1 StR 33/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 33/24 BESCHLUSS vom 10. Juli 2024 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:100724B1STR33.24.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. Juli 2024 gemäß § 154 Abs. 2, 1 Nr. 1, § 154a Abs. 2, 1 Satz 1 Nr. 1, 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 23. Mai 2023 wird a) das Verfahren in den Fällen 10 bis 12 (Hinterziehung der Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftsteuer 2015 zugunsten der B. A.
GmbH [B. GmbH]) und
(Hinterziehung der Umsatzsteuer 2017 zugunsten des Einzelunternehmens des Angeklagten) der Urteilsgründe eingestellt; insoweit hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen; b) mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Strafverfolgung in den Fällen 1 bis 7 der Urteilsgründe auf den Vorwurf der Hinterziehung von Umsatzsteuer 2012 zugunsten der B. GmbH und in den Fällen 8 bis 9 auf den Vorwurf der Hinterziehung von Körperschaftsteuer 2014 zugunsten der B. GmbH beschränkt; c) der Schuldspruch des vorgenannten Urteils dahin neu gefasst, dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in 21 Fällen, davon in einem Fall im Versuch, und der Untreue in zwei Fällen schuldig ist; d) das vorgenannte Urteil im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe: 1 Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in Fällen, davon in einem Fall im Versuch, und wegen Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts beanstandet, führt auf die Sachrüge zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Verfahrensteileinstellung und -beschränkung sowie nachfolgend zur Aufhebung der Gesamtstrafe (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1.a) Infolge der Mängel in der Berechnungsdarstellung bis teilweise hin zum vollständigen Fehlen einer solchen begegnet die Verurteilung wegen Verkürzung von Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftsteuer bezüglich der Besteuerungszeiträume 2012 bis 2015 erheblichen Bedenken. Allein die Ermittlung der Verkürzungsbeträge betreffend die Umsatzsteuer für das Jahr 2012 und von Körperschaftsteuer für das Jahr 2014 ist noch nachvollziehbar. Zudem hat das Landgericht bezüglich der Jahre 2012 bis 2014 nicht bedacht, dass der Angeklagte für die B. GmbH die drei Umsatzsteuerjahreserklärungen 2012 bis 2014 sowie die Gewerbe- und Körperschaftsteuererklärung 2012 und 2013 zusammen am 23. März 2015 bzw. die Gewerbe- und Körperschaftsteuererklärung 2014 am
25. März 2015 über den gutgläubigen Steuerberater W.
abgab; in dieser Fallkonstellation einer mittelbaren Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alternative 2 StGB)
könnte Tateinheit anzunehmen sein (zuletzt BGH, Urteil vom 6. März 2024 – 1 StR 308/23 Rn. 11; Beschluss vom 26. Juli 2022 – 1 StR 51/22 Rn. 7 mwN).
All diesen Bedenken wird durch die Verfahrensteileinstellung bzw.
-beschränkung Rechnung getragen. Damit haben für die Besteuerungszeiträume bis 2015 allein die in den Fällen 1 und 9 jeweils verhängten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils vier Monaten Bestand.
b) Bezüglich des Falles 32 der Urteilsgründe (Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung des Einzelunternehmens für 2017) ist fraglich, ob das Unrecht für diesen Besteuerungszeitraum nicht darin liegt, dass der Angeklagte in seinen für sein Einzelunternehmen abgegebenen Voranmeldungen unberechtigt Vorsteuer in Höhe von insgesamt 3.135 € aus Eingangsrechnungen, die tatsächlich sein privates Wohnhaus betrafen, geltend machte und im Wege eines Vorsteuerguthabens vereinnahmte. Dann dürfte keine nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbewehrte Pflicht bestanden haben, diese Falschangaben (gerade) mit der Umsatzsteuerjahreserklärung 2017 zu berichtigen; vielmehr wäre insoweit auf die Umsatzsteuervoranmeldungen abzustellen (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 19. April 2023 – 1 StR 14/23 Rn. 5-10). Infolge der vom Generalbundesanwalt auch insoweit beantragten Verfahrensteileinstellung kann diese Frage ebenso offenbleiben.
2. Das Entfallen der betroffenen elf Einzelstrafen, darunter die aus Fall 10 der Urteilsgründe von zehn Monaten Freiheitsstrafe, bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafe. Die Feststellungen haben indes Bestand (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Das nunmehr zur Bildung einer neuen Gesamtstrafe aus den verbliebenen rechtskräftigen 23 Einzelstrafen berufene Tatgericht darf hierfür neue Feststellungen berücksichtigen, sofern diese den bisherigen nicht widersprechen.
Jäger Leplow Fischer Welnhofer-Zeitler Bär Vorinstanz: Landgericht Aachen, 23.05.2023 - 86 KLs-301 Js 752/18-1/21