1 StR 189/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 189/24 BESCHLUSS vom 27. Juni 2024 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a. ECLI:DE:BGH:2024:270624B1STR189.24.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. Juni 2024 gemäß §§ 44, 46 Abs. 1, § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Die Anträge des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 22. Februar 2024 und nach Versäumung der Frist zur Anbringung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werden als unzulässig verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen einer Schusswaffe" unter Einbeziehung einer mit Urteil des Amtsgerichts D. vom 15. Juni 2023 verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
Hiergegen hat der Angeklagte mit Schreiben vom 29. Februar 2024, eingegangen bei dem Landgericht München II am 4. März 2024, Revision eingelegt und gebeten, eine "eventuelle Verzögerung zu entschuldigen", weil ihm in der Justizvollzugsanstalt weder ein Telefonat mit seinem Verteidiger noch die Übersendung seiner Revisionseinlegung per Telefax gestattet worden sei. Das Gesuch ist mit Schreiben seiner Verteidiger vom 22. Mai 2024, eingegangen beim Bundesgerichtshof am 23. Mai 2024, und vom 7. Juni 2024, eingegangen beim Bundesgerichtshof am 7. Juni 2024, näher begründet worden. In dem zuletzt genannten Schriftsatz ist ferner hilfsweise "Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist" beantragt worden.
Der Generalbundesanwalt hat zu dem Schreiben des Angeklagten vom 29. Februar 2024 in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:
"…Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unzulässig.
1. Der Angeklagte, der keinen ausdrücklichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 44, 45 StPO gestellt hat, trägt in seinem Schreiben vor, ihm sei in der Justizvollzugsanstalt ein Telefonat mit seinem Anwalt innerhalb der Frist nicht ermöglicht worden und das ,Einsenden per Faxʻ verweigert worden. Er bittet daher um Entschuldigung für eine ,eventuelle Verzögerungʻ (Band II, Bl. 617).
Zur Gewährung eines möglichst umfassenden Rechtsschutzes ist das Schreiben des Angeklagten dahin auszulegen, dass er neben der Anfechtung des Urteils auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt.
2. Der Angeklagte hat die Revision gegen das Urteil des Landgerichts nicht fristgerecht eingelegt. Das Urteil wurde am 22. Februar 2024 in Anwesenheit des Angeklagten verkündet, der auch eine qualifizierte Rechtsmittelbelehrung erhalten hat (Band II, Bl. 572 ff.). Mithin endete die Frist zur Revisionseinlegung mit Ablauf des 29. Februar 2024 (§ 341 Abs. 1, § 43 Abs. 1 StPO). Das auf den 29. Februar 2024 datierte Schreiben des Angeklagten ging ausweislich des Eingangsstempels des Landgerichts erst am 4. März 2024 (Band II, Bl. 617) und damit nach Ablauf der Revisionseinlegungsfrist beim Landgericht ein.
3. Der vom Angeklagten vorgetragene Sachverhalt belegt allerdings nicht, dass ih[n] an der Versäumung der Revisionseinlegungsfrist kein Verschulden trifft (§ 44 Satz 1 StPO).
Mit seinem Schreiben vom 29. Februar 2024 trägt er vor, die Justizvollzugsanstalt habe ein Telefonat mit seinem Anwalt innerhalb der Frist nicht ermöglicht und das ,Einsenden per Faxʻ sei ihm verweigert worden.
Die Justizvollzugsanstalt war nicht verpflichtet, dem Angeklagten die Übermittlung der Revisionseinlegung mittels Telefax zu ermöglichen. Ein solcher Anspruch des Angeklagten besteht nicht (Senat, Beschluss vom 12. März 2014 – 1 StR 74/14, BeckRS 2014, 7852)." Dem schließt sich der Senat an.
In den Schreiben der Verteidiger des Angeklagten vom 22. Mai 2024 und 7. Juni 2024 ist dessen Sachvortrag präzisiert und zur Glaubhaftmachung die Erholung von dienstlichen Stellungnahmen beantragt worden. Jedoch belegen auch diese ergänzenden Ausführungen nicht, dass den Angeklagten an der Säumnis kein Verschulden trifft. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
Die Beantragung eines Sondertelefonats mit seinem Verteidiger ist dem Angeklagten nach seinem eigenen Vortrag durch die Justizvollzugsanstalt nicht grundsätzlich verweigert worden. Der Angeklagte ist lediglich darauf hingewiesen worden, dass die Bewilligung zwei Tage in Anspruch nehmen könne, woraufhin er von seinem Ansinnen Abstand genommen hat. Die Justizvollzugsanstalt war nicht verpflichtet, dem Angeklagten das Telefonat sofort unter Verzicht auf das vorgesehene Bewilligungsverfahren oder besonderer Beschleunigung desselben zu ermöglichen. Die jeweilige Rechtsmittelfrist darf zwar – auch von einem Inhaftierten – bis zum letzten Tag ausgeschöpft werden. Jedoch hat der Rechtsmittelführer dabei für die gewählte Art der Rechtsmitteleinlegung den zeitlichen und organisatorischen Aufwand in Rechnung zu stellen, dessen es bedarf, damit diese in der gesetzlich vorgeschriebenen Form innerhalb der Frist an die zuständige Stelle gelangt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2014 – 1 StR 74/14 Rn. 6). Dem ist der Angeklagte nach seinem eigenen Vortrag nicht nachgekommen.
Soweit der Angeklagte hilfsweise "Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist" beantragt hat, ist auch dieser Antrag unzulässig. Denn der Angeklagte hat innerhalb der Frist zur Anbringung desselben sein ursprüngliches Wiedereinsetzungsgesuch aus den vorstehend genannten Gründen nicht hinreichend substantiiert (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Die Revision ist nach alledem als unzulässig zu verwerfen (§ 349 Abs. 1 StPO).
Jäger Munk Wimmer Welnhofer-Zeitler Leplow Vorinstanz: Landgericht München II, 22.02.2024 - 2 KLs 44 Js 17912/23