X ZR 106/22
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES X ZR 106/22 URTEIL in der Patentnichtigkeitssache Verkündet am: 3. September 2024 Wieseler Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Nachschlagewerk: BGHZ: BGHR: JNEU:
ja nein ja ja Scheibenbremse III EPÜ Art. 56; PatG § 4 Die objektiv zweckmäßige Anwendung eines generellen, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehenden Mittels ist nicht allein deshalb untunlich, weil dieses Mittel generell bestimmte Nachteile aufweist oder weil im konkreten Zusammenhang auch andere Ausführungsformen in Betracht kommen (Bestätigung von BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - X ZR 58/19, GRUR 2021, 1277 Rn. 53 ff. - Führungsschienenanordnung).
BGH, Urteil vom 3. September 2024 - X ZR 106/22 - Bundespatentgericht ECLI:DE:BGH:2024:030924UXZR106.22.0 Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2024 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, den Richter Hoffmann, die Richterin Dr. Kober-Dehm, den Richter Dr. Crummenerl und die Richterin Dr. von Pückler für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 4. Juli 2022 wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das genannte Urteil abgeändert.
Das europäische Patent 1 974 150 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 974 150 (Streitpatents), das am 18. Januar 2007 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 18. Januar 2006 angemeldet worden ist und eine Scheibenbremse betrifft.
Der Patentanspruch 1, auf den neunzehn Ansprüche zurückbezogen sind, hat in einem vorangegangenen Nichtigkeitsverfahren (BPatG, Urteil vom 25. Oktober 2018 - 7 Ni 12/17 (EP); BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 - X ZR 180/18, GRUR 2021, 701 - Scheibenbremse I) folgende Fassung erhalten:
Scheibenbremse mit einem gegenüber einem Achskörper (1) fest angeordneten Bremsträger (3) mit daran angeordneten Aufnahmeelementen (21) für die Befestigung und schwimmende Lagerung eines Bremssattels, wobei der Bremsträger (3) einen Belagschacht (10) zur Aufnahme eines gegen eine Bremsscheibe der Scheibenbremse anliegenden Bremspads aufweist und jeder weitere Bremspad in einer Aufnahme des Bremssattels angeordnet ist, wobei an dem Belagschacht (10) Führungsflächen (11, 12) zur radialen und tangentialen Führung des Bremspads angeordnet sind, und wobei der Bremsträger (3) direkt an dem Achskörper (1) angeordnet ist und sich im Wesentlichen quer hierzu erstreckt, dadurch gekennzeichnet, dass der Bremsträger (3) als eine ebene, flache Stahlplatte, ausgebildet ist, und dass zur Austauschbarkeit der an dem Belagschacht (10) angeordneten Führungsflächen (11, 12) mindestens ein innen an dem Belagschacht (10) angeordnetes Verschleißblech (40, 40 a) vorgesehen ist, an dem eine radiale (11) und eine tangentiale (12) Führungsfläche für den Bremspad ausgebildet ist.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig und die Erfindung sei nicht so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne.
Die Beklagte hat das Streitpatent in der geltenden Fassung und mit dreizehn Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit dessen Gegenstand über die mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 6 verteidigte Fassung hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Dagegen wenden sich beide Parteien mit der Berufung. Die Klägerin strebt weiterhin die vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents an. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent in erster Linie in der Fassung ihres erstinstanzlichen Hilfsantrags 7 (den sie bereits in erster Instanz vorrangig vor Hilfsantrag 6 gestellt hat), hilfsweise in sechs neuen Fassungen und höchst hilfsweise in der Fassung des angefochtenen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Beide Berufungen sind zulässig. Nur diejenige der Klägerin hat Erfolg.
I. Das Streitpatent betrifft eine vornehmlich für Kraftfahrzeuge vorgesehene Scheibenbremse mit einem Bremsträger, der fest an einem Achskörper angebracht ist.
1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift waren Scheibenbremsen mit zum Teil ähnlichen Merkmalen aus mehreren Vorveröffentlichungen bekannt.
Bei einer dieser Bremsen sei die Montage relativ aufwendig. Bei einer anderen Bremse umfasse der Bremsträger Stützarme für Elemente zur Führung des Bremssattels, was dessen Gewicht erhöhe.
2. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem, eine Scheibenbremse bereitzustellen, die möglichst einfach aufgebaut ist, möglichst leicht ist und möglichst einfach montiert werden kann.
3. Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 in der Fassung des zweitinstanzlichen Hauptantrags eine Scheibenbremse vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Änderungen gegenüber der geltenden Fassung sind hervorgehoben):
Scheibenbremse mit einem gegenüber einem Achskörper (1) fest angeordneten Bremsträger (3)
1.1 mit daran angeordneten Aufnahmeelementen (21) für die Befestigung und schwimmende Lagerung eines Bremssattels.
1.2 Der Bremsträger (3) weist einen Belagschacht (10) zur Aufnahme eines gegen eine Bremsscheibe der Scheibenbremse anliegenden Bremspads auf und jeder weitere Bremspad ist in einer Aufnahme des Bremssattels angeordnet.
1.2.1 An dem Belagschacht (10) sind Führungsflächen (11, 12) zur radialen und tangentialen Führung des Bremspads angeordnet.
1.3 Der Bremsträger (3) ist direkt an dem Achskörper (1) angeordnet und erstreckt sich im Wesentlichen quer hierzu.
Der Bremsträger (3) ist als eine ebene, flache Stahlplatte ausgebildet.
3' Zur Austauschbarkeit der an dem Belagschacht (10) angeordneten Führungsflächen (11, 12) ist mindestens ein sind zwei innen an dem Belagschacht (10) angeordnetes Verschleißbleche (40, 40a) in Form jeweils eines Winkels vorgesehen,
3.1' an denenm jeweils an einem Schenkelblech (42) eine radiale (11) und
3.2' an einem hierzu im Wesentlichen rechtwinklig angeordneten Stegblech (41) eine tangentiale (12) Führungsfläche für den Bremspad ausgebildet ist.
5' Die Bremse umfasst zwei an das Schenkelblech (42) und zwei an das Stegblech (41) jeweils seitlich angeformte Mittel zum Fixieren des jeweiligen Verschleißblechs (40, 40a) an dem Belagschacht (10) in Gestalt von sich bis über die Flachseiten (25, 26) des Bremsträgers (3) erstreckenden Abkantungen (43).
4. Zur Auslegung der Merkmale 1 bis 2 wird auf die Ausführungen im früheren Nichtigkeitsverfahren (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020
- X ZR 180/18, GRUR 2021, 701 Rn. 12-33 - Scheibenbremse I) Bezug genommen. 14 5. Aus der in Merkmal 3' definierten Anforderung, dass die beiden Verschleißbleche jeweils die Form eines Winkels haben, und aus den Merkmalen 3.1' und 3.2', wonach die Verschleißbleche jeweils eine radiale und eine im Wesentlichen rechtwinklig dazu angeordnete tangentiale Führungsfläche haben, ergibt sich, dass quer zur Längsrichtung keine weiteren Winkel vorhanden sein dürfen, um zusätzliche Führungsflächen auszubilden. 15 Der Wortlaut von Merkmal 3' schließt weitere Winkel dieser Art bei isolierter Betrachtung zwar nicht aus. Aus der Gegenüberstellung der beiden Ausführungsbeispiele aus den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 11 und 12 in der Beschreibung des Streitpatents ergibt sich aber, dass winkelförmige Verschleißbleche im Sinne dieses Merkmals nur zwei Führungsflächen aufweisen dürfen.
Nach den Ausführungen in der Beschreibung ist das in Figur 11 dargestellte Verschleißblech (40) einstückig und setzt sich aus einem zentralen Stegblech (41) und zwei hierzu im Wesentlichen rechtwinklig angeordneten Schenkelblechen (42) zusammen (Abs. 29). Figur 12 zeigt demgegenüber zwei Verschleißbleche in Form jeweils eines Winkels (Abs. 30).
Hieraus ist zu entnehmen, dass das Streitpatent den Begriff "Winkel" dazu verwendet, Verschleißbleche mit lediglich zwei Führungsflächen von Ausführungsformen mit drei oder mehr Führungsflächen abzugrenzen.
Diese Abgrenzung ist für die Auslegung von Merkmal 3', das diesen Begriff aufgreift, maßgeblich.
Ob Merkmal 3' darüber hinaus auch zusätzliche Winkel ausschließt, die anderen Funktionen dienen - etwa Abkantungen zum zusätzlichen Fixieren der Bleche in Längsrichtung - bedarf keiner abschließenden Entscheidung.
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:
Aus dem deutschen Gebrauchsmuster 20 2005 005 798 (D20a) sei ein Bremsträger mit den Merkmalen 1 bis 2 bekannt.
Die Verwendung von Verschleißblechen entsprechend den Merkmalen 3, 3.1', 3.2' und 5' habe für den Fachmann, einen Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau oder Fahrzeugtechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von Bremsen, insbesondere auf dem Gebiet der Scheibenbremsen für Nutzfahrzeuge, aufgrund seines Fachwissens nahegelegen.
Dass es zum allgemeinen Fachwissen gehört habe, Bleche zur Verringerung von Verschleiß der Gleitflächen zwischen einem Bremspad und einer Öffnung in einem Bremsträger vorzusehen, sei etwa durch die US-amerikanische Patentschrift 6 478 122 (D46), die europäische Patentanmeldung 1 375 952 (D1a) und die deutsche Offenlegungsschrift 198 57 074 (D19) belegt.
Die Verwendung solcher Verschleißbleche sei objektiv zweckmäßig gewesen, weil der in D20a gezeigte Bremsträger an die Achse geschweißt werde und deshalb im Falle von Beschädigung nicht ohne einen Austausch der gesamten Achse ausgewechselt werden könne. Zweckmäßigerweise bringe der Fachmann daher Verschleißbleche an den Anschlagflächen an, ohne hierfür erfinderisch tätig zu werden.
Das Vorsehen solcher Verschleißbleche sei nicht mit Schwierigkeiten verbunden, die ihre Anwendung als untunlich erscheinen ließen. Solche Schwierigkeiten seien nicht darin zu sehen, dass andere Ausführungsformen in Betracht kämen oder das Mittel generell mit bestimmten Nachteilen verbunden wäre.
Das Vorsehen von zwei rechtwinklig geformten Verschleißblechen ergebe sich als eine zweckmäßige Anordnung aus der Form der in D20a gezeigten Anschlagsflächen für Bremspads. Diese seien in radialer Ausrichtung in zwei voneinander beabstandete Flächen aufgeteilt. Schon aus Gründen der Materialeinsparung werde der Fachmann dementsprechend separate Verschleißbleche vorsehen.
Die Fixierung der Verschleißbleche mittels übergreifender Abkantungen sei objektiv notwendig, um die Bleche während der Montage zu positionieren und während des Betriebs in Position zu halten. Auch diese Maßnahme sei fachüblich gewesen, was durch D46 und die US-amerikanische Patentschrift 5 901 815 (D45) belegt werde.
Das Streitpatent sei auch in den Fassungen der erstinstanzlichen Hilfsanträge 1 bis 4 und 7 nicht patentfähig.
In der Fassung des erstinstanzlichen Hilfsantrags 6 sei das Streitpatent hingegen rechtsbeständig. Das zusätzliche Merkmal einer L-förmigen Öffnung für die Befestigung des Bremsträgers an dem Achskörper ergebe sich als eine schlagwortartige, zusammenfassende Umschreibung der in Figur 3 dargestellten Öffnung mit genau zwei rechtwinklig aufeinander stehenden Flächen. Eine solche Öffnung sei in D20a nicht offenbart. Dort seien ausschließlich Achsen mit rundem Querschnitt dargestellt. Die deutsche Offenlegungsschrift 1 630 140 (D7) zeige eine Achse mit quadratischem Querschnitt, an der ein Bremsträger mit einer C- bzw. maulförmigen Öffnung angeschweißt sei. Es fehle jedoch jegliche Anregung, den auf eine runde Achse abgestimmten Bremsträger aus D20a im Design zu ändern. Deshalb könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei einer L-förmigen Öffnung lediglich um eine einfache Anpassung des aus D7 bekannten Achsrohrs handle.
III. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Berufung der Beklagten stand.
1. Der mit dem zweitinstanzlichen Hauptantrag verteidigte Gegenstand lag ausgehend von D20a nahe.
a) D20a offenbart eine Scheibenbremse.
aa) D20a führt aus, herkömmliche Anordnungen für die Anhänger von Nutzfahrzeugen umfassten einen an der Achse befestigten Adapter, an dem ein separater Bremsträger befestigt sei. Die Anmelderin von D20a habe einen direkt an der Achse befestigten Bremsträger vorgeschlagen, wie er in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2 dargestellt ist.
Dieser Bremsträger weise eine Öffnung (46) auf, durch die ein Abschnitt der Achse aufgenommen werde, bevor der Bremsträger durch Schweißen oder in sonstiger Weise an der Achse befestigt werde. Ferner umfasse er einen innen liegenden Anschlag (48), Begrenzungsflächen (50) und einen außen liegenden Anschlag (52), der mit Hilfe von Bolzen befestigt sei. Dies führe nach wie vor zu einem hohen Gewicht und großem Montageaufwand (Abs. 3 f.).
In D19 sei ein ähnlicher Trägertyp offenbart, bei dem statt des Anschlags (52) eine Halterung verwendet werde, die in der Außenseite des Bremssattels vorgesehen sei. Diese Ausführungsformen seien aber nach wie vor mit Begrenzungsflächen versehen, um die während des Bremsvorgangs erzeugten Kräfte über den Träger auf die Achse zu übertragen (Abs. 5).
bb) Zur Verbesserung schlägt D20a vor, anstelle der Begrenzungsflächen (50) zwei Führungsmuffen (166) vorzusehen (Abs. 18).
Ein Ausführungsbeispiel ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 3 dargestellt.
Die beim Bremsen auftretenden Kräfte werden als Scherkräfte auf den Bremssattel (170) übertragen und von den Muffen (166) sowie den korrespondierenden Bohrungen (180) ausgeglichen (Abs. 23).
b) Damit sind, wie auch die Parteien nicht in Zweifel ziehen, die Merkmale 1 bis 2 offenbart, nicht jedoch die Merkmale 3' bis 5'.
Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob der Bremsträger auch dann noch als ebene, flache Stahlplatte im Sinne von Merkmal 2 ausgebildet ist, wenn die Anschlagflächen (160, 162) in axialer Richtung tiefer sind als der restliche Träger, wie dies in Figur 3 dargestellt ist.
Nach der Beschreibung ist diese Ausgestaltung bei anderen Ausführungsformen nicht zwingend (Abs. 17). Zumindest bei solchen Ausführungsformen ist Merkmal 2 verwirklicht.
c) Zu Recht hat das Patentgericht die Merkmale 3' bis 5' als naheliegend angesehen.
Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Anwendung eines bestimmten Mittels auch ohne entsprechende Anregung naheliegen, wenn dieses als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel seiner Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Fachmanns gehört, die Nutzung der in Rede stehenden Funktionalität sich in dem zu beurteilenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände feststellbar sind, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 11. März 2014 - X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 Rn. 26 - Farbversorgungssystem; Urteil vom 27. März 2018 - X ZR 59/16, GRUR 2018, 716 Rn. 29 - Kinderbett; Beschluss vom 13. Juli 2020 - X ZR 90/18, GRUR 2020, 1074 Rn. 49 - Signalübertragungssystem).
Diese Voraussetzungen hat das Patentgericht im Streitfall zutreffend als erfüllt angesehen.
aa) Nach den Feststellungen des Patentgerichts gehörte es im Prioritätszeitpunkt zum allgemeinen Fachwissen, Bleche zur Verringerung von Verschleiß der Gleitflächen zwischen einem Bremspad und einer Öffnung in einem Bremsträger vorzusehen.
Die Beklagte zeigt keine konkreten Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen (§ 117 PatG, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Die Entgegenhaltungen, die das Patentgericht exemplarisch als Beleg für das relevante Fachwissen herangezogen hat, stützen die daraus gezogene Schlussfolgerung.
(1) D46 befasst sich mit Mitteln zum linearen und radialen elastischen Halten eines Bremspads in einer ersten und einer zweiten Nut in einem Anker einer Scheibenbremse.
D46 führt aus, bei Scheibenbremsen mit Gleitflächen für die Bremspads komme es nach einer gewissen Zeitdauer zu Riefen. Diese Abnutzung (wear) sei zu erwarten, da der Anker und die Trägerplatte aus unterschiedlichen Metallen bestünden (S. 1 Z. 17-25). Um sie zu reduzieren, werde zwischen den Komponenten üblicherweise ein Aufsatz (cap) in der Öffnung des Bremsträgers vorgesehen, der einen gleichen oder geringeren Reibwert als die Trägerplatte des Bremspads aufweise. Hierdurch würden die Mindesttoleranzen erhöht, die zum Vermeiden von thermischer Bindung erforderlich seien. Deshalb werde eine Feder hinzugefügt, um das Ohr der Trägerplatte elastisch in den Eingriff mit dem Aufsatz zu drücken (S. 1 Z. 31-41).
D46 schlägt vor, die Ankerplatte der Scheibenbremse mit integralen Rutschfedern auszustatten, die in Nuten angeordnet sind, um eine zwischen den Nuten gehaltene Trägerplatte axial in Bezug auf eine Bremsscheibe und Ohren der Trägerplatte radial in Eingriff mit einer entsprechenden Seitenwand der Nuten zu bringen (S. 1 Z. 44-50).
Diesen Ausführungen hat das Patentgericht zu Recht entnommen, dass D46 das Aufbringen von zusätzlichen Teilen wie einem Aufsatz (cap) als fachüblich ansieht und nur eine Verbesserung bezüglich der Ausgestaltung solcher Teile vorschlägt.
Dass D46 eine Bremse mit einem Faustsattel anstelle des vom Streitpatent vorgesehenen Schwimmsattels betrifft, vermag diese Beurteilung nicht in Frage zu stellen. Die Ausführungen in D46 lassen nicht erkennen, dass die Art des Sattels von ausschlaggebender Bedeutung ist. Ihnen ist vielmehr zu entnehmen, dass die in Rede stehenden Maßnahmen dem Schutz vor Verschleiß dienen.
(2) D1a befasst sich mit Belagsfedern für Scheibenbremsen.
D1a führt aus, bei bekannten Scheibenbremsen seien beidseits zwei Bremsbeläge angeordnet. Ihre Rückplatten seien auf vertikalen und horizontalen Anlageregionen gelagert. Bei einer typischen Schwimmsattelbremse stehe eine der Rückplatten mit dem Kolben in Eingriff. Eine radial nach außen gerichtete Bewegung der Beläge werde durch längliche Belagfedern beschränkt. Dennoch würden bestimmte Bereiche vorzugsweise gehärtet und bearbeitet, um eine Beschädigung des Trägers zu begrenzen, die entstehen könne, wenn die Rückplatte wiederholt mit ihm zusammenpralle (Abs. 3-5).
Zur Verbesserung schlägt D1a vor, die Belagfedern in besonderer Weise zu formen (Abs. 11 ff.). Hierdurch entfalle die Notwendigkeit, die Anlagestellen zu härten (Abs. 25).
Ein Beispiel für eine solche Feder ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 7 dargestellt.
Als Material für die Belagfedern (138) wird vorzugsweise Federstahl vorgeschlagen. Die Anlage- und Stützoberflächen (146, 148) könnten aus einem grundsätzlich zähen oder harten Material hergestellt sein (Abs. 13). Alternativ könnten diese Oberflächen aus einem grundsätzlich weichen und verformbaren Material gebildet sein, das unbehandelt bleibe, um einfach als Verschleißmaterial zu wirken, das ersetzt werden könne, sobald der zugeordnete Belag abgenutzt sei und ebenfalls ersetzt werde (Abs. 14).
Damit lässt auch D1a erkennen, dass der Einsatz von Zwischenteilen, die als Verschleißmaterial wirken und regelmäßig ausgetauscht werden, als eine im Stand der Technik bekannte Maßnahme angesehen wurde.
Entgegen der Auffassung der Beklagten beschränkt sich die Offenbarung der D1a nicht darauf, einen Verschleiß des Bremsträgers zu verhindern, indem die Bremspads durch Federkraft auf Abstand gehalten werden. Bei der zweiten in D1a vorgeschlagenen Ausführungsform wird ein Verschleiß des Bremsträgers vielmehr dadurch verhindert, dass die Bremspads ausschließlich mit der als Verschleißteil ausgebildeten Feder in Berührung kommen.
(3) D19 befasst sich mit Scheibenbremsen für Nutzfahrzeuge, die einen Bremsträger und einen Schiebesattel umfassen.
Um Bauraum und Gewicht zu reduzieren, schlägt D19 vor, den Bremsträger unlösbar mit der Achse zu verbinden (Sp. 1 Z. 63 bis Sp. 2 Z. 7). Im Bereich der Führungsflächen für den Schiebesattel ist der Bremsträger vorzugsweise mit auswechselbaren Schutzelementen nach Art von Panzerungen versehen, welche vorzugsweise aus Stahlblech bestehen. Dadurch wird vermieden, dass bei einer Beschädigung der Führungsflächen das gesamte Achsteil ausgewechselt werden muss (Sp. 3 Z. 13-21).
Dies belegt ebenfalls, dass die Anordnung von Verschleißteilen an besonders gefährdeten Stellen einer Scheibenbremse als bekanntes Mittel angesehen wurde.
Dem Umstand, dass D19 die vorgeschlagenen Panzerungen nur für Führungsflächen des Schiebesattels erwähnt und ihren Aufbau nicht im Einzelnen darstellt, kommt entgegen der Ansicht der Beklagten keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Der maßgebliche Gedanke, fest mit dem Fahrzeug verbundene Teile an Stellen, die hoher Verschleißgefahr unterliegen, durch Anordnung von leicht auswechselbaren Verschleißteilen zu schützen, kommt auch ohne solche Erläuterungen hinreichend deutlich zum Ausdruck.
Ebenfalls unerheblich ist, ob die Verschleißgefahr bei der in D19 offenbarten Konstruktion durch Reibung oder durch Stoßkräfte verursacht wird. Entscheidend ist, dass die Beschädigung eines nur schwer auswechselbaren Teils durch während des Betriebs auftretende Kräfte durch Einbau eines leicht auswechselbaren Teils vermieden wird.
(4) Die Zusammenschau der genannten Entgegenhaltungen bildet eine zusätzliche Bestätigung dafür, dass das Einbauen von Verschleißteilen eine verbreitete Maßnahme war, die auch bei Scheibenbremsen an unterschiedlichen Stellen zum Einsatz gelangen kann, um einen Verschleiß von schwer auswechselbaren Teilen zu vermeiden.
bb) Vor diesem Hintergrund ist das Patentgericht zutreffend zu der Schlussfolgerung gelangt, dass es sich am Prioritätstag als objektiv zweckmäßig darstellte, das in Rede stehende Mittel bei Bremsen der in D20a vorgeschlagenen Bauart an den Führungsflächen für die Bremspads einzusetzen.
(1) Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, schlägt D20a einen an die Achse angeschweißten Bremsträger vor. Daraus ergab sich, dass ein Austausch dieses Bauteils allenfalls mit hohem Aufwand möglich ist.
Angesichts dessen stellte es sich als objektiv zweckmäßig dar, Stellen, die besonders verschleißgefährdet sind, durch zusätzliche Maßnahmen zu schützen.
Zu diesen Stellen gehörten nach den fehlerfreien Feststellungen des Patentgerichts die Anschlagflächen (160, 162), mit denen der Bremspad (164) in Gleitkontakt steht.
Als zu diesem Zweck geeignete Maßnahme bot sich der Einsatz von Verschleißteilen nach dem Vorbild von D46, D1a und D19 schon deshalb an, weil D46 und D1a solche Teile exemplarisch in Kontakt mit dem Bremspad offenbaren. D19 bildet eine zusätzliche Bestätigung dafür, dass dieses Mittel unabhängig von der jeweils offenbarten Ausgestaltung objektiv zweckmäßig ist, um von Verschleiß gefährdete Stellen zu schützen.
(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dieser Beurteilung nicht entgegen, dass die auftretenden Reibungskräfte und damit die Gefahr von Verschleiß bei der in D20a offenbarten Scheibenbremse geringer ist, wenn die Anschlagflächen (160, 162) in axialer Richtung tiefer sind als der restliche Träger, wie dies in Figur 3 dargestellt ist.
Wie bereits oben dargelegt wurde, sieht D20a auch Ausführungsformen ohne diese Ausgestaltung vor. Jedenfalls bei diesen Ausführungsformen besteht aus fachlicher Sicht eine erhöhte Gefahr von Verschleiß, weil aufgrund der kleineren Auflageflächen höhere Reibungskräfte auftreten.
cc) Ebenfalls zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass der Anwendung dieses Mittels im Kontext von D20a keine relevanten Schwierigkeiten entgegenstanden.
(1) In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob der Einsatz von Verschleißblechen eine Materialreduzierung im Bereich der Führungsflächen erfordert, um genügend Platz zu schaffen.
Selbst wenn dies zu bejahen wäre, sind keine Umstände ersichtlich, die einer solchen Maßnahme bei den in D20a offenbarten Anschlagflächen (160, 162) entgegenstünden.
(2) Dass D1a, D19 und D46 weder eine Aufteilung des Verschleißteils in zwei Winkelbleche noch seitliche Abkantungen zum Fixieren zeigen, begründet ebenfalls keine relevante Schwierigkeit.
Zu Recht ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass vor dem oben aufgezeigten Hintergrund Anlass bestand, Verschleißteile zum Schutz der in D20a vorgeschlagenen Anschlagflächen (160, 162) an die Gegebenheiten dieser Konstruktion anzupassen.
Ausgehend davon ist das Patentgericht zutreffend zu der Schlussfolgerung gelangt, dass sich der Einsatz von zwei Winkelblechen anbot, weil die Anschlagfläche (160) aus zwei Teilen mit verhältnismäßig großem Abstand zueinander besteht und beide Teile jeweils an eine rechtwinklig dazu angeordnete Anschlagfläche (162) angrenzen.
Ob Abkantungen zum Fixieren der Verschleißbleche notwendig waren oder ob die erforderliche Fixierung auch auf andere Weise erreicht werden kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Eine Ausgestaltung nach Merkmal 1.5' lag vor dem aufgezeigten Hintergrund jedenfalls deshalb nahe, weil es sich nach den fehlerfreien Feststellungen des Patentgerichts um einfache und fachübliche Maßnahmen handelte.
(3) Dass der Austausch von Verschleißblechen einen zusätzlichen und möglicherweise komplizierten Arbeitsschritt erfordert und diesbezügliche Versäumnisse des Anwenders zu einem besonders hohen Verschleiß des Bremsträgers führen, stellt ebenfalls keine relevante Schwierigkeit dar.
Die objektiv zweckmäßige Anwendung eines generellen, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehenden Mittels ist nicht allein deshalb untunlich, weil dieses Mittel generell bestimmte Nachteile aufweist oder weil im konkreten Zusammenhang auch andere Ausführungsformen in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 - X ZR 58/19, GRUR 2021, 1277 Rn. 53 ff. - Führungsschienenanordnung).
Im Streitfall geht es entgegen der Auffassung der Beklagten lediglich um Nachteile dieser Art, die mit dem in Rede stehenden Mittel generell verbunden sind, die seinem Einsatz als generelles Mittel grundsätzlich aber nicht entgegenstehen. Darüber hinausgehende Schwierigkeiten, die sich gerade im Kontext von D20a ergeben könnten, sind weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich.
2. Das Streitpatent erweist sich auch in den Fassungen der zweitinstanzlichen Hilfsanträge I bis VI nicht als rechtsbeständig.
a) Hilfsantrag I unterliegt derselben Beurteilung wie der Hauptantrag.
aa) Nach Hilfsantrag I soll Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags wie folgt geändert werden:
3a Das jeweilige Verschleißblech (40a) ist einstückig und setzt sich aus einem Stegblech (41) und einem im Wesentlichen rechtwinklig dazu angeordneten Schenkelblech (42) zusammen, wobei
3.1'' an denen jeweils an einem am Schenkelblech (42) eine radiale (11) und
3.2'' an einem hierzu im Wesentlichen rechtwinklig angeordneten am Stegblech (41) eine tangentiale (12) Führungsfläche für den Bremspad ausgebildet ist.
bb) Diese Ausgestaltung lag aus denselben Gründen nahe wie der mit dem Hauptantrag verteidigte Gegenstand.
Eine einstückige Ausbildung der beiden Winkelbleche mag nicht die einzige in Betracht kommende Ausführungsform sein. Sie ist aber jedenfalls deshalb naheliegend, weil sie auf einfache Weise zu realisieren ist.
b) Für die Hilfsanträge II bis V gilt nichts anderes.
aa) Nach den Hilfsanträgen II, III, IV und V soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag I wie folgt geändert werden:
5'' Die Bremse umfasst zwei an das Schenkelblech (42) und zwei an das Stegblech (41) jeweils seitlich angeformte Mittel zum Fixieren des jeweiligen Verschleißblechs (40, 40a) an dem Belagschacht (10) ausschließlich in Gestalt von sich bis über die Flachseiten (25, 26) des Bremsträgers (3) erstreckenden, und flach ausgebildeten und nur geringfügig mit einer 3-5 fachen Materialstärke des Verschleißblechs überstehenden Abkantungen (43).
Die Abkantungen (43) stützen sich von außen gegen die Flachseiten (25, 26) des Bremsträgers (3) ab, so dass sie das jeweilige Verschleißblech (40a) in dem Belagschacht (10) fixieren und das jeweilige Verschleißblech (40a) darin nicht verrutschen kann.
bb) Alle diese Ergänzungen betreffen zweckmäßige und naheliegende Ausgestaltungen der bereits in Merkmal 5' vorgesehenen Mittel.
Dass D1 eine Befestigung der dort eingesetzten Federn mit Hilfe von Stiften zeigt, und dass die übrigen Details in keiner der oben aufgeführten Entgegenhaltungen ausdrücklich offenbart sind, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Ein Ausführungsdetail beruht nicht schon deshalb auf erfinderischer Tätigkeit, weil es Alternativen gab.
c) Der mit Hilfsantrag VI verteidigte Gegenstand ist ebenfalls nicht patentfähig.
aa) Nach Hilfsantrag VI soll neben Anspruch 1 in der Fassung des erstinstanzlichen Hilfsantrags 6 ein nebengeordneter Patentanspruch 2 treten, der sich von der geltenden Fassung des Patentanspruchs 1 durch folgende Merkmale unterscheidet:
2.1 Der Bremsträger ist auf mindestens einer seiner beiden Seiten (25, 26) mit gewichtsreduzierenden Ausnehmungen (16a, 16b, 16c) versehen.
2.2'' Der Bremsträger (3) weist zur Befestigung auf dem Achskörper eine maulförmige Öffnung auf
2.2a und einen auf die Mittelachse (6) des Achskörpers (1) bezogenen Umschließungswinkel (w1) von weniger als 300 Grad, so dass an der maulförmigen Öffnung (4) insgesamt drei Flächen (5a. 5b, 5c) für eine Schweißverbindung mit einem quadratisch gestalteten Achsrohr des Achskörpers (1) zur Verfügung stehen.
2.3' Der Bremsträger (3) ist auf jeder seiner beiden Seiten (25, 26) mit dem quadratisch gestalteten Achsrohr des Achskörpers (1) durch eine Schweißnaht (2) verbunden.
An dem Verschleißblech (40, 40a) sind angeformte Mittel (43) zum Fixieren des Verschleißblechs an dem Belagschacht (10) in Gestalt von sich bis über die Flachseiten (25, 26) des Bremsträgers (3) erstreckenden Abkantungen (43).
bb) Diese Ausgestaltung beruht ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
(1) Hinsichtlich der Merkmale 1 bis 2' ergibt sich keine andere Beurteilung als im Zusammenhang mit den anderen Anträgen.
(2) Merkmal 4 stimmt im Wesentlichen mit dem nach den anderen Anträgen vorgesehenen Merkmal 5' überein und unterliegt deshalb ebenfalls keiner abweichenden Beurteilung.
(3) Das Vorsehen von gewichtsreduzierenden Ausnehmungen entsprechend dem Merkmal 2.1 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Wie das Patentgericht im Zusammenhang mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 2 zutreffend ausgeführt hat, besteht bei Bauteilen in einem Kraftfahrzeug zum Zwecke eines effizienten Betriebs grundsätzlich der Bedarf, möglich gewichtssparend zu bauen.
Vor diesem Hintergrund lag es nahe, den Bremsträger an Stellen, die geringerer Belastung unterliegen, mit Aussparungen zu versehen.
(4) Eine Ausgestaltung entsprechend den Merkmalen 2.2'', 2.2a und 2.3' lag ausgehend von D20a ebenfalls nahe.
Wie die Klägerin bereits in erster Instanz in Reaktion auf den mit Schriftsatz vom 29. März 2022 eingereichten Hilfsantrag 5 ausgeführt hat, ist eine Scheibenbremse, deren Bremsträger eine maulförmige Öffnung hat und an ein Achsrohr mit quadratischem Querschnitt angeschweißt ist, in D7 offenbart.
Entgegen der Auffassung, die das Patentgericht im Zusammenhang mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 6 vertreten hat, bestand vor diesem Hintergrund Anlass, eine Scheibenbremse der in D20a offenbarten Art auch für Achsrohre mit quadratischem Querschnitt in Betracht zu ziehen.
Wie die Beklagte im Ansatz zu Recht geltend macht, ist eine Achse mit einem von der Kreisform abweichenden Querschnitt in D20a allerdings nicht erwähnt. Der von der Klägerin angeführte Hinweis, wonach zum Beispiel auch eine halbrunde Form in Betracht kommt (Abs. 15), bezieht sich nicht auf den Querschnitt der Achse, sondern auf die Öffnung (146), durch die der Bremsträger (144) einen Abschnitt der Achse (142) aufnimmt. Der am Ende der Beschreibung aufgeführte Hinweis, die offenbarte Bremse könne an gelenkten Achsen, gegebenenfalls mit einer geeigneten Anpassung, eingesetzt werden (Abs. 25), lässt ebenfalls nicht deutlich erkennen, dass damit auch Achsen mit quadratischem Querschnitt gemeint sind.
Entgegen der Auffassung des Patentgerichts sind D20a jedoch keine Hinweise zu entnehmen, dass dort eine in sich vollständige Ausgestaltung offenbart ist, bei der die Einzelelemente funktional so aufeinander abgestimmt sind und miteinander zusammenwirken, dass die Achse zwingend einen kreisrunden Querschnitt aufweisen muss. D20a befasst sich zwar unter anderem mit der Ableitung der beim Bremsen entstehenden Kräfte auf die Achse. Auch daraus geht aber nicht hervor, dass dem Querschnitt der Achse ausschlaggebende Bedeutung zukommt.
Vor diesem Hintergrund bestand Anlass, nach Möglichkeiten zu suchen, eine Bremse der in D20a offenbarten Art an einer Achse mit quadratischem Querschnitt zu befestigen, wie sie exemplarisch in D7 gezeigt ist. Hierzu bot sich eine maulförmige Öffnung gemäß den Merkmalen 2.2'', 2.2a und 2.3' an, wie sie D7 offenbart.
IV. Die Berufung der Klägerin hat Erfolg und führt zur vollständigen Nichtigerklärung des Streitpatents.
1. Nach dem angefochtenen Urteil soll Patentanspruch 1 im Vergleich zur geltenden Fassung wie folgt geändert werden:
1.3' Der Bremsträger (3) ist, indem er mit dem Achskörper (1) verschweißt ist, direkt an dem Achskörper (1) angeordnet und erstreckt sich im Wesentlichen quer hierzu.
2.1 Der Bremsträger ist auf mindestens einer seiner beiden Seiten (25, 26) mit gewichtsreduzierenden Ausnehmungen (16a, 16b, 16c) versehen.
2.2' Der Bremsträger (3) weist zur Befestigung auf dem Achskörper eine L-förmige Öffnung auf.
2.3 Der Bremsträger (3) ist auf jeder seiner beiden Seiten (25, 26) mit dem quadratisch gestalteten Achsrohr des Achskörpers (1) durch eine Schweißnaht (2) verbunden, die sich entlang eines ersten, horizontalen Schweißabschnittes sowie eines hierzu rechtwinkligen, zweiten Schweißabschnittes erstreckt.
An dem Verschleißblech (40, 40a) sind angeformte Mittel (43) zum Fixieren des Verschleißblechs an dem Belagschacht (10) in Gestalt von sich bis über die Flachseiten (25, 26) des Bremsträgers (3) erstreckenden Abkantungen (43).
2. Dieser Gegenstand lag entgegen der Auffassung des Patentgerichts ausgehend von D20a ebenfalls nahe.
a) Dass die Ausgestaltung nach den Merkmalen 1.3', 2.1 und 4 nahelag, wurde bereits im Zusammenhang mit Hilfsantrag VI aufgezeigt, der entsprechende Merkmale vorsieht.
b) Wie ebenfalls bereits im Zusammenhang mit Hilfsantrag VI dargelegt wurde, bestand abweichend von der Auffassung des Patentgerichts Anlass, Scheibenbremsen der in D20a offenbarten Art auch für Achsen mit quadratischem Querschnitt in Betracht zu ziehen.
c) Vor diesem Hintergrund lag es auch nahe, den Bremsträger mit einer L-förmigen Öffnung im Sinne von Merkmal 2.2' zu versehen und diesen in der in Merkmal 2.3 festgelegten Weise an der Achse zu verschweißen.
aa) Anlass zu einer solchen Ausgestaltung ergab sich schon aus dem bereits oben erwähnten Hinweis in D20a, wonach die einen Abschnitt der Achse aufnehmende Öffnung des Bremsträgers halbrund sein kann.
Eine halbrunde Öffnung umgreift den Umfang einer runden Achse zur Hälfte. Bei einer Achse mit quadratischem Querschnitt wird dieselbe Wirkung durch eine L-förmige Öffnung erzielt, die zwei der vier Seiten des Quadrats umgreift.
bb) Die ergänzenden Ausführungen in D20a, wonach der Kontaktbereich einer halbrunden Öffnung axial vergrößert werden kann, um die Verbindung zwischen Träger und Achse zu verstärken (Abs. 15), führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ein Träger mit einem in der genannten Weise verstärkten Kontaktbereich noch als ebene, flache Stahlplatte im Sinne von Merkmal 2 angesehen werden kann. D20a schlägt eine solche Verstärkung nur optional vor. Dass sie stets zwingend erforderlich wäre, um eine hinreichend starke Verbindung zwischen Träger und Achse zu gewährleisten, ist nicht ersichtlich. Auch das Streitpatent schlägt diesbezüglich keine besonderen Maßnahmen vor.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 97 Abs. 1 und § 91 Abs. 1 ZPO.
Bacher Richter am Bundesgerichtshof Hoffmann ist in Urlaub und kann deshalb nicht unterschreiben Bacher Kober-Dehm Crummenerl von Pückler Vorinstanz: Bundespatentgericht, Entscheidung vom 04.07.2022 - 4 Ni 23/21 (EP) -