3 StR 257/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 257/24 BESCHLUSS vom 8. August 2024 in der Strafsache gegen wegen Bestimmens von Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:080824B3STR257.24.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 8. August 2024 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 6. März 2024 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung, des Bestimmens Minderjähriger zum Handeltreiben mit Cannabis sowie des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und mit Handeltreiben mit Cannabis schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung, Bestimmens Minderjähriger zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Schuldspruchänderung; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verfahrensbeanstandungen haben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen keinen Erfolg.
2. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht in jeder Hinsicht. Dieser ist bezüglich der beiden Fälle zu modifizieren, die den Umgang mit Betäubungsmitteln und Cannabis betreffen.
a) Soweit der Angeklagte wegen Bestimmens Minderjähriger zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist, bedarf es aufgrund einer Gesetzesänderung nach Urteilsverkündung einer Umstellung in Bestimmen Minderjähriger zum Handeltreiben mit Cannabis. Dieser durch das Cannabisgesetz vom 27. März 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 109) mit Wirkung vom 1. April 2024 geschaffene Straftatbestand des § 34 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 4 KCanG ist bei Anwendung eines minder schweren Falles gegenüber dem vom Landgericht angewendeten minder schweren Fall nach § 30a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BtMG günstiger und daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO maßgeblich (zu den ansonsten unveränderten Tatbestandsmerkmalen vgl. BT-Drucks. 20/8704 S. 132; allgemein BGH, Beschlüsse vom 6. Mai 2024 - 4 StR 5/24, NStZ-RR 2024, 249 f.; vom 12. Juni 2024 - 1 StR 105/24, juris Rn. 16). Bei Heranziehung des neuen Rechts wäre, wie vom Landgericht dargelegt, ebenfalls ein minder schwerer Fall angenommen worden.
Die für die Tat bemessene Einzelstrafe kann gleichwohl bestehen bleiben, da hier trotz des geringeren Strafrahmens auszuschließen ist, dass eine niedrigere Strafe festgesetzt worden wäre. Wie das Landgericht im Einzelnen ausgeführt hat, hätte es auf dieselbe Rechtsfolge erkannt, weil bei § 34 KCanG der im Rahmen des § 30a BtMG berücksichtigte Gesichtspunkt entfällt, bei Cannabis handele es sich um eine „weiche Droge“ (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. Juli 2024 - 3 StR 220/24, juris Rn. 8 mwN).
b) Der Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln ist in Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und mit Handeltreiben mit Cannabis zu ändern. In diesem Fall hatte der Angeklagte über 8 Gramm Heroinzubereitung mit einer Wirkstoffmenge von 2,06 Gramm Heroinhydrochlorid bei sich, die er zur Hälfte selbst verbrauchen, zur anderen Hälfte ebenso wie weitere 5,82 Gramm Marihuana gewinnbringend verkaufen wollte.
Da die Gesamtwirkstoffmenge des Heroins die Grenze zur nicht geringen Menge von 1,5 Gramm Heroinhydrochlorid überstieg (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. November 1983 - 1 StR 721/83, BGHSt 32, 162; vom 5. Dezember 2023 - 2 StR 452/23, juris Rn. 6), ist der Besitz einer nicht geringen Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gegeben. Diese Strafbarkeit entfällt nicht dadurch, dass der Besitzende eine Teilmenge der Betäubungsmittel über den bloßen Besitz hinaus zu Verkaufszwecken bestimmt; denn es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn der Täter statt wegen eines Verbrechens lediglich wegen zweier tateinheitlich zusammentreffender Vergehen nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 BtMG bestraft würde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2018 - 5 StR 68/18, NStZ 2019, 95 Rn. 7; Beschluss vom 3. Mai 2022 - 3 StR 95/22, NStZ 2023, 507 Rn. 7). Vielmehr tritt hier zu dem Verbrechenstatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tateinheitlich das Handeltreiben mit der für den Verkauf bestimmten, den Grenzwert unterschreitenden Heroinmenge nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG hinzu. Überdies ist in Bezug auf das Marihuana tateinheitlich ein Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG)
gegeben. Der entsprechende, nach Urteilsverkündung geschaffene Straftatbestand ist gegenüber § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG milder und daher nach § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO anzuwenden.
Der Angeklagte hätte sich gegen die Schuldspruchänderung bei einem Hinweis (§ 265 StPO) nicht wirksamer als geschehen verteidigen können. Im Übrigen steht § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO einer Modifikation des Schuldspruchs zum Nachteil des Angeklagten nicht entgegen.
Die für die Tat bestimmte Einzelstrafe hat Bestand, weil auszuschließen ist, dass das Landgericht diese geringer bemessen hätte. Zum einen übersteigt der heranzuziehende Strafrahmen nach § 29a Abs. 1 BtMG, selbst bei Annahme eines minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG, denjenigen des § 29 Abs. 1 Satz 1 BtMG. Zum anderen liegt das Schwergewicht der Tat sowohl mit Blick auf die Betäubungsmittelmenge als auch angesichts der Gefährlichkeit bei dem Umgang mit Heroin.
3. Die weitere Prüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen sonstigen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
4. Der geringe Teilerfolg des Rechtsmittels lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Berg Kreicker Anstötz Ri’inBGH Dr. Erbguth befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben.
Berg Welnhofer-Zeitler Vorinstanz: Landgericht Kleve, 06.03.2024 - 110 KLs-105 Js 2092/23-33/23