4 StR 147/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 147/24 BESCHLUSS vom 11. September 2024 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:110924B4STR147.24.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. September 2024 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 14. November 2023 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr unter Einbeziehung der rechtskräftigen Strafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, von der es drei Monate wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung als bereits vollstreckt erklärt hat. Zudem hat es den Anrechnungsmaßstab für in Belgien vollzogene Auslieferungshaft bestimmt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
1. Das Landgericht hat als Vortatgeschehen zusammengefasst festgestellt:
3 Am 5. August 2020 fand in L.
ein Scheinkauf von 500 Gramm Kokain statt. Auf Käuferseite wirkten hieran eine Vertrauensperson der Polizei
(VP) und ein nicht öffentlich ermittelnder Polizeibeamter (NoeP) mit, auf Verkäuferseite die gesondert Verfolgten D.
und H. . Nachdem diese sich in einer Bar mit der VP auf die Übergabe eines halben Kilogramms Kokain gegen Zahlung von 20.000 € geeinigt hatten, trafen alle um kurz nach 14.00 Uhr mit dem NoeP in einer Tiefgarage zusammen, der mit dem Kaufgeld in einem dort abgestellten Fahrzeug wartete. Den ihm von der Verkäuferseite unterbreiteten Vorschlag, das Kokain anderswo abzuholen, lehnte er ab. Daher begab sich die ursprünglich alleinige Zielperson der Ermittlungsbehörden D.
mit einem Taxi in das etwa acht Kilometer entfernte P.
, wo spätestens ab
14.54 Uhr der Angeklagte in einem Pkw Peugeot 307 an einer Tankstelle auf ihn wartete. Der Angeklagte verwahrte in dem Fahrzeug bewusst 449 Gramm Kokain
(Base: etwa 50 %) und fuhr mit dem zugestiegenen D.
zu der L.
er Tiefgarage, wo dieser um 15.07 Uhr ausstieg. Nach Abstimmung mit den anderen Beteiligten bedeutete er dem Angeklagten, in die Tiefgarage einzufahren. Dies tat der Angeklagte und parkte sein Fahrzeug vorwärts in der der Ausfahrt gegenüber liegenden Parkreihe, schräg gegenüber dem Pkw des NoeP und in einer Entfernung von etwa 20 Metern zur Ausfahrt. Er blieb dort am Steuer sitzen.
Der NoeP übergab im eigenen Pkw dem gesondert Verfolgten H. auf dessen Verlangen vorab 5.000 € Bargeld. Im Pkw des Angeklagten händigte sodann der gesondert Verfolgte D.
dem NoeP – beide waren dort eingestiegen, ersterer vorne – eine Tüte mit dem Kokain aus. Zur vermeintlichen Zahlung des Restkaufpreises begaben sich beide auf eine entsprechende Äußerung des NoeP zurück zu dessen Fahrzeug, an dem H. und die VP warteten. Als der NoeP den Kofferraum öffnete und das Kokain hineinlegte, griffen um
15.10 Uhr Polizeibeamte des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) zu, die u.a. laut
„Polizei“ riefen. Die gesondert Verfolgten D.
und H. , dieser nach kurzer Flucht, wurden festgenommen.
2. Zum Tatgeschehen hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Unmittelbar nach der Übergabe des Kokains „gegen 15.08 Uhr“ fuhr der Angeklagte aus der Parkbucht und zu der etwa 20 Meter entfernt gelegenen östlichen Ausfahrt der Tiefgarage, wo er sein Fahrzeug vor der verschlossenen Schranke anhielt. Auf dem rechts angrenzenden Gehweg standen drei zivil gekleidete MEK-Beamte, die erforderlichenfalls die Festnahme im Innern der Tiefgarage unterstützen sollten. Der Angeklagte war dabei vor dem Scheingeschäft nicht im Visier der Polizei gewesen, sie war von dem Erscheinen einer dritten Person überrascht und auf eine weitere Festnahme personell und organisatorisch nicht vorbereitet. Gegen 15.10 Uhr führte der Angeklagte das beim Einfahren gelöste Parkticket in das Schrankenterminal ein und gab sofort Gas. Da die Schranke noch nicht hinreichend geöffnet war, ging er wieder vom Gas. „Spätestens jetzt“ nahm er die zu diesem Zeitpunkt erfolgende „lautstarke Festnahme“
des D.
akustisch wahr. Auch die MEK-Beamten, darunter der Nebenklä- ger, bemerkten den Zugriff. Der Nebenkläger entschloss sich entgegen einer per Funk übermittelten Anweisung der Einsatzleiterin spontan, die Ausfahrt des Angeklagten zu verzögern und so auch dessen Festnahme zu ermöglichen. Auf einem E-Scooter bog der Nebenkläger daher in die Ausfahrtsgasse ein, als die Schranke fast vollständig geöffnet war, und fuhr frontal nahezu mittig vor den Pkw Peugeot.
Der Angeklagte erkannte, dass der im Abstand von etwa 1,6 Metern vor seinem Pkw befindliche Nebenkläger ein Polizeibeamter war. Zudem war ihm klar, dass dieser die enge Ausfahrt blockierte. Um seiner Festnahme zu entgehen und den Nachweis seiner Beteiligung an dem Betäubungsmitteldelikt zu verhindern, entschloss sich der Angeklagte nunmehr, sein Fahrzeug gezielt als Waffe einzusetzen, um den Fluchtweg freizubekommen. Er fuhr stark beschleunigend absichtlich auf den Nebenkläger zu, um diesen und den E-Scooter aus der Fahrbahn zu räumen. Dabei erkannte der Angeklagte, dass sich der Nebenkläger nicht durch einen Sprung auf die Seite in Sicherheit würde bringen können, vertraute jedoch auf das Ausbleiben von dessen Tod. Wie beabsichtigt erfasste der Pkw Peugeot mit etwa 25 km/h zuerst den E-Scooter, der ebenso wie der Nebenkläger auf die Motorhaube aufgeladen und sodann abgeworfen wurde. Der Nebenkläger erlitt durch den Kontakt mit dem Pkw u.a. eine Abdomenprellung und eine HWS-Distorsion.
Nach etwa drei Kilometern stellte der Angeklagte den Pkw ab und flüchtete zu Fuß weiter. Im Fußraum des Beifahrersitzes fanden die Ermittlungsbehörden unter Plastikflaschen verborgen die von dem NoeP stammenden 5.000 €, ohne dass geklärt werden konnte, wann und von wem das Geld dort abgelegt worden war.
3. Der Angeklagte ist im Hinblick auf das Vortatgeschehen (oben 1.) rechtskräftig wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Diese Strafe hat das Landgericht in die von ihm verhängte Gesamtfreiheitsstrafe nach § 55 StGB einbezogen.
II.
Ein Verfahrenshindernis wegen Strafklageverbrauchs liegt nicht vor.
1. Nach Art. 103 Abs. 3 GG darf niemand wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrfach bestraft werden. Maßstab ist insoweit grundsätzlich der prozessuale Tatbegriff, wie er auch § 264 StPO zugrunde liegt. Dieser bestimmt sich nach dem von der zugelassenen Anklage umschriebenen geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll, und erstreckt sich auf das gesamte Verhalten des Täters, das nach natürlicher Auffassung ein mit diesem geschichtlichen Vorgang einheitliches Geschehen bildet (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. April 2024 – 6 StR 536/23 Rn. 5; Beschluss vom 24. Mai 2022 – 2 StR 394/21 Rn. 10). Ein tateinheitliches Geschehen (§ 52 StGB) stellt in der Regel auch verfahrensrechtlich eine Tat dar; umgekehrt bilden im Sinne von § 53 StGB selbstständige Handlungen grundsätzlich mehrere Taten im prozessualen Sinne (vgl. BGH, Beschluss vom 30. April 2024 – 6 StR 536/23 Rn. 5; Beschluss vom 18. Dezember 2018 – StB 52/18, BGHSt 64, 1 Rn. 21 mwN).
Auch sachlich-rechtlich selbständige Taten (§ 53 StGB) können jedoch prozessual eine Tat im Sinne von § 264 StPO sein. Dabei kommt es im Einzelfall darauf an, ob die verschiedenen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern auch innerlich derart unmittelbar miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung in verschiedenen Verfahren einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde (vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. November 2020 – 2 StR 358/20 Rn. 9; Beschluss vom 9. September 2020 – 2 StR 261/20 Rn. 10 mwN). Dies kann über die tatsächlichen Umstände hinaus nicht unabhängig von den verletzten Strafbestimmungen beurteilt werden; die notwendige innere Verknüpfung der mehreren Beschuldigungen muss sich vielmehr unmittelbar aus den ihnen zugrundeliegenden Handlungen und Ereignissen unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2001 – 5 StR 310/01 Rn. 7; Urteil vom 23. September 1999 – 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 213 mwN; Stuckenberg in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 264 Rn. 89 mwN).
2. Nach diesen Maßgaben war das vom Landgericht abgeurteilte Geschehen nicht bereits Gegenstand der rechtskräftigen Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
a) Diese Beihilfe steht mit der von der Strafkammer als gefährliche Körperverletzung und gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gewerteten Tat nicht in Tateinheit (§ 52 StGB), was hier ohne Weiteres eine prozessuale Tatidentität nach § 264 StPO begründen würde. Insbesondere trafen beide Taten nicht in einer Ausführungshandlung zusammen. Die Gesamtumstände bieten keinen Anhalt, dass der Angeklagte über seinen Fluchtwillen hinaus seine Ausfahrt aus der Tiefgarage erzwang, um das Betäubungsmittelgeschäft der Haupttäter weiter zu unterstützen.
Einer darin liegenden Beihilfehandlung steht auch bereits entgegen, dass ein Handeltreiben grundsätzlich nicht mehr möglich ist, wenn nach der Vorstellung des Beteiligten jedweder Rauschgiftumsatz, zu dem die auf den Erlös gerichteten Bemühungen Bezug haben können, beendet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 1999 – 2 StR 154/99 Rn. 7; Beschluss vom 28. Mai 2008 – 1 StR 196/08; s. auch BGH, Urteil vom 7. Februar 2008 – 5 StR 242/07 Rn. 12). So liegt es hier. Bei der Sicherstellung der Betäubungsmittel, wie sie mit dem vom Angeklagten bemerkten polizeilichen Zugriff notwendig einherging, konnte selbst ein Weiterleiten des Entgelts das Handelsgeschäft als Güterumsatz nicht mehr fördern (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 1999 – 2 StR 154/99 Rn. 8). Schon deshalb ist auch das in dem Fluchtfahrzeug verbliebene Kaufgeld für die konkurrenzrechtliche Betrachtung unmaßgeblich. Hinsichtlich des Betäubungsmitteldelikts ist daher Tatmehrheit (§ 53 StGB) gegeben.
b) Darüber hinaus liegt kein Ausnahmefall vor, in dem die sachlich-rechtlich selbständigen Delikte eine Tat im Sinne von § 264 StPO bilden.
aa) Das Gesamtgeschehen hing zwar räumlich-zeitlich eng zusammen und stand unter polizeilicher Beobachtung, ihm fehlt aber die zur Begründung einer prozessualen Tat maßgebliche innere Verknüpfung der verschiedenen Handlungen und Ereignisse. Folgende tatsächliche Umstände stehen bei natürlicher Betrachtung einer Bewertung als einheitliches Geschehen entgegen:
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts (UA 9, 21, 37, 42 f.) verließ der Angeklagte in seinem Pkw sogleich nach der Übergabe des Kokains die Parkbucht und entfernte sich räumlich von den Haupttätern. Mit seinem Halt an der Schranke der Tiefgaragenausfahrt ergab sich sodann eine (weitere) Handlungszäsur im äußeren Geschehen. Erst in dieser Situation erfolgte losgelöst von dem allein geplanten polizeilichen Zugriff auf die Haupttäter im Innern der Tiefgarage die Konfrontation mit dem Nebenkläger, der sich dem Angeklagten schließlich entgegenstellte. Hiermit begann ein neuer Lebensvorgang. Denn bis dahin hatte sich auch der gesamte Polizeieinsatz auf das in erster Linie zu bewertende Täterverhalten (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 1983 – 2 StR 578/83, BGHSt 32, 215, 218 f.) nicht ausgewirkt.
Der Geschehensablauf war zudem nicht von einem einheitlichen Willen des Beschwerdeführers getragen. Der Flucht vom Tatort kam nach dem festgestellten Tatplan keine wesentliche Rolle zu, weil die Tatbeteiligten das Kokaingeschäft heimlich begehen wollten (vgl. ebenso beim verneinten Strafklageverbrauch im Falle eines gewerbsmäßigen Schmuggels als Vorgeschehen BVerfGK 5, 7, 9 f.; SächsVerfGH, Beschluss vom 18. November 2004 – Vf. 114-IV-04). Erst bei seinem Halt an der Schranke war dem Angeklagten nunmehr klar, dass das Kokaingeschäft gescheitert war und er um seine Ergreifung fürchten musste. Demgemäß verübte er die weiteren Straftaten aufgrund eines spontan gefassten neuen Tatentschlusses.
bb) Die Annahme selbständiger Lebensvorgänge deckt sich mit der ebenfalls zu berücksichtigenden strafrechtlichen Bedeutung der Beschuldigungen. Deren Angriffsrichtung ist gänzlich verschieden, was gegen eine Tatidentität spricht (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 1987 – 2 StR 258/87, BGHSt 35, 80, 82; Urteil vom 21. Dezember 1983 – 2 StR 578/83, BGHSt 32, 215, 219 f.).
Das Betäubungsmitteldelikt des Angeklagten, auf das sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft in dem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nach Maßgabe der dort erhobenen Anklage allein erstreckte (vgl. hierzu allgemein BGH, Beschluss vom 20. Mai 2021 – 3 StR 302/20 Rn. 19 mwN), verstieß gegen das Kollektivrechtsgut der Volksgesundheit, seine weiteren Straftaten richteten sich gegen das höchstpersönliche Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit – wobei die hiesige Anklage auf versuchten Mord lautete – und gegen die Sicherheit des Straßenverkehrs. Dass nach dem vom Angeklagten bemerkten polizeilichen Zugriff wie ausgeführt keine (weitere) Beihilfe zur Haupttat nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG mehr in Betracht kam, bekräftigt zudem die Annahme der hiermit zeitlich korrespondierenden Handlungszäsur. Auch dem weiteren Mitführen des Kaufgeldes fehlte es schon deshalb am notwendigen inneren Beziehungszusammenhang mit dem Fahrvorgang, um eine verfahrensrechtliche Identität der Delikte zu begründen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 5. März 2009 – 3 StR 566/08 Rn. 8 mwN; Beschluss vom 27. April 2004 – 1 StR 466/03). Zudem liegt hier kein Fall vor, in dem die Vortat bei dem nachfolgenden Delikt gegen dasselbe Tatopfer noch eine maßgebende Rolle spielte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – 2 StR 458/20 Rn. 6 zu einer Vergewaltigung bei fortwirkender früherer Bedrohung).
cc) Die Fluchtfahrt des Angeklagten erfolgte darüber hinaus zwar in dem Bestreben, seine Beteiligung an der Vortat zu verdecken. Auch diese Tatmotivation fasst aber die Sachverhalte nicht notwendig zusammen (vgl. BVerfGK 5, 7, 9 f.; SächsVerfGH, Beschluss vom 18. November 2004 – Vf. 114-IV-04). So können etwa ein Diebstahl und die vor Ort zu seiner Verdeckung begangene Brandstiftung prozessual selbständig sein (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2014 – 4 StR 376/14; s. zum Sachverhalt vorgehend BGH, Beschluss vom 26. Februar
– 4 StR 577/13 Rn. 3). Zudem genügt selbst das Bestehen eines Gesamtplans des Täters allein nicht, um bei realkonkurrierenden Delikten eine Tat im prozessualen Sinn zu bejahen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2024 – 3 StR 112/23 Rn. 38, 47; Urteil vom 11. Juni 1980 – 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 293; Urteil vom 5. November 1969 – 4 StR 519/68, BGHSt 23, 141, 145 f. mwN; s. ferner zu vereinigungsbezogenen Straftaten BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2018 – StB 52/18, BGHSt 64,1 Rn. 18, 22 mwN).
Dass die Verdeckungsabsicht des Angeklagten den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 3, § 315 Abs. 3 Nr. 1a) StGB qualifiziert, führt hier ebenso wenig zur Tatidentität. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass auch bei einem Verdeckungsmord die „andere Straftat“ prozessual selbständig sein kann (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 – 3 StR 189/11 Rn. 3; Beschluss vom 2. Juli 2004 – 2 StR 174/04 Rn. 2; Urteil vom 30. März 1983 – 2 StR 32/83, BeckRS 1983, 31108103 [Einstellung nach § 154 StPO]). Das Gesetz lässt insoweit ebenso wie in § 315 Abs. 3 Nr. 1a) StGB jede Straftat als Vortat genügen (s. auch BGH, Urteil vom 29. September 1987 – 4 StR 376/87, BGHSt 35, 60, 63; vgl. demgegenüber etwa das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 StGB und dazu BGH, Urteil vom 23. September 1999 – 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 214 f.). Mit Blick hierauf konstituieren zumindest im vorliegenden Fall die Umstände, die zu dem Betäubungsmitteldelikt des Angeklagten geführt haben, und dessen konkrete Gegebenheiten nicht erst die Schwere des weiteren Vorwurfs.
c) Schließlich ist unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, der in Art. 103 Abs. 3 GG über das Rechtsstaatsprinzip hinaus eine besondere Ausprägung gefunden hat (vgl. BVerfGE 166, 359 Rn. 83, 95), keine andere Bewertung geboten. Es ist nicht ersichtlich, dass der Angeklagte – zumal angesichts der eigens vorgenommen Abtrennung des Verfahrens zum Zwecke weiterer Ermittlungen – darauf vertrauen durfte (vgl. zum nach objektiven Kriterien geschützten Vertrauen Remmert in Dürig/Herzog/Scholz, GG, 104. EL, Art. 103 Abs. 3 Rn. 40, 51 mwN), wegen der Delikte auf seiner Fluchtfahrt nicht mehr strafrechtlich verfolgt zu werden.
III.
1. Die Überprüfung des Schuldspruchs auf die Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2. Auch der Strafausspruch hat im Ergebnis Bestand.
a) Die Strafkammer hat ihrer Strafzumessung allerdings rechtsfehlerhaft den Strafrahmen des § 315 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt. Bei einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, der wie festgestellt durch die Verdeckungsabsicht des Täters (§ 315 Abs. 3 Nr. 1a) StGB) qualifiziert ist, regelt § 315b Abs. 3 StGB den maßgeblichen Strafrahmen. Der Verweis auf § 315 Abs. 3 StGB, der eine höhere Strafobergrenze vorsieht, erfolgt lediglich hinsichtlich der Qualifikationsmerkmale, nicht jedoch bezüglich des Strafrahmens (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2019 – 4 StR 517/18 Rn. 9; Urteil vom 4. März 2004 – 4 StR 377/03 Rn. 17).
b) Der Senat kann allerdings ausschließen, dass sich dieser Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Die Strafkammer hat – bei rechtsfehlerfreier Verneinung eines minder schweren Falls – den von ihr angewendeten Strafrahmen gemäß §§ 46a, 49 StGB gemildert und ist demgemäß von einer Obergrenze in Höhe von elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe ausgegangen. Das zutreffende Höchstmaß belief sich ausgehend von § 315c Abs. 3 StGB hingegen auf sieben Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe. Bei der konkreten Strafzumessung hat sich die Strafkammer ersichtlich nicht am oberen Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens orientiert. Mit Blick auf die von ihr herangezogenen Strafschärfungsgründe schließt der Senat daher aus, dass die Strafkammer ohne den aufgezeigten Rechtsfehler eine niedrigere Freiheitsstrafe für die verfahrensgegenständliche Tat und in der Folge eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
Quentin Scheuß Bartel Maatsch Tschakert Vorinstanz: Landgericht Stuttgart, 14.11.2023 ‒ 19 Ks 213 Js 124017/20