35 W (pat) 5/16
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 5/16
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
BPatG 152 08.05
…
wegen Löschung des Gebrauchsmusters … (hier: Kostenfestsetzungsverfahren)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 9. Juni 2016 durch die Vorsitzende Richterin Werner sowie den Richter Eisenrauch und die Richterin Bayer beschlossen:
1. Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
Gründe I.
Die Antragsgegnerin ist bzw. war Inhaberin des am 28. Mai 2009 eingetragenen Gebrauchsmusters … mit der Bezeichnung „… “. Die Antragstellerin hat am 29. März 2012 einen Löschungsantrag gestellt und zwar im Umfang der eingetragenen Ansprüche 1 bis 4 sowie 7 bis 10, soweit sich die Ansprüche 7 bis 10 nicht direkt oder indirekt auf die Ansprüche 5 und/oder 6 zurückbeziehen.
Die Gebrauchsmusterinhaberin hat am 25. Mai 2012 dem Löschungsantrag teilweise widersprochen, nämlich im Umfang der nachgereichten Schutzansprüche 1 bis 10 vom 7. Februar 2012.
Am 16. Mai 2014 hat die Gebrauchsmusterinhaberin ihren Widerspruch vom 25. Mai 2012 zurückgenommen.
Mit Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Februar 2015, zugestellt am 9. Februar 2015, wurden die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin auferlegt. Gegen diesen Beschluss wurde kein Rechtsmittel eingelegt.
Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2015, beim DPMA eingegangen am 17. Februar 2015 beantragte die Antragstellerin die von der Antragsgegnerin ihr zu erstattenden Kosten auf 2.936,90 Euro festzusetzen sowie eine Verzinsung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Antragstellung. Sie stellte ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 200.000,00 Euro eine 1,3 fache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 VV RVG, eine Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20 Euro und Amtsgebühren in Höhe von 300 Euro in Rechnung.
Den angenommenen Gegenstandswert von 200.000 Euro begründete die Antragstellerin damit, dass bei einem Patentnichtigkeitsverfahren maßgebend das vom Antragsteller vertretene Interesse der Allgemeinheit an dem Wegfall des Schutzrechts sei. Dieser Grundsatz sei ohne weiteres auch auf das Gebrauchsmusterlöschungsverfahren anzuwenden, da die Schutzwirkungen eines Gebrauchsmusters mit denen eines Patents identisch seien. Der einzige Unterschied bestehe hinsichtlich der theoretischen Laufzeiten. Im vorliegenden Fall habe die Restlaufzeit 7 Jahre betragen, was mit einem Patent im 13. Jahr seiner Laufzeit vergleichbar sei. Für die Bemessung des Streitwerts sei der Streitwert in einem parallelen Verletzungsverfahren eine wichtige Bezugsgröße. In der Regel sei ein Zuschlag von
% auf den Streitwert im Verletzungsverfahren vorgesehen. Für ein analoges Patentnichtigkeitsverfahren ergebe sich ein analoger Streitwert von 625.000 Euro. Den Patentanwälten in der die Antragstellerin vertretenden Kanzlei seien Gebrauchsmusterverletzungsfälle mit einem Streitwert unter 250.000 Euro nicht bekannt. Mit dem Aufschlag von 25 % ergebe sich ein Mindeststreitwert von 312.500 Euro. Dies würde den hier geltend gemachten Streitwert mehr als rechtfertigen. Bei allem sei zu berücksichtigen, dass der Schutzumfang des Gebrauchsmusters erheblich war.
Die Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 19. Februar 2016 die von der Antragsgegnerin der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 2.180,30 Euro festgesetzt sowie eine Verzinsung dieses Betrages mit 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 17. Februar 2015. Der weitergehende Antrag wurde zurückgewiesen.
Der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung geht von einem Gegenstandswert in Höhe von 125.000 Euro aus, wobei sich die Bemessung nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Löschung des Gebrauchsmusters richte. Der Wert von 125.000 Euro wurde unter Einbeziehung der Restlaufzeit als Schätzung nach freiem Ermessen angenommen.
Als zu ersetzende Kosten wurden folgende Beträge festgesetzt:
1.860,30 Euro als Verfahrensgebühr gemäß RVG-VVNr.2300 mit einem 1,3 fachen Satz, 20 Euro gemäß RVG-VVNr.7002 Pauschale Entgelte für Post und Telekommunikationsdienstleistungen und die Löschungsgebühr in Höhe von 300 Euro.
Gegen diesen Beschluss, zugestellt am 26. Februar 2016, richtet sich die am 29. Februar 2016 beim DPMA eingegangene Beschwerde der Antragstellerin. Sie ist der Auffassung, dass die Geschäftsgebühr auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 200.000 Euro festzusetzen sei. Außerdem sei der Beschluss verfahrensfehlerhaft, da es an einer ausreichenden Begründung fehle. Der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung lasse nicht erkennen, weshalb sie die in der Eingabe vom 9. Juni 2015 vorgetragenen Gründe als nicht ausreichend angesehen habe.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
1. den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Februar 2016 abzuändern und die zu erstattenden Kosten auf 2.936,90 Euro festzusetzen,
2. den festgesetzten Betrag ab dem 17. Februar 2015 zu verzinsen,
3. die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Die Antragsgegnerin erklärte auf die Beschwerde hin, dass die festgesetzten Kosten auf Basis eines Gegenstandswerts von 125.000 Euro für den vorliegenden Fall als angemessen angesehen werden, auch wenn dies den üblicherweise angenommenen Gegenstandswert von 100.000 Euro übersteige.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige, insbesondere auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 62 Abs. 2 Satz 4 PatG (in Verbindung mit § 17 Abs. 4 Satz 2 GebrMG) eingelegte Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Gebrauchsmusterabteilung hat mit Beschluss vom 5. Februar 2015 der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt. Zu diesen Kosten gehören die der Antragstellerin erwachsenen Kosten, soweit sie zur zweckentsprechenden Wahrung der Ansprüche und Rechte notwendig waren (§ 17 Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 62 Abs. 2 PatG).
Die Gebrauchsmusterabteilung ist bei ihrem Kostenfestsetzungsbeschluss von einem Gegenstandswert in Höhe von 125.000 Euro ausgegangen. Mit ihrer Beschwerde möchte die Antragstellerin die Geschäftsgebühren auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 200.000 Euro berechnet wissen. Damit hat sie keinen Erfolg.
Die Bemessung des Gegenstandswerts in Löschungsverfahren richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Allgemeinheit an der Löschung des Gebrauchsmusters (Bühring/Schmid, Gebrauchsmustergesetz, 8. Aufl., § 17 Rdn. 115). Der Wert eines Gebrauchsmusters hängt vom Einzelfall ab. Derjenige, der die Annahme eines bestimmten Gegenstandswerts anstrebt, muss die tatsächlichen Anhaltspunkte für die Schätzung so vortragen, dass sie nachvollziehbar zugrunde gelegt werden können (Bühring/Schmid, Gebrauchsmustergesetz, 8. Aufl., § 17 Rdn. 117). Ermittlungen von Amts wegen sind nicht vorgesehen. Die Einschätzung des Werts durch die Beteiligten kann dabei von Bedeutung sein (Bühring/Schmid, Gebrauchsmustergesetz, 8. Aufl., § 17 Rdn. 117).
Die Antragstellerin hat keine tatsächlichen Anhaltspunkte für den Wert des vorliegenden Gebrauchsmusters vorgetragen. Ihre Berechnung gründet sich auf einen fiktiven Vergleich nicht genannter Gebrauchsmuster mit nicht genannten Patenten bei fiktiven Verletzungsverfahren. Ohne konkrete Tatsachenangaben wurde bisher in Gebrauchsmusterlöschungsverfahren von einem Gegenstandswert von 100.000 Euro bis 125.000 Euro ausgegangen (vgl. Bühring/Schmid, Gebrauchsmustergesetz, 8. Aufl., § 17 Rdn. 119). Im Jahr 2000 betrug der durchschnittliche Gegenstandswert bei Gebrauchsmuster 100.000 Euro, wobei sich im Einzelfall meist erhebliche Abweichungen nach unten oder oben ergeben haben (vgl. Benkard/Goebel/Engel, Patentgesetz, 11. Aufl., § 17 GebrMG, Rdn. 33). Wenn bei einer Restlaufzeit von 7 Jahren der Gegenstandswert mit 125.000 Euro geschätzt wurde, gibt es unter diesen Umständen keine belastbaren Tatsachen, die für einen höheren Gegenstandswert als die im angegriffenen Beschluss angenommenen 125.000 Euro sprechen.
Die Festsetzung der Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20 Euro und der Löschungsantraggebühr in Höhe von 300 Euro sowie die Verzinsung sind in der Beschwerde nicht in Streit bzw. nicht beschwerdegegenständlich. Insbesondere gilt hinsichtlich des Beginns der Verzinsung des festgesetzten Betrages das Verbot der reformatio in peius, so dass er nicht auf den Tag der Rechtskraft der Kostengrundentscheidung verschoben werden kann (Bühring/ Schmid, Gebrauchsmustergesetz, 8. Aufl., § 17 Rdn. 140).
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG, § 84 Abs. 2 PatG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Beschwerdeführerin, da die Beschwerde keinen Erfolg hatte. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung (§ 84 Abs. 2 Satz 2 PatG).
Der Antrag, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen, wird zurückgewiesen. Gemäß § 18 Abs. 2 GebrMG i. V. m. § 80 Abs. 3 PatG kann die Beschwerdegebühr zurückgezahlt werden. Eine solche Rückzahlung erfolgt ausnahmsweise, wenn es unbillig wäre, die Gebühr einzubehalten (Bühring/Schmid, Gebrauchsmustergesetz, 8. Aufl., § 18 Rdn. 145). Unbillig ist eine Einbehaltung, wenn die Beschwerde durch eine gesetzwidrige oder unangemessene Sachbehandlung oder einen offensichtlichen Verstoß des DPMA gegen Verfahrensvorschriften erforderlich wurde und wenn bei deren Beachtung die belastende Entscheidung nicht in Betracht gekommen wäre (Bühring/Schmid, Gebrauchsmustergesetz, 8. Aufl., § 18 Rdn. 145). Das Festhalten an langjähriger Rechtsprechung ist kein Verfahrensfehler (Bühring/Schmid, Gebrauchsmustergesetz, 8. Aufl., § 18 Rdn. 145). Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Amt tatsächliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen hätte oder nicht erwogen hätte. Im Beschluss ist vielmehr ausgeführt, dass der Gegenstandswert nach freiem Ermessen angenommen wurde, zwischen den Angaben von der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zum Gegenstandswert liegt und auf einer Schätzung beruht. In den von der Antragstellerin vorgenommenen Berechnungen sind keinerlei konkrete Angaben enthalten, aus denen sich der Wert des konkreten Gebrauchsmusters berechnen ließe. Wenn die Gebrauchsmusterabteilung an Stelle dieser fiktiven Schätzung eine andere Schätzung vornimmt, die sich im Rahmen des bisher Üblichen hält, kann dies nicht eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigen.
III. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, 2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, 3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, 4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, 5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder 6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Werner Eisenrauch Bayer Fa