dort genannten polizeilichen Auswerte- und Sachstandsberichte Bezug genommen.
2. In rechtlicher Hinsicht ist auszugehen von einer hochwahrscheinlichen Strafbarkeit der Beschuldigten jedenfalls wegen Gründung einer und mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB.
a) Hinsichtlich der mutmaßlichen Strafbarkeit der Beschuldigten wegen Gründung einer und mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB gilt:
aa) Bei dem Zusammenschluss der Beschuldigten handelte es sich hochwahrscheinlich um eine (eigenständige) Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 2 StGB.
Eine Vereinigung ist nach § 129 Abs. 2 StGB ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses (vgl. dazu BT-Drucks. 18/11275 S. 11). Danach müssen ein organisatorisches, ein personelles, ein zeitliches und ein interessenbezogenes Element gegeben sein (vgl. hierzu im Einzelnen BGH, Urteil vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21, BGHSt 66, 137 Rn. 19 ff.; s. ferner BGH, Urteil vom 12. September 2023 - 3 StR 306/22, juris Rn. 39; Beschlüsse vom 28. Juni 2022
- 3 StR 403/20, juris Rn. 9; vom 2. Juni 2021 - 3 StR 61/21, BGHR StGB § 129 Abs. 2 Vereinigung 2 Rn. 8; vom 2. Juni 2021 - 3 StR 33/21, NStZ 2022, 159 Rn. 5; MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 14 ff.). Notwendig ist insbesondere das Tätigwerden in einem übergeordneten gemeinsamen Interesse (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 10; Urteil vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21, BGHSt 66, 137 Rn. 20; Beschluss vom 2. Juni 2021 - 3 StR 33/21, NStZ 2022, 159 Rn. 6). Dieses muss über die bezweckte Begehung der konkreten Straftaten und ein Handeln um eines persönlichen materiellen Vorteils willen hinausgehen (BGH, Urteil vom 12. September 2023 - 3 StR 306/22, juris Rn. 41; Beschluss vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 11; Urteil vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21, BGHSt 66, 137 Rn. 21 ff.; Beschlüsse vom 2. Juni 2021 - 3 StR 61/21, BGHR StGB § 129 Abs. 2 Vereinigung 2 Rn. 9; vom 2. Juni 2021 - 3 StR 33/21, NStZ 2022, 159 Rn. 7; LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 129 Rn. 40 f.; MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 22).
Hieran gemessen erfüllte der Zusammenschluss der Beschuldigten die Merkmale einer Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 2 StGB. Er bestand aus mehr als zwei Personen (personelles Element), war auf längere Dauer angelegt (zeitliches Element), verfügte über eine zumindest rudimentäre Organisationsstruktur (organisatorisches Element) und verfolgte mit dem Ziel, durch Terroranschläge der salafistisch-islamistischen Ideologie Vorschub zu leisten sowie Ziele und Zwecke des IS zu fördern, ein übergeordnetes gemeinsames Interesse (interessenbezogenes Element).
Nach dem Stand der Ermittlungen waren die Beschuldigten zwar Befürworter der Ideologie und des Vorgehens des IS; auch standen sie in Kontakt mit Angehörigen dieser Vereinigung und zielten ihre Aktivitäten letztlich darauf ab, den IS zu unterstützen. Doch sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sie selbst Mitglieder des IS waren. Deshalb sowie wegen der organisatorischen Selbständigkeit des von den Beschuldigten gegründeten und getragenen Zusammenschlusses sowie ihres von Anweisungen des IS unabhängigen Agierens aufgrund eigener Entscheidungsmacht handelte es sich bei dieser Gruppierung nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen um eine eigenständige Vereinigung, nicht um eine unselbständige Teilorganisation beziehungsweise „Zelle“ des IS (vgl. zu einer solchen Konstellation BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2021 - AK 9/21, juris Rn. 10 f., 17 ff.; vom 9. Dezember 2020 - AK 38/20, juris Rn. 10, 15 ff.; vom 12. November 2020 - AK 34/20, juris Rn. 10, 15 ff.).
bb) Die Vereinigung war nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand gerichtet auf die Verübung von Anschlägen, bei denen eine Vielzahl von Menschen getötet werden sollten, mithin darauf, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen. Rechtlich unerheblich ist insofern, dass es zum Zeitpunkt der Zerschlagung des Zusammenschlusses im Zuge des polizeilichen Zugriffs am 6. Juli 2023 noch nicht zu Anschlägen gekommen war und solche noch nicht konkret geplant oder vorbereitet worden waren. Für eine Strafbarkeit genügt die Intention des Zusammenschlusses, derartige Delikte zu verwirklichen. Eine solche Absicht braucht nicht bis zur Vorbereitung einzelner Taten konkretisiert zu sein; auch der konkreten Planung einer bestimmten Tat bedarf es nicht (vgl. MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 49).
Für die vorliegende Entscheidung kann die vom Generalbundesanwalt in seinen Zuschriften vom 21. Dezember 2023 aufgeworfene Frage dahingestellt bleiben, ob die Vereinigung der Beschuldigten angesichts dessen, dass sie hochwahrscheinlich auch darauf gerichtet war, mit ihrem Handeln die Vereinigung „Islamischer Staat“ zu unterstützen, also Straftaten der Unterstützung einer (an- deren) terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB zu begehen, zugleich - mit der Folge einer weiteren Strafbarkeit der Beschuldigten nach § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB - als eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB einzuordnen ist (vgl. insofern BGH, Beschluss vom 10. August 2023 - 3 StR 36/23, juris Rn. 20 ff.) oder - wozu der Senat neigt - die Strafbarkeit nach § 129a Abs. 1 StGB in Bezug auf denselben Personenzusammenschluss eine solche nach § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB verdrängt.
cc) Die Beschuldigten gründeten hochwahrscheinlich die Vereinigung im Sinne des § 129a Abs. 1 StGB gemeinsam. Gründer einer Vereinigung sind die Personen, die den Gründungsakt wesentlich fördern, also führend und richtungweisend am Zustandekommen des Zusammenschlusses mitwirken (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2021 - AK 3/21, NStZ-RR 2021, 136, 137; vom 10. Januar 2006 - 3 StR 263/05, BGHR StGB § 129a Gründen 2 Rn. 15; MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 77). Hiervon ist angesichts des Umstandes, dass alle Beschuldigten nahezu zeitgleich nach Deutschland einreisten, fortan in sehr engem Kontakt miteinander standen und alle an den konzertierten Aktivitäten der Gruppierung beteiligt waren, jedenfalls derzeit im Sinne eines dringenden Tatverdachts auszugehen.
dd) Zudem haben sich die Beschuldigten mit hoher Wahrscheinlichkeit jeweils als Mitglied an der Vereinigung beteiligt. Denn sie haben sich - als deren Gründer - einvernehmlich in den Zusammenschluss eingegliedert und ihn von innen heraus gefördert (vgl. zu den Anforderungen etwa BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206, 207; LK/Krauß, StPO, 13. Aufl., § 129 Rn. 96 ff.; MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 82 f.). Die erwähnten mutmaßlichen Mitwirkungsakte - etwa die Recherche nach jüdischen Gewohnheiten und Gebräuchen, die Beteiligung an den Planungen zum Bau einer Kofferbombe, aber auch die Mitwirkung an den aus der Vereinigung heraus vorgenommenen Geldsammlungen - stellten Beteiligungshandlungen im Sinne des § 129a Abs. 1 StGB dar. Für eine Strafbarkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung ist eine isolierte Strafbarkeit der jeweiligen Beteiligungshandlungen nicht erforderlich (vgl. LK/Krauß, StGB, 13. Aufl., § 129 Rn. 100; MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 86 ff.; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., § 129 Rn. 13).
ee) Die Tatvarianten der Gründung und der unmittelbar anschließenden mitgliedschaftlichen Beteiligung stehen in Tateinheit zueinander, weil das Gründen im Verhältnis zur Beteiligung als Mitglied einen selbständigen Unrechtsgehalt aufweist (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216 Rn. 58; s. ferner BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2021 - AK 3/21, NStZ-RR 2021, 136, 137; vom 5. September 2019 - AK 49/19, juris Rn. 26; vom 7. Mai 2019 - AK 13/19 u.a., juris Rn. 30; MüKoStGB/Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 136).
ff) Bei der Vereinigung der Beschuldigten handelte es sich um eine inländische. Denn sie wurde nicht nur in Deutschland gegründet, sondern in der Bundesrepublik wurden auch die wesentlichen vereinigungsbezogenen Aktivitäten der Mitglieder ausgeübt (vgl. zu den Kriterien der Einordnung BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 19 mwN). Einer Verfolgungsermächtigung des Bundesministeriums der Justiz gemäß § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB bedarf es daher für eine Strafverfolgung wegen dieser Gründung einer und mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nicht.
b) Zur mutmaßlichen Strafbarkeit der Beschuldigten wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland - des IS - gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB ist Folgendes auszuführen:
aa) Bei dem IS handelt es sich um eine terroristische Vereinigung im Ausland (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 2023 - StB 63+64/23, juris Rn. 31; vom 21. September 2023 - StB 56/23, juris Rn. 36; vom 27. Juli 2023 - StB 44/23, juris Rn. 7 ff., 38). Die Gruppierung „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ (ISPK), mit der die Beschuldigten vornehmlich in Kontakt standen, ist ausweislich eines Gutachtens des Islamwissenschaftlers Dr. Ste. und eines Vermerks des Bundeskriminalamts eine unselbständige Teilorganisation des IS (so bereits BGH, Beschlüsse vom 21. September 2023 - StB 56/23, juris Rn. 36; vom 27. Juli 2023 - StB 44/23, juris Rn. 14; vom 5. April 2023 - AK 11/23 u.a., juris Rn. 18). Die für die Verfolgung von Straftaten der Unterstützung der außereuropäischen Vereinigung IS gemäß § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung hat das Bundesministerium der Justiz - als Neufassung einer früheren Verfolgungsermächtigung - am 13. Oktober 2015 erteilt.
bb) Unter einem Unterstützen im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB ist grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 2023 - StB 63+64/23, juris Rn. 32; vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, NStZ-RR 2022, 13; Urteile vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17; vom 14. August 2009 - 3 StR
552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 136). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn die Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2023 - StB 63+64/23, juris Rn. 32; Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 18; Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6 Rn. 5; Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 134; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345 Rn. 11). In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 18; Beschluss vom 11. Juli 2013 - AK 13/13 u.a., BGHSt 58, 318 Rn. 19; Urteile vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 134; vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 17; vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83, BGHSt 32, 243, 244).
cc) Hiervon ausgehend waren jedenfalls die Geldsammlungen für den IS und die Beschaffungen von Finanzmitteln für die Vereinigung im Wege von Ladendiebstählen, die mit einem erfolgreichen Transfer der erlangten Beträge zum IS beziehungsweise an dessen Mitglieder einhergingen, hochwahrscheinlich strafbare Unterstützungstaten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Dezember 2023 - AK 96/23, juris Rn. 37 f.; vom 13. Dezember 2023 - AK 91-95/23, juris Rn. 121 ff.; vom 19. Oktober 2023 - StB 63+64/23, juris Rn. 35; vom 21. September 2023 - StB 56/23, juris Rn. 38; vom 23. August 2023 - StB 47/23, juris Rn. 7 ff.; vom 27. Juli 2023 - StB 44/23, juris Rn. 15 ff., 42 ff.). Denn zum einen ermöglichten solche Geldzahlungen es nach den bisherigen Erkenntnissen den Empfängern - inhaftierten IS-Kämpfern und internierten IS-Frauen - vielfach, sich freizukaufen oder aber in der Haft ein Leben im Sinne der Vereinigung zu führen und sich für ein anderweitiges Engagement in der Organisation nach einer Freilassung zur Verfügung zu halten. Zum anderen förderten Spendensammlungen für und Geldtransfers an den IS regelmäßig die Vereinigung unmittelbar, weil sie dem Sympathisantenkreis zeigten, dass sich der IS um inhaftierte Kämpfer und internierte IS-angehörige Frauen kümmerte. Dies war geeignet, den Glauben an die fortbestehende Wirkmacht der Vereinigung und die Loyalität zu dieser zu stärken. Alle Beschuldigten waren mit individuellen Tatbeiträgen - sei es bei der Geldbeschaffung, sei es beim Transfer von Finanzmitteln - im vorstehenden Sinne unterstützend tätig.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens wird gegebenenfalls näher aufzuklären sein, inwieweit gesammelte Gelder tatsächlich die designierten Empfänger - namentlich inhaftierte IS-Kämpfer beziehungsweise internierte IS-Frauen - erreichten und (damit) der für eine Strafbarkeit wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung erforderliche Unterstützungserfolg eintrat.
dd) Soweit die Haftbefehle sowie der Generalbundesanwalt in seinen Haftbefehlsanträgen und Zuschriften vom 21. Dezember 2023 von einer mutmaßlichen Strafbarkeit der Beschuldigten wegen Unterstützung des IS und damit einer terroristischen Vereinigung im Ausland (auch) durch ihre Mitwirkung an den Anschlagsplänen der Vereinigung der Beschuldigten ausgehen, weil der Zusammenschluss mit Terroranschlägen letztlich den IS fördern wollte, ist - jedenfalls derzeit - bereits nicht ersichtlich, dass die diesbezüglichen Aktivitäten, die sich noch nicht zu bestimmten Anschlagsplänen oder konkreten Vorbereitungshandlungen verdichtet hatten, für den IS objektiv nützlich waren (kritisch bereits BGH, Beschluss vom 21. September 2023 - StB 56/23, juris Rn. 40; vgl. zu den Voraussetzungen der strafbaren Unterstützung einer terroristischen Vereinigung durch Begehung einer den Zwecken einer Vereinigung dienenden oder deren Tätigkeit entsprechenden Straftat BGH, Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 24 ff.).
Ein dringender Tatverdacht dahin, dass die Beschuldigten dem IS(PK) beziehungsweise Führungskräften des IS eine Zusage dahin machten, zur Förderung des IS in den wesentlichen Grundzügen konkretisierte Anschläge zu ver- üben, und diese Zusicherung als solche tatsächlichen objektiven Nutzen für den IS entfaltete - worin unter Umständen eine strafbare Unterstützung des IS liegen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2023 - AK 11/23 u.a., juris Rn. 24 ff.; Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 21 ff.) - ist gegenwärtig gleichfalls nicht gegeben. Zwar haben die Ermittlungen - wie dargetan - Kontakte und Verbindungen der Beschuldigten zu Mitgliedern des ISPK ergeben,
etwa zu G. („ “) in der Türkei, einem tschetschenischen Kämpfer als potentiellem Geldgeber sowie einem weiteren möglichen Finanzier in Österreich. Indes ist jedenfalls derzeit nicht ersichtlich, ob beziehungsweise inwieweit diese in die Anschlagspläne involviert waren. Für eine Einflussnahme des IS auf die Planungen der Beschuldigten zur Begehung terroristischer Anschläge, die dazu führen könnte, dass eine Zusage zur Begehung eines Anschlags als Unterstützung des IS gewertet werden könnte (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 28, 30), sind mithin gegenwärtig keine hinreichend manifesten Erkenntnisse ersichtlich.
Darauf, ob hinsichtlich einer auf das Vorgenannte bezogenen weiteren Strafbarkeit der Beschuldigten wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland ein dringender Tatverdacht bejaht werden kann, kommt es indes für die Haftfrage nicht an.
c) Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob die Beschuldigten dringend verdächtig sind, sich hinsichtlich ihrer Mitwirkung an Geldtransfers zum IS auch wegen Verstoßes gegen das Bereitstellungsverbot der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 139 vom 29. Mai 2002, S. 9) veröffentlichten unmittelbar geltenden Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission der Europäischen Union vom 28. Juni 2013 (ABl. L 179 vom 29. Juni 2013, S. 85) strafbar gemacht haben (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 13. Dezember 2023 - AK 96/23, juris Rn. 32, 39; vom 19. Oktober 2023 - StB 63+64/23, juris Rn. 38; vom 27. Juli 2023 - StB 44/23, juris Rn. 42 ff.).
d) Die Taten, derer die Beschuldigten dringend verdächtig sind, unterfallen der deutschen Strafgewalt nach dem Territorialitätsprinzip, weil sie jeweils in Deutschland tätig wurden (§ 3 StGB). Deshalb sind auch die strafbarkeitsbegründenden Voraussetzungen des § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB erfüllt.
e) Einer Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses zwischen der mutmaßlichen Strafbarkeit wegen Gründung und mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (der eigenen) einerseits und einer Strafbarkeit wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (des IS) andererseits bedarf es gegenwärtig nicht.
3. Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts für die Strafverfolgung und damit die des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass der angefochtenen Haftbefehle folgt aus § 142a Abs. 1 i.V.m. § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG.
4. Es sind hinsichtlich aller sieben Beschuldigten die Haftgründe der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO sowie - bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. April 2022 - StB 15/22, juris Rn. 11 f.; vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) - der Schwerkriminalität gegeben. Es ist wahrscheinlicher, dass sie sich - sollten sie auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm stellen werden.
a) Die Beschuldigten haben im Falle ihrer Verurteilung angesichts des Umfangs und des Gewichts ihres mutmaßlichen Tathandelns jeweils mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Denn Ziel und Zweck der Vereinigung war es vornehmlich, islamistische Anschläge mit einer Vielzahl von Toten und Verletzten zu verüben, um damit sowie durch die gesondert strafbaren Geldsammlungen und -transfers den IS zu unterstützen, bei dem es sich um eine besonders gefährliche terroristische Vereinigung handelt. Schon aus der Straferwartung resultiert ein signifikanter Fluchtanreiz.
Dem stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Insofern gilt, dass die Annahme von Fluchtgefahr kein sicheres Wissen um die sie begründenden Tatsachen erfordert; es genügt derselbe Wahrscheinlichkeitsgrad wie bei der Annahme des dringenden Tatverdachts (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2018 - StB 43 u. 44/18, juris Rn. 37; vom 2. November 2016 - StB 35/16, juris Rn. 11).
Ausweislich der im Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse lehnen die Beschuldigten die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundes- republik ab und hängen stattdessen einem islamistisch-salafistischen Staats- und Gesellschaftsbild an. Dies spricht gegen eine fluchthemmende Bindung an Deutschland und begründet einen weiteren Fluchtanreiz. Hinzu kommt, dass die Beschuldigten erst Anfang März 2022 in die Bundesrepublik einreisten, hier - soweit ersichtlich - keiner Erwerbstätigkeit nachgingen und über Kontakte in ihrer Heimat beziehungsweise Drittstaaten verfügen, die ihnen bei einer Flucht und Wohnsitznahme im Ausland behilflich sein könnten.
b) Zudem gilt in Bezug auf die einzelnen Beschuldigten Folgendes:
aa) Der Beschuldigte A. hat keine familiären Bindungen in Deutschland. Nach polizeilichen Erkenntnissen trug er sich kurz vor seiner Verhaftung mit dem Gedanken, unterzutauchen.
60 bb) Der Beschuldigte N.
hat zwar einen in Deutschland lebenden Sohn, zu dem aber kein enger Kontakt besteht, zumal er sich bis 2022 lange Zeit in der Ukraine aufhielt. Überdies ist gegen ihn eine ausländerrechtliche Ausweisungsverfügung ergangen, so dass er über keinen gesicherten Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik verfügt. Gegenüber der Ausländerbehörde erklärte er kurz vor seiner Verhaftung, Deutschland wieder verlassen zu wollen.
cc) Zwar befinden sich die Ehefrau, ein Kind und weitere Familienangehö- rige des Beschuldigten K.
in Deutschland. Diese sozialen Kontakte wirken jedoch nicht signifikant fluchthemmend, weil er zuvor ohne die Angehörigen in der Ukraine lebte, gegen ihn eine ausländerrechtliche Ausweisungsverfügung erlassen wurde und er auch nach seiner Einreise nach Deutschland Anfang 2022 Auslandsreisen unternahm, etwa in die Türkei und - mutmaßlich gemeinsam mit einem ISPK-Mitglied - in den Iran.
62 dd) Auch gegen den Beschuldigten Ka.
ist eine ausländerrechtliche Ausweisungsverfügung ergangen, so dass er über keinen potentiell fluchthemmend wirkenden gesicherten Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik verfügt. Zwar hält er sich derzeit gemeinsam mit seiner Ehefrau und Tochter in Deutschland auf; jedoch lebte er zuvor getrennt von diesen in der Ukraine, in Russland beziehungsweise der Türkei, so dass die familiäre Einbindung einem Fluchtanreiz nicht entgegenwirken dürfte.
ee) Zwar befinden sich die Mutter und Geschwister des Beschuldigten Ab. gleichfalls in Deutschland. Dieser Umstand ist indes nicht von relevantem Gewicht, weil er vor seiner Einreise getrennt von ihnen in der Ukraine lebte, mithin schon längere Zeit keine besonders enge Bindung zu diesen Familienangehörigen mehr bestand, und auch gegen ihn eine ausländerrechtliche Ausweisungsverfügung erlassen wurde.
64 ff) Der Beschuldigte Z.
verfügt in Deutschland über keine familiären Bindungen; seine Ehefrau lebt in der Ukraine. Auch gegen ihn ist mittlerweile eine ausländerrechtliche Ausweisungsverfügung ergangen.
gg) Zwar ist der Beschuldigte S. verheiratet und Vater einer Ende 2021 geborenen Tochter, wobei sich seine Ehefrau und das gemeinsame Kleinkind ebenfalls in der Bundesrepublik aufhalten. Diese Umstände mögen indes keine fluchthemmende Wirkung zu entfalten, weil eine besondere Anbindung seiner ebenfalls aus Tadschikistan stammenden und gemeinsam mit dem Beschuldigten in die Bundesrepublik eingereisten Ehefrau an Deutschland nicht ersichtlich ist.
c) Der Zweck der Untersuchungshaft kann unter den gegebenen Umständen bei keinem Beschuldigten durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO erreicht werden.
5. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Das Verfahren wird mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung geführt.
Die Ermittlungen waren und sind besonders umfangreich und komplex. Das Verfahren richtet sich gegen eine größere Zahl von Beschuldigten; die Akten umfassen derzeit 213 Stehordner. Bei insgesamt 15 anlässlich der Verhaftungen der Beschuldigten durchgeführten Durchsuchungsmaßnahmen wurden 168 (potentiell) beweisrelevante Gegenstände sichergestellt, darunter 38 elektronische Datenträger mit umfangreichen Datenbeständen. Bislang ist ein Datenvolumen von 2,2 Terabyte ausgewertet worden. Diese Auswertung ist aufwändig, weil die Beschuldigten in großem Umfang verfahrensrelevante Dateien vorhielten und intensiv miteinander kommunizierten, und zwar überwiegend in russischer oder tadschikischer Sprache. Auch die sichergestellten Schriftstücke und Textdateien bedürfen überwiegend der Übersetzung. Wegen der internationalen Verflechtungen der Beschuldigten sind in größerem Umfang Rechtshilfeersuchen an insgesamt fünf Staaten gestellt worden. Etwa 60 Zeugen sind bereits vernommen worden oder sollen in Kürze befragt werden. Ungeachtet der noch ausstehenden weiteren Ermittlungen geht der Generalbundesanwalt davon aus, im Februar 2024 Anklage erheben zu können, so dass auch weiterhin mit einem dem Beschleunigungsgebot entsprechenden Verfahrensfortgang zu rechnen ist.
6. Schließlich steht die Untersuchungshaft hinsichtlich aller Beschuldigten nach Abwägung zwischen ihrem Freiheitsgrundrecht einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits derzeit nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Verurteilungsfall jeweils zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Berg Hohoff Kreicker