VIII ZR 136/22
BUNDESGERICHTSHOF VIII ZR 136/22 BESCHLUSS vom 26. April 2023 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2023:260423BVIIIZR136.22.0 Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. April 2023 durch die Richterin Dr. Böhm als Einzelrichterin beschlossen:
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren der Beklagten wird auf 85.983,92 € festgesetzt. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe: I.
Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von insgesamt 5.010,65 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Beklagte hat die Ansprüche in Abrede gestellt und widerklagend beantragt, die Zwangsvollstreckung der Klägerin aus dem Urteil des Landgerichts München I vom 17. Januar 2020 (15 O 12185/19), mit dem die Beklagte zur Zahlung von 13.595,53 € verurteilt worden war, für unzulässig zu erklären, sowie die Klägerin zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des genannten Urteils und zur Zahlung von 67.377,74 € nebst Zinsen an die Beklagte zu verurteilen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen und den Gegenstandswert für das Berufungsverfahren auf 85.983,92 € festgesetzt.
Die Beklagte hat den Antragsteller mit ihrer Vertretung im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beauftragt. Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerdebegründung hat sie für den Fall der Revisionszulassung angekündigt, ihre Verurteilung lediglich in Höhe von 4.610,65 € nebst Zinsen sowie die Abweisung ihrer Widerklage lediglich in Höhe von 35.351,47 € nebst Zinsen zu Fall bringen zu wollen.
Mit Beschluss vom 7. März 2023 hat der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurückgewiesen und den Wert des Beschwerdeverfahrens auf 39.962,12 € festgesetzt.
Der Antragsteller beantragt, den Gegenstandswert seiner anwaltlichen Tätigkeit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auf 85.983,92 € festzusetzen. Er hat hierzu ausgeführt, dass sich das ihm übertragene Mandat auf die vollumfängliche Prüfung der Verteidigungsmöglichkeiten der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts bezogen habe und dementsprechend die Rechtsmitteleinlegung uneingeschränkt erfolgt sei. Die hierzu angehörte Beklagte hat keine Stellungnahme abgegeben.
II.
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren der Beklagten ist auf 85.983,92 € festzusetzen.
1. Gemäß § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbständig fest, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, da der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens und der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht übereinstimmen.
a) Der für die Gerichtskosten maßgebende gerichtliche Streitwert im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist gemäß § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 GKG der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert. Er bestimmt sich nach dem Antrag des Rechtsmittelführers, also danach, inwiefern der Rechtsmittelführer für den Fall der Zulassung des Rechtsmittels eine Abänderung der Entscheidung begehrt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. November 2019 - VIII ZR 325/18, juris Rn. 6; vom 19. Oktober 2021 - VIII ZR 160/20, juris Rn. 7).
Die Beklagte hat mit der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde zum Ausdruck gebracht, dass sie für den Fall der Revisionszulassung die Entscheidung des Berufungsgerichts allein insoweit zur Überprüfung stellen will, als hierdurch ihre Berufung im Hinblick auf die Verurteilung zur Zahlung von 4.610,65 € nebst Zinsen und im Hinblick auf die Abweisung der Widerklage in Höhe von 35.351,47 € nebst Zinsen zurückgewiesen wurde. Den Wert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens hat der Senat dementsprechend auf 39.962,12 € festgesetzt.
b) Für den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG grundsätzlich nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Wird der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert gerichtlich festgesetzt, ist nach § 32 Abs. 1 RVG die Festsetzung auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend. Dies gilt allerdings nur, wenn der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens mit dem der anwaltlichen Tätigkeit identisch ist (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 - IX ZR 243/16, NJW-RR 2018, 700 Rn. 21 f.; Beschluss vom 30. Oktober 2019 - V ZR 299/14, juris Rn. 3; jeweils mwN). Fehlt es daran, etwa weil der Wert der bei der Einlegung des Rechtsmittels entfalteten anwaltlichen Tätigkeit höher als der Wert des später durchgeführten Rechtsmittelverfahrens liegt, ist der Rechtsanwalt nicht gehindert, für seine auf einem umfassenderen Auftrag beruhende Tätigkeit entsprechende Gebühren gegenüber seinem Mandanten geltend zu machen (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 - IX ZR 243/16, aaO Rn. 22; Beschlüsse vom 30. Oktober 2019 - VI ZR 299/14, aaO Rn. 5; vom 19. Oktober 2021 - VIII ZR 160/20, juris Rn. 9).
Vorliegend weicht der anwaltliche Gegenstandswert von dem gerichtlichen Streitwert ab. Er richtet sich nach dem Wert, der die Grundlage für den Auftrag der Beklagten zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde bildete (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 - IX ZR 243/16, aaO Rn. 29; Beschlüsse vom 9. Oktober 2018 - VII ZR 228/16, juris Rn. 4; vom 19. Oktober 2019 - VIII ZR 160/20, aaO Rn. 10). Da sich das von der Beklagten übertragene Mandat nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Antragstellers auf die vollumfängliche Prüfung der Verteidigungsmöglichkeiten der Beklagten bezogen hat und dem Antragsteller somit ein Rechtsmittelauftrag unbeschränkt erteilt worden war, bemisst sich der Wert seiner anwaltlichen Tätigkeit nach der gesamten sich aus der Entscheidung des Berufungsgerichts ergebenden Beschwer der Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 - IX ZR 243/16, aaO; Senatsbeschluss vom 6. November 2019 - VIII ZR 325/18, juris Rn. 7 f.).
Die Beklagte ist durch das Berufungsurteil in Höhe von 85.983,92 € beschwert. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der der Klägerin zugesprochenen Klageforderung in Höhe von insgesamt 5.010,65 € sowie aus dem Streitwert der abgewiesenen Widerklage. Für diesen sind der Wert des Zahlungsantrags (67.377,74 €) sowie der Wert der Vollstreckungsgegenklage, welcher sich nach dem Nennbetrag des vollstreckbaren Hauptanspruchs - vorliegend 13.595,53 € bemisst (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 2015 - IX ZR 115/15, NZI 2016, 104 Rn. 2; vom 8. Mai 2014 - V ZR 82/13, juris), zu addieren. Der Wert der Klage auf Herausgabe des Vollstreckungstitels ist neben der Vollstreckungsgegenklage zu vernachlässigen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2014 - XII ZB 284/13, NJW 2015, 251 Rn. 13). Die Zinsen sind wertmäßig nicht anzusetzen (§ 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO).
2. Über den Antrag auf Festsetzung entscheidet nach dem Inkrafttreten von § 1 Abs. 3 RVG auch beim Bundesgerichtshof gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbs. 1 RVG der Einzelrichter (BGH - Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 9. August 2021 - GSZ 1/20, juris Rn. 8).
III. 13 Die Nebenentscheidungen folgen aus § 33 Abs. 9 RVG.
Dr. Böhm Vorinstanzen: LG München I, Entscheidung vom 13.12.2021 - 41 O 14700/20 OLG München, Entscheidung vom 18.05.2022 - 32 U 347/22 -