3 StR 248/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 248/24 BESCHLUSS vom 20. August 2024 in der Strafsache gegen
1. 2.
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:200824B3STR248.24.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 1.a) und 2. auf dessen Antrag - am 20. August 2024 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 29. Februar 2024 a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten anstelle von Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge des Besitzes von Cannabis in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis schuldig sind,
b) aufgehoben hinsichtlich beider Angeklagter in den Aussprüchen über die Einzelstrafen wegen der oben genannten Tat und die Gesamtstrafen; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Den Angeklagten H. hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und den Angeklagten M.
zu einer solchen von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt sowie mehrere Einziehungsentscheidungen getroffen. Die auf die Sachrü- gen gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Zu dem für die nachfolgende revisionsrechtliche Prüfung maßgeblichen Teil des Tatgeschehens hat das Landgericht festgestellt:
Der Angeklagte H. erhielt von unbekannten Hintermännern in B.
7.455,68 Gramm Marihuana. Dieses transportierte er in deren Auftrag nach L. und verbrachte es dort in die Wohnung des Angeklagten M.
, um es zwischenzulagern. Der Angeklagte H. zeigte dem Angeklagten M.
das Marihuana und teilte ihm mit, er werde es zu einem späteren Zeitpunkt nach Ha. verbringen. Der Angeklagte M.
war zwar amtlich unter einer anderen Anschrift gemeldet, hielt sich aber auch in der Bunkerwohnung auf. Diese hatte er zuvor zur Unterstützung der Drogengeschäfte des Angeklagten H.
angemietet und diesem hierfür zur Verfügung gestellt. Den Angeklagten war bekannt, dass das Cannabis zum Weiterverkauf bestimmt war. Im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten M.
wurde das Marihuana sichergestellt.
II.
Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils führt bei beiden Angeklagten jeweils zur Änderung des Schuldspruchs, soweit dieser die auf das verfahrensgegenständliche Marihuana bezogene Tat betrifft, und zur Aufhebung der für diesen Fall jeweils festgesetzten Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafen.
1. Hinsichtlich dieser Tat ist der Schuldspruch infolge des Inkrafttretens des Konsumcannabisgesetzes vom 27. März 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 109) zu ändern und überdies um den Besitztatbestand zu ergänzen.
Der Schuldspruch hat keinen Bestand, soweit die Angeklagten für ihren Umgang mit Marihuana - entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage - nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden sind. Denn nach der Urteilsverkündung ist am 1. April 2024 das Konsumcannabisgesetz in Kraft getreten. Diese Rechtsänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Nach ihr unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern bestimmt sich die Strafbarkeit des hier zu beurteilenden Geschehens nach dem Konsumcannabisgesetz (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 2024 - 5 StR 1/24, juris Rn. 4; vom 18. April 2024 - 6 StR 24/24, juris Rn. 5; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321).
a) Danach ist auf der Grundlage der vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die betreffende Tat als Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB) in Tateinheit mit Besitz von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG) zu werten.
aa) Die Angeklagten sind auch des Besitzes von Cannabis schuldig. Indem der Angeklagte H. das Marihuana mit einem Fahrzeug von B. nach L. transportierte, hatte er über einen nicht unerheblichen Zeitraum die tatsächliche Sachherrschaft hierüber inne und erfüllte damit den Besitztatbestand
(vgl. BGH, Urteile vom 15. April 2008 - 4 StR 651/07, NStZ-RR 2008, 212; vom
22. Januar 1998 - 4 StR 393/97, NStZ-RR 1998, 148, 149). Aufgrund der Lagerung des Marihuanas in seiner Wohnung gilt dies ebenfalls für den Angeklagten M. . Denn Besitzer im Sinne von § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG ist nicht nur der Eigenbesitzer, sondern auch der Fremdbesitzer, der die tatsächliche Verfügungsgewalt für einen anderen ausübt und keine eigene Verfügungsgewalt in Anspruch nehmen will; das gilt insbesondere für den Verwahrer (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 - 5 StR 351/22, juris Rn. 7; Beschluss vom 18. November 2021
- 3 StR 131/21, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 9 Rn. 9 mwN). Das Handeln des Angeklagten M.
ging dabei über die bloße Billigung der Lagerung des Marihuanas in seiner Wohnung hinaus, denn er hatte diese zur Unterstützung der Drogengeschäfte des Angeklagten H. zuvor angemietet und ihm hierfür zur Verfügung gestellt.
bb) Der verbotene Besitz von Cannabis steht zur Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit; er wird nicht verdrängt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Juni 2024 - 3 StR 82/24, juris Rn. 4; vom 6. Mai 2024 - 5 StR 550/23, juris Rn. 9; vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216; vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968 Rn. 5 mwN).
b) Die neue Rechtslage ist bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom
10. August 2023 - 3 StR 412/22, NZWiSt 2024, 187 Rn. 70; vom 8. August 2022 - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 12 f. mwN; Beschluss vom 14. Oktober 1982 - 3 StR 363/82, NStZ 1983, 80; Urteil vom 9. Oktober 1964 - 3 StR 32/64, BGHSt 20, 74, 75; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 2 Rn. 8 ff.; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 2 Rn. 28 ff. mwN) angesichts der milderen einschlägigen Strafrahmen für die Angeklagten günstiger als die nach dem Tatzeitrecht; sie ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO maßgeblich.
Der Schuldspruch ist deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich zu ändern. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die hinsichtlich dieser Tat umfassend geständigen Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. Das Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht zudem einer Ergänzung des Schuldspruchs um den Tatbestand des Besitzes von Cannabis nicht entgegen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Juni 2024 - 3 StR 167/24, juris Rn. 14; vom 14. Mai 2024 - 3 StR 121/24, juris Rn. 13 mwN).
2. Die Schuldspruchänderung hat die Aufhebung der Aussprüche über die für die vorgenannte Tat festgesetzten Einzelstrafen hinsichtlich beider Angeklagten zur Folge. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes auf eine jeweils mildere Strafe erkannt hätte (vgl. § 337 Abs. 1 StPO). Der Wegfall der Einzelstrafen entzieht den Gesamtstrafen die Grundlage, so dass diese ebenfalls keinen Bestand haben.
Einer Aufhebung der zugehörigen Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Denn diese sind insgesamt frei von Rechtsmängeln getroffen worden. Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese den bisherigen nicht widerstreiten.
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Die getroffenen Feststellungen zur das Kokain betreffenden Kurierfahrt am 10. August 2023 werden durch die Beweiswürdigung belegt und tragen den Schuldspruch wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 25 Abs. 2 StGB in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB. Auch die Einziehungsentscheidungen sind frei von Rechtsfehlern; sie werden insbesondere von der geänderten Rechtslage nach dem Konsumcannabisgesetz nicht berührt.
Schäfer RiBGH Dr. Berg befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben.
Schäfer Ri´inBGH Dr. Hohoff befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben.
Schäfer RiBGH Dr. Kreicker befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben.
Schäfer Voigt Vorinstanz: Landgericht Kleve, 29.02.2024 - 131 KLs-204 Js 554/23-25/23