VIa ZR 598/23
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VIa ZR 598/23 URTEIL in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2024:231224UVIAZR598.23.0 Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2024 durch die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. C. Fischer als Vorsitzende, die Richterinnen Möhring, Dr. Krüger, Wille und den Richter Liepin für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 8. März 2023 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufungsanträge zu 2 bis 5 zurückgewiesen worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger erwarb am 16. Mai 2015 von einem Dritten in Deutschland ein gebrauchtes Wohnmobil Pössl Roadcruiser. Das von der Beklagten hergestellte Basisfahrzeug Fiat Ducato ist mit einem Dieselmotor der Baureihe 3-l-Multijet (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet. Es verfügt nach Angaben des Klägers über ein sogenanntes "Thermofenster" und eine sogenannte "Timer-Funktion". Für den Typ des Basisfahrzeugs hatte eine Behörde der Italienischen Republik, das Ministero delle Infrastrutture e dei Trasporti (MIT), eine EG-Typgenehmigung erteilt.
Der Kläger hat in erster Linie die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz aus der Manipulation des Fahrzeugs resultierender Schäden begehrt (Berufungsantrag zu 1). Für den Fall der Unzulässigkeit des Feststellungsantrags hat er hilfsweise den Ersatz des Kaufpreises und der Kosten für nachträgliche Einbauten nebst Prozesszinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu 2), die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz weiterer durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung entstandener oder entstehender Schäden (Berufungsantrag zu 3), die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu 4) sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu 5) verlangt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Berufungsanträge zu 2 bis 5 mit der Maßgabe weiter, dass sich der Berufungsantrag zu 3 nicht mehr auf die Manipulation des On-BoardDiagnosesystems bezieht.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:
Dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB nicht zu. Ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten sei nicht erkennbar. Da dem Fahrzeug des Klägers zu keinem Zeitpunkt eine Betriebsuntersagung oder -beschränkung gedroht habe, fehle ein wichtiger Umstand, durch den ein sittenwidriges Verhalten begründet werde. Auch im Hinblick auf die etwaige Verwendung eines Thermofensters fehle es an einem arglistigen Verhalten der Beklagten, das seine Qualifikation als sittenwidrig rechtfertigen würde. Das Thermofenster weise keine Funktion auf, die bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviere und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziere. Vielmehr arbeite es im Normal- und im Prüfstandsbetrieb in gleicher Weise. Gleiches gelte für die im Fahrzeug unter Umständen vorhandene TimerFunktion. Der Kläger habe keine konkreten Anhaltspunkte für eine prüfstandsbezogene Funktionsweise des Timers aufgezeigt.
Dem Kläger stehe auch kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 EG-FGV zu. Bei den Vorschriften der EG-FGV handele es sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht um Gesetze, die dem Schutz vor der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit dienten. Falls sich diese rechtliche Bewertung künftig ändern sollte, sei dies für die handelnden Personen der Beklagten mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung vorher nicht erkennbar gewesen und könne ihnen deshalb ein Verschulden nicht angelastet werden. Auch sonst wäre der Beklagten ein fahrlässiges Verhalten nicht vorzuwerfen. Im fraglichen Zeitraum seien Thermofenster von allen Fahrzeugherstellern verwendet und mit dem Erfordernis des Motorschutzes begründet worden. Angesichts der Unschärfe der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 habe es sich nicht um eindeutige Gesetzesverstöße gehandelt. Das Vorhandensein eines Thermofensters sei dem MIT bekannt gewesen, wenngleich es mangels entsprechender Verpflichtung keine Beschreibung über die exakte Wirkungsweise erhalten habe. Aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes habe sich die Beklagte darauf verlassen dürfen, dass das MIT eine Ergänzung verlangen würde, um die Zulässigkeit des Thermofensters in dem betreffenden Fahrzeug prüfen zu können, und andernfalls wegen der Prüfungskompetenz der Fachbehörde von der Zulässigkeit ihres Vorgehens ausgehen dürfen. Wenn also das MIT als zuständige italienische Typgenehmigungsbehörde nach eigener Prüfung von der Zulässigkeit des Thermofensters für das Fahrzeug ausgehe, könne der Beklagten keine andere Einschätzung abverlangt werden. Entsprechendes gelte für die Timer-Funktion.
II.
Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
1. Die Revision wendet sich mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB abgelehnt hat. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht verneint werden. Die Revision rügt zu Recht, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO Vortrag des Klägers zu einer auf den Prüfstand ausgerichteten Funktionsweise eines in seinem Fahrzeug verbauten Thermofensters nebst implementierter Timer-Funktion übergangen.
a) Der Kläger hat im Laufe des Berufungsverfahrens mit Schriftsatz vom 27. Februar 2023 vorgebracht, das Steuergerät der Motorsoftware seines Fahrzeugs enthalte Kennfelder, die anhand sich am NEFZ-Verfahren orientierender Parameter wie bestimmter Temperaturen den Prüfstandslauf erkennen würden. In diesem Fall werde ein Kennfeld eingeschaltet, das die Abgasrückführungsrate um mehr als die Hälfte erhöhe und für eine optimale Abgasreinigung sorge. Der Einsatz unter anderem eines Timers bewirke, dass nach dem Ende der NEFZPrüfung der Prüfstandsmodus verlassen und ein auf der Straße zum Einsatz kommendes Kennfeld aktiviert werde, bei dem die Steuerung der Abgasrückführung abgeschaltet und die Abgasreinigung erheblich reduziert werde. Hierzu hat der Kläger auf Erkenntnisse aus einem als Anlage vorgelegten Software-Gutachten verwiesen, das auf Untersuchungen eines Wohnmobils mit einem 3-Liter- Motor der - nach seinem Vortrag mit dem Motor seines Fahrzeugs übereinstimmenden - Baumusterbezeichnung F1CE3481E (Schadstoffklasse 5) und einer Leistung von 130 kW beruhe.
b) Hierauf ist das Berufungsgericht nicht eingegangen. Soweit es angenommen hat, das Thermofenster weise keine Funktion auf, die bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviere und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziere, hat es nicht ausgeführt, dass und warum das vom Kläger vorgelegte und erläuterte Software-Gutachten hierfür keinen greifbaren Anhaltspunkt biete. Seine Annahme der fehlenden Prüfstandsbezogenheit der Timer-Funktion hat es allein auf die Darlegungen des Klägers in der Klageschrift gestützt, ohne dessen zweitinstanzlichen Vortrag zu erwähnen. Diesbezügliche Ausführungen des Berufungsgerichts wären umso angezeigter gewesen, als das Landgericht das Vorbringen des Klägers zu einem komplexen System der Prüfstandserkennung als unbeachtliche Behauptung ins Blaue hinein angesehen hat, weil der Kläger die hierfür angeführten SoftwareGutachten nicht konkretisiert habe. Unter diesen Umständen lässt der allgemeine Hinweis des Berufungsgerichts, es habe sich mit dem Sachvortrag des Klägers eingehend auseinandergesetzt, nicht erkennen, dass es dessen zweitinstanzlichen Vortrag zur Funktionsweise des Thermofensters und des Timers anhand unterschiedlicher Kennfelder in Prüfverfahren und realem Fahrbetrieb sowie das hierzu vorgelegte Software-Gutachten zur Kenntnis genommen und in seine Prüfung eines sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten einbezogen hat.
c) Der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts ist entscheidungserheblich.
aa) Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht einen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB bejaht hätte, wenn es das vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte und erläuterte Software-Gutachten berücksichtigt hätte. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine verstärkte Aktivierung der Abgasreinigung ausschließlich im Prüfstand eine objektiv sittenwidrige arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde indizierte (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 2023 - VIa ZR 535/21, WM 2024, 40 Rn. 11 mwN). Ob das Berufungsgericht den zweitinstanzlichen Vortrag des Klägers als prozessual berücksichtigungsfähig erachtet, dem Software-Gutachten in seiner Gesamtheit hinreichende, nachvollziehbare und aussagekräftige Ausführungen zu einer prüfstandsbezogenen Funktionsweise des Thermofensters oder des Timers in dem untersuchten Fahrzeug entnimmt sowie das Gutachten unter Einbeziehung und Würdigung des weiteren Vortrags des Klägers als schlüssige Darlegung eines greifbaren Anhaltspunkts für eine entsprechende Funktionsweise der Einrichtungen in dem vorliegend in Rede stehenden Fahrzeug ansieht, ist seiner tatgerichtlichen Beurteilung vorbehalten, die der Senat nicht ersetzen kann.
bb) Die Sittenwidrigkeit eines Einsatzes der vom Kläger angeführten Abschalteinrichtungen kann nicht aus anderen Gründen verneint werden. Insbesondere lässt die Untätigkeit der italienischen Typgenehmigungsbehörde nicht den Rückschluss zu, die Beklagte habe sie nicht über eine gegebenenfalls prüfstandsbezogene Funktionsweise eines im Fahrzeug des Klägers vorhandenen Thermofensters oder eines darin implementierten Timers arglistig getäuscht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. Oktober 2023 - VII ZR 412/21, juris Rn. 17; Urteil vom 15. Februar 2024 - VII ZR 610/21, juris Rn. 15; Urteil vom 29. Februar 2024 - VII ZR 903/21, juris Rn. 19 f.). Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass dem MIT die genaue Wirkungsweise solcher Einrichtungen im Fahrzeug des Klägers in allen für die Beurteilung maßgeblichen Einzelheiten und in ihrer konkreten Kombination bekannt gewesen sei.
2. Ebenfalls erfolgreich wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein solcher Schadensersatzanspruch nicht verneint werden.
a) Das Berufungsgericht hat den Schutzgesetzcharakter der Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV mit Blick auf die vom Kläger eingegangene Verbindlichkeit zu Unrecht verneint. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32). Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kommt den Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV der Charakter von Schutzgesetzen zu, ohne dass es einer über die Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben hinausgehenden Kompetenz des Verordnungsgebers zur Schaffung einer deliktischen Haftungsgrundlage bedurfte (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2024 - VIa ZR 1425/22, VersR 2024, 1306 Rn. 18 mwN).
Das Berufungsgericht hat daher zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV verneint (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 73 bis 79). Die dagegen gerichteten Einwände der Revision geben dem Senat keinen Anlass zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht beachtet, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 - III ZR 267/20, NJW 2024, 361 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - VII ZR 412/21, juris Rn. 20).
b) Der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand hält die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht schuldhaft gehandelt. Die Erwägungen des Berufungsgerichts rechtfertigen nicht die Annahme, der Beklagten sei ein fahrlässiges Verhalten nicht vorzuwerfen.
aa) Das Berufungsgericht hat übersehen, dass sich das nach § 823 Abs. 2 Satz 2 BGB erforderliche Verschulden allein auf den Verstoß gegen die Vorschriften der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV und nicht auch auf die Qualifikation dieser Normen als Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB beziehen muss (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2023 - VIa ZR 717/22, juris Rn. 14 mwN). Ein solches Verschulden der Beklagten ist zugunsten des Klägers zu vermuten (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 59 f.).
bb) Des Weiteren ist das Berufungsgericht zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Fahrzeughersteller durch einen unvermeidbaren Verbotsirrtum entlasten kann (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 59 und 63; Urteil vom 25. September 2023 - VIa ZR 1/23, NJW 2023, 3796 Rn. 13). Der Verweis der Revision auf das Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg (Beschluss vom 27. Oktober 2023 - 2 O 229/20, juris Rn. 64 ff.) gibt dem Senat keinen Anlass, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzugehen. Die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums setzt allerdings Feststellungen zu einem Rechtsirrtum und dessen Unvermeidbarkeit nach den insoweit vom Senat geklärten Maßstäben voraus (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 63 und 65 f.; Urteil vom 25. September 2023, aaO, Rn. 13 f.; Urteil vom 27. November 2023 - VIa ZR 1425/22, VersR 2024, 1306 Rn. 32).
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt die Unvermeidbarkeit eines solchen Rechtsirrtums nicht daraus, dass die Verwendung eines Thermofensters oder eines Timers Industriestandard gewesen und oftmals für zulässig gehalten worden sein mag, ohne dass die Rechtslage geklärt war (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 69 f.; Urteil vom 11. Dezember 2023 - VIa ZR 340/22, WM 2024, 225 Rn. 12). Soweit das Berufungsgericht die Haltung des MIT in den Blick genommen hat, setzt die Unvermeidbarkeit eines Rechtsirrtums unter dem Gesichtspunkt einer hypothetischen Genehmigung voraus, dass die italienische Behörde die im Fahrzeug des Klägers verbaute(n) Abschalteinrichtung(en) in Kenntnis aller maßgeblichen - von der Beklagten darzulegenden und erforderlichenfalls zu beweisenden - Einzelheiten ihrer konkreten Ausführung und gegebenenfalls unter Berücksichtigung ihrer konkreten Kombination genehmigt hätte (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 65 f.; Urteil vom 27. November 2023 - VIa ZR 1425/22, VersR 2024, 1306 Rn. 32).
cc) Hierzu hat das Berufungsgericht keine tragfähigen Feststellungen getroffen. Es hat nicht festgestellt, welche konkreten (Fehl-)Vorstellungen die verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten hinsichtlich der genauen Bedatung und Funktionsweise eines im Fahrzeug des Klägers verbauten Thermofensters und/oder eines darin implementierten Timers sowie der Rechtmäßigkeit der Einrichtungen in ihrer konkreten Ausgestaltung und gegebenenfalls ihrer Kombination hatten oder dass sie im Fall einer Ressortaufteilung den damit verbundenen Pflichten genügten. Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die italienische Typgenehmigungsbehörde gehe von der Zulässigkeit des Thermofensters und des Timers für das streitgegenständliche Fahrzeug aus, hat es nicht festgestellt, dass dem MIT die exakte Wirkungsweise der Einrichtungen in ihrem Zusammenwirken im Fahrzeug des Klägers bekannt gewesen sei.
III.
1. Das angefochtene Urteil ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil es sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Eine Tatbestands- oder Legalisierungswirkung der vom MIT erteilten EG-Typgenehmigung für den Typ des Basisfahrzeugs kann der Annahme einer darin verbauten unzulässigen Abschalteinrichtung nicht entgegengehalten werden (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 34; Urteil vom 27. November 2023 - VIa ZR 1425/22, VersR 2024, 1306 Rn. 22). Die von der Revisionserwiderung insoweit erhobenen Einwendungen geben dem Senat keinen Anlass zu einem an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichteten Vorabentscheidungsersuchen. Der Senat kann im Umfang der Aufhebung nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
2. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht erneut darüber zu befinden haben, ob dem Kläger ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB auf "großen" Schadensersatz oder aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG auf Ersatz des Differenzschadens zusteht.
a) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist die Anwendung deutschen Sachrechts nicht von vornherein ausgeschlossen. Auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung ist, sofern - wie hier - keine vorrangigen Kollisionsnormen eingreifen, nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-VO) das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind. Dies ist aufgrund des Schadenseintritts durch den Abschluss des Kaufvertrags über das Wohnmobil in der Bundesrepublik Deutschland deutsches Recht (BGH, Urteil vom 27. November 2023 - VIa ZR 1425/22, VersR 2024, 1306 Rn. 11). Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Grunds und des Umfangs der deliktischen Haftung sowie der für ihre Handlungen haftbar zu machenden Personen (Art. 15 Buchst. a Rom-II-VO).
Art. 18 Abs. 1 der in nationales Recht umzusetzenden Richtlinie 2007/46/EG sieht vor, dass der Hersteller des Basisfahrzeugs als Inhaber der diesbezüglichen EG-Typgenehmigung jedem Basisfahrzeug eine Übereinstimmungsbescheinigung beizufügen hat, die dem Käufer des - vervollständigten Fahrzeugs auszuhändigen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 21. März 2023 - C-100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 78 ff.). Die Übereinstimmungsbescheinigung soll dem Käufer erlauben, das bestimmungsgemäß vervollständigte Fahrzeug ohne Vorlage zusätzlicher technischer Unterlagen in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union zuzulassen. Dementsprechend übernimmt nach der Konzeption der Richtlinie der Hersteller des Basisfahrzeugs, der ein mit einer Übereinstimmungsbescheinigung versehenes Fahrzeug zur Vervollständigung und zum Inverkehrbringen in einem Mitgliedstaat des EU-Binnenmarktes ausliefert, gegenüber dem Käufer des sodann bestimmungsgemäß auf dem Basisfahrzeug aufbauenden Fahrzeugs die Verantwortung dafür, dass das Basisfahrzeug nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im EU-Binnenmarkt in den Verkehr gebracht wird (vgl. EuGH, Urteil vom 21. März 2023, aaO, Rn. 81 f.).
Angesichts dessen besteht weder eine offensichtlich engere Verbindung mit der Italienischen Republik, in der die Beklagte die Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt haben mag (Art. 4 Abs. 3 Rom-II-VO), noch erscheint es angemessen, die italienischen Vorschriften über die Erteilung der Übereinstimmungsbescheinigung heranzuziehen (vgl. Art. 17 Rom-II-VO). Denn mit der Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung für das Basisfahrzeug war es für die Beklagte vorhersehbar, dass diese in einem anderen Mitgliedstaat des EUBinnenmarktes Verwendung finden würde; dies ist genau ihr Zweck. Dann aber muss der Hersteller des Basisfahrzeugs sein Verhalten an den - ebenso wie die entsprechenden italienischen Vorschriften - unionsrechtlich determinierten Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV messen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2023 - VIa ZR 1425/22, VersR 2024, 1306 Rn. 18). Mit Blick auf die angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sieht der Senat keinen Anlass zu einem Vorabentscheidungsersuchen zur Frage des anwendbaren Sachrechts. Etwaige andere nach Art. 4 Abs. 3 Rom-II-VO erhebliche Umstände, aus denen sich eine offensichtlich engere Verbindung der unerlaubten Handlung mit einem anderen Staat ergeben könnte, sind bislang nicht festgestellt.
b) Sofern danach deutsches Sachrecht anwendbar ist, wird das Berufungsgericht unter Beachtung der zweitinstanzlichen Ausführungen des Klägers zu dem vorgelegten Software-Gutachten erneut darüber zu befinden haben, ob diesem ein Anspruch auf "großen" Schadensersatz aus §§ 826, 31 BGB zusteht. Zudem wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen und einen entsprechenden Zahlungsantrag zu stellen. Dabei wird er zu berücksichtigen haben, dass ein ersatzfähiger Differenzschaden nicht höher als 15 % des gezahlten Kaufpreises sein kann (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 74 f.). Der Verweis der Revision auf das Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg (Beschluss vom 27. Oktober 2023 - 2 O 229/20, juris Rn. 93 ff.) gibt dem Senat auch insoweit keinen Anlass zur Abkehr von der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Sollte das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage abermals verneinen, wird es nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenen- falls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EGFGV zu treffen haben. Dabei wird es von einem objektiven Verstoß gegen die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV auszugehen haben, falls die Beklagte das von ihr hergestellte und nach Vervollständigung vom Kläger in Deutschland erworbene Basisfahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet und daher dem Basisfahrzeug eine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung beigefügt hat.
C. Fischer Wille Möhring Liepin Krüger Vorinstanzen: LG Coburg, Entscheidung vom 29.04.2022 - 11 O 542/21 OLG Bamberg, Entscheidung vom 08.03.2023 - 8 U 67/22 - Verkündet am: 23. Dezember 2024 Bachmann, Justizfachangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle