5 StR 40/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 40/24 BESCHLUSS vom 24. April 2024 in der Strafsache gegen wegen schweren räuberischen Diebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:240424B5STR40.24.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. April 2024 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 16. November 2023 a) im Schuldspruch im Fall II.7 der Urteilsgründe mit den Feststellungen zum subjektiven Tatbestand sowie b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren räuberischen Diebstahls, Diebstahls in fünf Fällen sowie wegen versuchten Diebstahls mit Waffen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch in den Fällen II.1 bis 6 der Urteilsgründe keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler erbracht.
2. Der Schuldspruch im Fall II.7 der Urteilsgründe wegen schweren (angesichts der erfüllten Qualifikation nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB richtig: besonders schweren) räuberischen Diebstahls hält hingegen revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Denn das Landgericht hat nicht festgestellt, dass der Angeklagte in diesem Fall mit der nach § 252 StGB erforderlichen Beutesicherungsabsicht handelte. In den Urteilsgründen findet dieses subjektive Tatbestandsmerkmal keine Erwähnung; in den Feststellungen führt die Strafkammer lediglich aus, dass der Angeklagte, nachdem er in ein Verwaltungsgebäude eines Verkehrsbetriebs eingebrochen war und dort im Wesentlichen Bargeld und ein Smartphone gestohlen hatte, nach dem Verlassen des Gebäudes von Zeugen umkreist wurde. Er habe sich bedrängt gefühlt und deshalb eine Schere aus seiner Hosentasche geholt, die er den Zeugen mit den Worten: „ich stech euch ab!“ vorhielt. Die Zeugen machten ihm daraufhin aus Angst vor Verletzungen Platz und ließen ihn passieren.
In der Beweiswürdigung hat das Landgericht die Einlassung des Angeklagten wiedergegeben, der angegeben hat, es „seien Menschen gekommen und er habe nur weggewollt“. Er habe so etwas gesagt wie: „lasst mich in Ruhe“. Die festgestellte verbale Drohung und das Vorhalten eines metallischen, spitzen Gegenstands hat die Strafkammer alsdann den Aussagen der Zeugen entnommen.
Damit ist die nach § 252 StGB erforderliche Beutesicherungs- oder auch Besitzerhaltungsabsicht nicht belegt. Denn dafür genügt es nicht, wenn der Täter das Nötigungsmittel etwa nur einsetzt, um die Aufklärung der Tat oder die Feststellung seiner Person zu verhindern (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 4. Mai 1956 – 5 StR 86/56, BGHSt 9, 162, 163 f.; vgl. auch MüKo-StGB/Sander, 4. Aufl., § 252 Rn. 16). Ob hier lediglich eine solche Fluchtabsicht vorlag, kann der Senat mangels entsprechender Ausführungen der Strafkammer zum Vorstellungsbild des Angeklagten nicht prüfen.
Um der zur neuen Entscheidung berufenen Strafkammer widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hat der Senat die Feststellungen zum subjektiven Tatbestand insoweit insgesamt aufgehoben.
3. a) Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.7 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der für diesen Fall verhängten Einzelstrafe, die zugleich die Einsatzstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten darstellt; bereits damit ist der Gesamtstrafe die Grundlage entzogen.
b) Aber auch die Einzelstrafen in den Fällen II.1 bis 6 der Urteilsgründe haben keinen Bestand.
In den Fällen II.1, 2 und 4 bis 6 hat die Strafkammer die Strafen jeweils aus dem gemäß § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 243 Abs. 1 StGB zugemessen. Sie hat ausgeführt, dass das „gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit (…) vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle nicht in so erheblichem Maße“ abweiche, „dass die Anwendung des Regelstrafrahmens geboten erschiene“. Ungeachtet der sich aus dieser Formulierung ergebenden sprachlichen Unstimmigkeit hat das Landgericht insoweit unter Missachtung der gebotenen Prüfungsreihenfolge schon nicht erkennbar geprüft, ob allein schon das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes zur Verneinung des besonders schweren Falls des Diebstahls hätte führen können; dies ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 1992 – 5 StR 286/92, BGHR StGB § 1 Gesamtwürdigung, unvollständige 11; LK/Schneider, StGB, 13. Aufl., § 49 Rn. 3 mwN).
Im Fall II.3 der Urteilsgründe hat das Landgericht die Strafe aus dem nach § 21, § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB doppelt gemilderten Strafrahmen des § 244 Abs. 1 StGB zugemessen und nicht erwogen, ob gegebenenfalls auch die Anwendung des einfach gemilderten Strafrahmens des minder schweren Falles nach § 244 Abs. 3 StGB in Betracht gekommen wäre. Auch dies erweist sich aus den genannten Gründen als rechtsfehlerhaft.
11 Der Senat vermag – anders als der Generalbundesanwalt – trotz der moderaten Einzelstrafen von vier Mal vier Monaten (Taten II.1 bis 4 der Urteilsgründe), sechs Monaten (Fall II.6 der Urteilsgründe) und acht Monaten (Fall II.5 der Urteilsgründe) nicht auszuschließen, dass das Tatgericht bei richtiger Bewertung des minder schweren Falles und des besonders schweren Falles eine dem Angeklagten günstigere Entscheidung getroffen hätte, zumal in den Fällen, in denen es kurze Freiheitsstrafen verhängt hat, auch die Vorschrift des § 47 StGB mit keinem Wort erwähnt wird.
Cirener Gericke Mosbacher Köhler Resch Vorinstanz: Landgericht Bremen, 16.11.2023 - 1 KLs 520 Js 29321/23 (24/23)