IX ZR 238/22
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES IX ZR 238/22 Nachschlagewerk: ja BGHZ:
nein BGHR:
ja URTEIL in dem Rechtsstreit ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2 Der Klageantrag auf Herausgabe einer verkörperten Information ist als Prozesserklärung im Wege der Auslegung nicht auf die Herausgabe der Information als solche zu verstehen, sondern auf Herausgabe der Verkörperung, in der sie enthalten ist.
BGH, Urteil vom 21. Dezember 2023 - IX ZR 238/22 - OLG München LG München I ECLI:DE:BGH:2023:211223UIXZR238.22.0 Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2023 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Schoppmeyer, die Richter Röhl, Dr. Schultz, die Richterin Dr. Selbmann und den Richter Weinland für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. November 2022 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Das Landgericht Düsseldorf verurteilte die Klägerinnen mit vorläufig vollstreckbarem Urteil vom 11. Juli 2019, der Beklagten wegen einer Patentrechtsverletzung unter anderem Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen. Gegenstand der Auskunft und Rechnungslegung waren Informationen zur Herstellung und zum Vertrieb eines Arzneimittels. Nachdem die Beklagte die Zwangsvollstreckung betrieb, erteilten die Klägerinnen mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 4. Und 5. Mai 2020, 5. Juni 2020 und 27. Juli 2020 nebst jeweiligen Anlagen (fortan: Auskunftsschreiben) Auskunft und legten Rechnung.
Auf die Berufung der Klägerinnen hob das Oberlandesgericht Düsseldorf das Urteil des Landgerichts Düsseldorf auf und wies die Klage der Beklagten mit rechtskräftigem Schlussverzichtsurteil vom 5. November 2020 ab. Die Klägerinnen machen nunmehr im Hinblick auf die von ihnen erteilten Auskünfte und Rechnungslegung Herausgabe-, Löschungs- und Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte geltend.
Das Landgericht, dessen Urteil in GRUR-Prax 2022, 66 veröffentlicht ist, hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen und die Anschlussberufung der Klägerinnen hinsichtlich der zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsanträge zum Teil als unzulässig verworfen und im Übrigen zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
A.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Hauptanträge seien unzulässig. Der Herausgabeantrag sei nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil bereits nicht klar sei, was unter einer verkörperten Information zu verstehen sei. Eine Information als solche könne nicht herausgegeben werden, sondern nur ihre Verkörperung. Dahin könne der Antrag aber nicht ausgelegt werden. Unabhängig davon reiche es nicht aus, im Klageantrag lediglich pauschal auf die Auskunftsschreiben Bezug zu nehmen, ohne die in den Dokumenten enthaltenen zahlreichen und unterschiedlichen Informationen konkret zu bezeichnen. Denn ansonsten lasse sich nicht bestimmen, wann eine Information im Falle ihrer Verarbeitung in einem bestimmten Dokument enthalten sei. Unterstellt, die Information sei als vom Antrag umfasst identifizierbar, lasse dieser den Umfang der Herausgabepflicht unklar. Denn er beziehe sich nicht auf die Herausgabe des kompletten Dokuments, das die Information enthalte, sondern nur auf die betreffende Information. Dann sei aber unklar, wie eine isolierte Information herausgegeben werden könne, wenn ein Dokument neben ihr weitere, nicht vom Antrag umfasste Informationen enthalte. Zudem seien die Informationen im Falle einer Herausgabevollstreckung für den Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan nicht identifizierbar. Unsicherheiten seien im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes nicht hinzunehmen, denn den Klägerinnen sei eine konkrete Beschreibung der Informationen und der Verkörperungen, welche die Informationen enthalten, ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen.
Der Antrag auf Löschung sei ebenso nicht hinreichend bestimmt, weil sich auch die nicht-physisch verkörperten, elektronischen Informationen wegen der pauschalen Bezugnahme auf die Auskunftsschreiben im Klageantrag nicht identifizieren ließen und zudem unklar sei, ob nur die (unterstellt identifizierte) Information oder das gesamte elektronische Dokument oder die gesamte Datei zu löschen sei. Der Bestimmtheitsmangel schlage auch auf den Unterlassungsantrag durch. Darüber hinaus sei unklar, was unter einer Nutzung in einem Gerichtsverfahren zu verstehen sei.
Die Zulässigkeit der Hilfsanträge zu II. bis IV. scheitere gleichermaßen an den Bestimmtheitsanforderungen wegen ihrer pauschalen Bezugnahme auf die Auskunftsschreiben. Der erst in der Berufungsverhandlung gestellte Hilfsantrag zu I. sei als Klageänderung zu bewerten und verspätet.
B. 8 Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
I. 9 Die Beurteilung, die gestellten Hauptanträge der Klägerinnen seien unzulässig, beruht auf Rechtsfehlern. 10 1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht den Herausgabeantrag, den die Klägerinnen auf § 717 Abs. 2 ZPO, § 249 BGB und § 812 Abs. 1 BGB stützen, als unbestimmt angesehen. 11 a) Falsch ist bereits das Verständnis des Berufungsgerichts, der Herausgabeantrag sei auf die Herausgabe von Informationen als solche, nicht aber der Verkörperungen gerichtet, die sie enthalten. 12 aa) Klageanträge sind Prozesserklärungen. Ihre Auslegung kann vom Revisionsgericht - anders als diejenige von sonstigen Willenserklärungen - unbeschränkt überprüft werden (BGH, Urteil vom 4. Oktober 2007 - I ZR 143/04, NJW 2008, 1384 Rn. 11; vom 7. April 2016 - IX ZR 216/14, WM 2016, 982 Rn. 11, jeweils mwN). Die Auslegung darf auch im Prozessrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urteil vom 7. April 2016, aaO).
bb) Danach ergibt die Auslegung, dass der Herausgabeantrag auf alle physischen Verkörperungen gerichtet ist, die Informationen aus den übersandten Auskunftsschreiben enthalten. Dies entspricht der wohlverstandenen Interessenlage der Klägerinnen, welche die Klage auf materielle Ansprüche nach § 717 Abs. 2 ZPO, § 249 BGB und § 812 Abs. 1 BGB stützen. Nach ihrem Willen soll die Beklagte genau das herausgeben, was sie aufgrund der Vollstreckung aus dem Titel zur Auskunfts- und Rechnungslegung erhalten hat. Objekt des Herausgabebegehrens sind damit zunächst alle Originaldokumente, welche die Beklagte erhalten hat. Umfasst sind aber auch alle davon abgeleiteten Verkörperungen, in welche die Informationen nach Vervielfältigung oder Verarbeitung ganz oder teilweise oder mit anderen Inhalten vermischt Eingang gefunden haben. Die Klägerinnen können die abgeleiteten Dokumente nicht näher bezeichnen. Ihnen ist unbekannt, ob und in welcher Form solche existieren. Diesem Umstand trägt der Herausgabeantrag Rechnung, indem er zur Identifizierung auf die enthaltenen Informationen abstellt und nicht auf die Verkörperungen. In diesem Kontext stehen auch die von dem Berufungsgericht zitierten Ausführungen der Klägerinnen in der Berufungserwiderungs- und Anschlussberufungsschrift, es ginge nicht um die Rückholung bestimmter Verkörperungen, Objekt der Rückabwicklung seien die Informationen.
Der Wortlaut des Klageantrags steht diesem Verständnis nicht entgegen. Denn eine Information kann vernünftigerweise nicht gewolltes Objekt des Herausgabeverlangens sein, weil sie als solche nicht herausgegeben werden kann. Dass die Klägerinnen auf die Informationen abstellen, dient hinsichtlich des nach § 883 ZPO vollstreckbaren Herausgabegehrens der Identifikation der herauszugebenden Objekte. Bei interessengerechter Auslegung bleiben damit nur die physischen Verkörperungen als gewolltes Objekt des Herausgabeverlangens. Nichts anderes folgt aus dem Hilfsantrag zu I. 1., den die Klägerinnen lediglich mit Blick auf die vom Berufungsgericht geäußerten Bestimmtheitsbedenken gestellt haben.
b) Auch die weiter herangezogenen Begründungen des Berufungsgerichts tragen nicht die Annahme, der Herausgabeantrag sei unbestimmt.
aa) Grundsätzlich ist ein Antrag auf Herausgabe von Gegenständen im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt, wenn er diese konkret bezeichnet. Die Beschreibung muss einerseits so genau sein, dass das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt wird und dass eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwartet werden kann. Andererseits führt nicht jede mögliche Unsicherheit bei der Zwangsvollstreckung zur Unbestimmtheit des Klageantrags. Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Streitgegenstands in einem Klageantrag zu stellen sind, hängt von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalls ab. Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags sind danach in Abwägung des zu schützenden Interesses des Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu können, sowie seines Interesses an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Klägers an einem wirksamen Rechtsschutz festzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 206/14, BGHZ 206, 211 Rn. 9 mwN; st. Rspr.).
Verfolgt der Kläger - wie im Streitfall - einen Schadensersatzanspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO, muss ihm über die Antragstellung ermöglicht werden, den aus seiner Sicht eingetretenen Schaden vollständig kompensiert zu erhalten. Maßgebend ist damit das von den Klägerinnen verfolgte Rechtsschutzziel. Unerheblich ist, ob dieses Rechtsschutzziel materiell-rechtlich begründet ist.
bb) Daran gemessen ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Herausgabeantrag leide unter einer mangelnden Bestimmtheit, rechtsfehlerhaft.
(1) Die Klägerinnen meinen, die Beklagte habe aufgrund des Schadensersatzanspruchs nach § 717 Abs. 2 ZPO den eingetretenen Vollstreckungserfolg vollständig zu beseitigen. Nach der Rechtsansicht der Klägerinnen ist hinsichtlich der Informationslage exakt der Zustand wiederherzustellen, der vor der Vollstreckung bestand. Damit zielt der von den Klägerinnen verfolgte Schadensersatzanspruch aufgrund einer vollstreckten Auskunft und Rechnungslegung dahin, dem Vollstreckungsgläubiger die damit verbundenen Vorteile und die erlangten Kenntnisse umfassend und vollständig wieder zu nehmen.
(2) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts müssen die Klägerinnen, um den Bestimmtheitsanforderungen zu genügen, nicht jedes herauszugebende Dokument und jede darin enthaltene Information (samt gegebenenfalls anderer vermischter Inhalte) im Klageantrag genau bezeichnen. Umfasst der Antrag auf Herausgabe von überreichten Dokumenten - wie im Streitfall - auch die hiervon abgeleiteten Dokumente und kann der Berechtigte diese nicht genau bezeichnen, hindert dies die hinreichende Bestimmtheit des Klageantrags im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht, solange die abgeleiteten Dokumente anhand der überreichten Dokumente hinreichend identifizierbar bezeichnet sind. Der Herausgabeantrag bezieht sich in diesem Fall auf die Dokumente unabhängig von ihrer nach Aushändigung angenommenen Form (vgl. BAG, NZA 2012, 501 Rn. 15 zur Herausgabe von Unterlagen "im Original und/oder Kopie"). Das ist zudem interessengerecht. Denn die Beklagte kennt nicht nur die ihr überreichten Unterlagen, sondern auch deren weiteres Schicksal. Es besteht für sie keine Unsicherheit, worauf sie ihre Rechtsverteidigung auszurichten hat. Umgekehrt wird es den Rechtsschutzinteressen der Klägerinnen gerecht, lediglich die herauszugebenden Schriftstücke in ihrer überreichten Ursprungsform genau bezeichnen zu müssen und - wie geschehen - zum Ausdruck zu bringen, dass ihr Herausgabebegehren jede Verkörperung der darin enthaltenen Informationen auch in abgeleiteter Form umfasst.
Die Klägerinnen haben die Informationen zunächst konkret durch vier Anwaltsschreiben näher eingegrenzt, mit denen sie der Beklagten im Rahmen der Vollstreckung Auskunft erteilt und Rechnung gelegt haben. Diese Anwaltsschreiben enthalten eine zusammenfassende Darstellung und Erläuterung der in den Anlagen zu diesen Anschreiben erteilten Auskünfte. Diese Anlagen haben die Klägerinnen ebenfalls in den Prozess eingeführt. Die Klägerinnen haben die Informationen hinreichend genau bezeichnet, weil die als Anlagenkonvolut AR 12 zu den Akten gereichten Kopien im Falle der Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher ausreichend charakteristische Merkmale (Schlüsselbegriffe, Textstrukturen oder Tabellenaufbauten) aufweisen, die sich bei einem Abgleich mit anderen Schriftstücken zur Identifikation eignen und einer Verwechselung mit anderen Inhalten entgegenstehen (vgl. OLG Schleswig, GRUR-RR 2022, 404 Rn. 31). Dass ein Gerichtsvollzieher das jeweilige Schriftstück durchlesen (vgl. OLG München, IHR 2020, 115, 121) und mit dem bezeichneten Schriftstück abgleichen muss, hindert die hinreichende Bestimmtheit nicht. Dem vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitserfordernis kann auch Genüge getan sein, wenn die Auffindung der herauszugebenden Gegenstände durch den Gerichtsvollzieher mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden ist (BGH, Beschluss vom 21. September 2017 - I ZB 8/17, GRUR 2018, 222 Rn. 26). In entsprechender Anwendung der § 813 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 ZPO, § 190 Abs. 3 GVGA kann es geboten sein, eine Unterstützung des Gerichtsvollziehers durch einen von ihm auf Kosten des Schuldners beauftragten Sachverständigen bei Herausgabetiteln zuzulassen, wenn anderenfalls die Vollstreckung unmöglich ist oder unzumutbar erschwert wird (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2017, aaO Rn. 22).
Diesen Anforderungen genügen die mit dem Klageantrag in Bezug genommenen Anwaltsschreiben vom 4. und 5. Mai 2020, 5. Juni 2020 und 27. Juli 2020 und die mit diesen Anwaltsschreiben überreichten Anlagen. Soweit die Klägerinnen diese Anlagen im Prozess nur mit weitgehend geschwärzten Angaben überreicht haben, könnte dies der Bestimmtheit entgegenstehen, weil und soweit es für die Identifikation der herauszugebenden Dokumente auf den Inhalt der Informationen ankommt. Nachdem das Berufungsgericht im unstreitigen Tatbestand festgestellt hat, dass die Anlagen aufgrund des beigezogenen Verfügungsverfahrens auch in ungeschwärzter Form Gegenstand des Prozesses sind, stehen die Schwärzungen der Bestimmtheit des Klageantrags nicht entgegen.
(3) Der Umstand, dass der Klageantrag lediglich auf die zu den Akten gereichten Auskunftsschreiben (Anlage AR 12) Bezug nimmt, ohne sie selbst inhaltlich wiederzugeben oder abzubilden, steht der Bestimmtheit des Klageantrags ebenfalls nicht entgegen.
Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Beklagte durch die Bezugnahme auf die Anlage Möglichkeiten ihrer Verteidigung einbüßen würde. Die Unterlagen liegen ihr vor; ihr Inhalt ist ihr bekannt. Anders als in dem von dem Berufungsgericht zitierten Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (GRUR-RR 2021, 229 Rn. 17) ist es zur Bestimmtheit des Antrags nicht erforderlich, die Informationen aus der Anlage konkret zu bezeichnen, bei denen es sich um Geschäftsgeheimnisse im Sinne von § 2 Nr. 1 GeschGehG handelt. Denn die Klägerinnen begehren die Herausgabe der Verkörperungen aller in der Anlage enthaltenen Informationen gestützt auf § 717 Abs. 2 ZPO, § 812 Abs. 1 BGB.
(4) Allerdings wird zur Zwangsvollstreckung erforderlich sein, die Anlagen mit dem Titel zu verbinden oder im Urteil ihrem Inhalt nach wiederzugeben. Denn Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung ist ein hinreichend bestimmter Titel (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - I ZB 57/10, BGHZ 190, 1 Rn. 13). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung folgt hieraus aber kein Bestimmtheitsmangel des Klageantrags.
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht ebenso den Antrag auf Löschung als unbestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erachtet. Zur Identifizierung der zu löschenden Inhalte in den betroffenen nicht-physischen Verkörperungen (elektronischen Dateien) reicht die Bezugnahme auf die Auskunftsschreiben gemäß der Anlage AR 12, weil diese jedenfalls in ungeschwärzter Form hinreichende Identifikationsmerkmale für den Fall einer Vollstreckung aufweisen.
3. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft den Unterlassungsantrag als unbestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO angesehen. Durch die Bezugnahme auf die Auskunftsschreiben gemäß der Anlage AR 12 ist hinreichend bestimmt, welche Inhalte Gegenstand der streitgegenständlichen Untersagung sind. Das zuständige Prozessgericht des ersten Rechtszugs kann zur Prüfung einer Zuwiderhandlung auf die beigezogene Verfügungsakte (Landgericht München I - 21 O 17815/20) zugreifen. Dort befindet sich nach den Feststellungen eine teilgegraute Version der Anlage. Wie weit das Nutzungsverbot reicht, insbesondere, ob die Informationen von der Beklagten zur Rechtsverteidigung in den von den Klägerinnen gegen sie geführten Auskunfts- und Schadensersatzprozessen genutzt werden dürfen, ist eine Frage des materiellen Rechts und der Begründetheit der Klage, nicht der Bestimmtheit des Klageantrags.
II.
Schließlich können die Hilfsanträge mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht als unzulässig behandelt werden.
1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die Bestimmtheit der Hilfsanträge zu II. bis IV. verneint. Mit diesen begehren die Klägerinnen im Wege der Stufenklage hilfsweise die Feststellung einer Herausgabe- und Löschungspflicht bezogen auf physische oder nicht-physische Verkörperungen, welche Informationen der Auskunftsschreiben enthalten, auf der zweiten Stufe Auskunft über deren Vorhandensein und genaue Bezeichnung und auf letzter Stufe nach Auskunftserteilung deren Herausgabe und Löschung sowie Untersagung von deren Besitz und Nutzen. Wie ausgeführt, kann die Bezugnahme auf die Auskunftsschreiben gemäß der Anlage AR 12 ausreichen, sofern sie hinreichende Identifikationsmerkmale aufweisen. Zu dem Begriff der Nutzung wird auf die Ausführungen unter I. 3. verwiesen.
2. Der Hilfsantrag zu I. ist nicht unzulässig, weil er eine außerhalb der Anschlussberufungsfrist (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO) eingegangene und unzulässige Klageänderung darstellt. Bei gebotener Auslegung der Hauptanträge, deren Gegenstand alle (physischen oder nicht-physischen) Verkörperungen sind, die Informationen der Auskunftsschreiben auch in abgeleiteter Form enthalten, stellt sich der Hilfsantrag zu I., der sich auf konkrete Verkörperungen bezieht, als ein Minus dar.
C.
Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird zunächst zu klären haben, ob die Klägerinnen ihre Klageanträge allein auf der Grundlage der von ihnen im Prozess selbst vorgelegten, im erheblichen Umfang mit Schwärzungen versehenen Anlagen verfolgen möchten, oder ob das Berufungsgericht (auch) die ungeschwärzten Anlagen aus dem Verfügungsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Sofern die Klägerinnen Schwärzungen für erforderlich halten sollten, wird das Berufungsgericht zu klären haben, ob die nach den Schwärzungen verbleibenden Informationen noch eine ausreichende Identifikation jedenfalls einzelner der herauszugebenden Dokumente erlauben.
Hinsichtlich der Begründetheit wird das Berufungsgericht insbesondere zu prüfen haben, in welchem Umfang die Schadensersatzpflicht nach § 717 Abs. 2 ZPO das Klagebegehren rechtfertigt. Dabei weist der Senat darauf hin, dass im Rahmen der Schadensersatzpflicht nach § 717 Abs. 2 ZPO nur die Wiederherstellung des früheren Zustands verlangt werden kann, jedoch keine darüber hinausgehenden Leistungen (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1997 - IX ZR 122/96, NJW 1997, 2601, 2602 f; vom 5. Mai 2011 - IX ZR 176/10, GRUR 2011, 758 Rn. 10).
Schoppmeyer Selbmann Röhl Schultz Weinland Vorinstanzen: LG München I, Entscheidung vom 01.12.2021 - 21 O 4641/21 OLG München, Entscheidung vom 17.11.2022 - 6 U 8929/21 - Verkündet am 21. Dezember 2023 Preuß, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle