3 StR 368/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 368/24 BESCHLUSS vom 1. Oktober 2024 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:011024B3STR368.24.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und 2. auf dessen Antrag - am 1. Oktober 2024 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 8. Mai 2024 a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist; b) im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben, jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 1 der Urteilsgründe) sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Fall 2 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unter Bestimmung eines Teilvorwegvollzugs der Strafe angeordnet sowie Einziehungsentscheidungen getroffen. Gegen das Urteil wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die mit der Revisionseinlegung erhobene - nicht ausgeführte und damit unzulässige (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) - Verfahrensrüge ist vom Verteidiger in der Revisionsbegründungsschrift ausdrücklich nicht aufrechtrechterhalten worden und damit nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Diese Erklärung stellt keine Teilrücknahme des Rechtsmittels dar, die gemäß § 302 Abs. 2 StPO nur mit ausdrücklicher Ermächtigung des Angeklagten wirksam wäre (vgl. BeckOK StPO/Cirener, 52. Ed., § 302 Rn. 35; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 302 Rn. 28, § 352 Rn. 7).
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2. Während der Schuldspruch im Fall 1 der Urteilsgründe der revisionsrechtlichen Kontrolle standhält, erweist sich derjenige zum Fall 2 der Urteilsgründe als rechtlich defizitär.
a) Nach den insoweit von der Strafkammer auf der Basis einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen hielt der kokainabhängige Angeklagte, der in großem Umfang mit Betäubungsmitteln und Cannabis Handel trieb, Anfang Oktober 2023 in seiner Wohnung 566,1 Gramm Kokain mit einer Wirkstoffmenge von 139 Gramm Kokainhydrochlorid (KHCl) vorrätig, wovon zwei Drittel (377,4 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von 92,6 Gramm KHCl) zum gewinnbringenden Weiterverkauf und ein Drittel (188,7 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von 46,3 Gramm KHCl) zum Eigenkonsum bestimmt waren. Zudem hatte er dort 576,1 Gramm Haschisch mit einer Wirkstoffmenge von 128,6 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) deponiert, das er vollständig gewinnbringend verkaufen wollte. Zur Absicherung des Drogenhandels verwahrte er in seiner Wohnung unmittelbar zugriffsbereit etliche funktionsfähige Schusswaffen, Munition für diese sowie Waffenteile und Waffenzubehör. Zuwiderhandlungen gegen das Waffengesetz und - in Bezug auf das Haschisch - das Konsumcannabisgesetz sind von der Verfolgung ausgenommen worden.
b) Danach hat sich der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe nicht nur - wie vom Landgericht ausgeurteilt - wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, sondern - im Hinblick auf das zum Eigenkonsum vorrätig gehaltene Kokain - tateinheitlich (§ 52 StGB) hierzu auch wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar gemacht (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2023 - 3 StR 295/23, juris Rn. 2). Der Senat ändert daher den Schuldspruch auf Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Eine Verböserung des Schuldspruchs ist gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO auch auf eine Angeklagtenrevision hin statthaft (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2023 - 3 StR 306/22, juris Rn. 66; Beschlüsse vom 4. Oktober 2023 - 3 StR 295/23, juris Rn. 3; vom 8. Dezember 2021 - 3 StR 308/21, NStZ-RR 2022, 108; vom 3. Mai 2019 - 3 StR 86/19, NStZ-RR 2019, 210; KKStPO/Gericke, 9. Aufl., § 358 Rn. 18).
3. Der Strafausspruch bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt. Dessen Verschärfung kommt wegen des Verschlechterungsverbots des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht in Betracht. Zudem ist auszuschließen, dass das Landgericht auf eine mildere Einzelstrafe für die Tat im Fall 2 der Urteilsgründe erkannt hätte, wenn es den Angeklagten aufgrund des zum Eigenkonsum bestimmten Teils des Kokains (zudem) wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hätte. Denn im Rahmen der Strafzumessung hat es den Umstand, dass dieser Teil nicht zum Weiterverkauf vorgesehen war, ausdrücklich - als die gehandelte Wirkstoffmenge reduzierend - zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt. Auch für sich genommen lässt der Strafausspruch aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen entgegen dem Revisionsvorbringen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.
4. Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB sowie die Anordnung eines Teilvorwegvollzugs der Strafe sind gleichfalls frei von durchgreifenden Rechtsmängeln zum Nachteil des Angeklagten. Zwar hat die Strafkammer ausweislich der von ihr hinsichtlich der Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB angeführten Obersätze nicht bedacht, dass nach der zum 1. Oktober 2023 in Kraft getreten Gesetzesänderung der erforderliche symptomatische Zusammenhang zwischen dem Hang und der Anlasstat nur vorliegt, wenn letztere „überwiegend“ auf den Hang zurückgeht (vgl. BT-Drucks. 20/5913, S. 26). Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen zeigen indes zweifelsfrei auf, dass dies bei beiden urteilsgegenständlichen Taten der Fall war.
5. Dagegen unterliegt der Ausspruch über die Einziehung der Aufhebung. Insofern gilt:
a) Das Landgericht hat einen Pkw Mercedes Benz C 400, mit dem der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe die tatgegenständlichen Betäubungsmittel in die Bundesrepublik Deutschland verbrachte, als Tatmittel gemäß § 74 Abs. 1 Variante 2 StGB eingezogen. Zwar hat die Strafkammer tragfähig belegt, dass der Angeklagte - anders als von ihm behauptet - Eigentümer des Fahrzeugs gewesen ist, so dass die Einziehungsvoraussetzung des § 74 Abs. 3 Satz 1 StGB erfüllt ist. Auch hat sie - wie es rechtlich geboten gewesen ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 2022 - 3 StR 321/21, juris Rn. 4; Beschlüsse vom 9. Juni 2021 - 4 StR 523/20, wistra 2021, 441 Rn. 10; vom 4. November 2020 - 6 StR 333/20, juris Rn. 3; vom 3. Mai 2018 - 3 StR 8/18, NStZ 2018, 526) - die Einziehung des höherwertigen Pkw bei der Strafzumessung ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt. Sie hat indes nicht erkennbar bedacht, dass die Einziehung von Tatmitteln, wie sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, im Ermessen des Gerichts steht. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf die nicht vorgeschriebene Einziehung zudem nicht angeordnet werden, wenn sie zur begangenen Tat und zum Vorwurf, der den von der Einziehung Betroffenen trifft, außer Verhältnis stünde (§ 74f Abs. 1 Satz 1 StGB).
Den Urteilsgründen muss daher grundsätzlich, jedenfalls aber bei höherwertigen Gegenständen - um einen solchen handelte es sich bei dem Fahrzeug, das der Angeklagte ausweislich der Feststellungen des Landgerichts Ende 2022 für nicht weniger als 25.000 € erwarb -, zu entnehmen sein, dass sich das Tatgericht bewusst gewesen ist, eine Ermessensentscheidung zu treffen, und welche Gründe für die Ausübung des Ermessens maßgebend gewesen sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Juni 2024 - 3 StR 93/24, juris Rn. 14; vom 24. Oktober 2023 - 2 StR 321/23, NStZ-RR 2024, 15; vom 28. Juni 2022 - 3 StR 128/22, juris Rn. 4; vom 11. Januar 2022 - 3 StR 415/21, juris Rn. 6; vom 26. Mai 2020 - 2 StR 44/20, juris Rn. 11). Dies gilt unabhängig von der rechtlichen Notwendigkeit, die Einziehung im Eigentum eines Angeklagten stehender Tatmittel von nicht unerheblichem Wert bei der Strafzumessung erkennbar zu seinen Gunsten zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2024 - 3 StR 93/24, juris Rn. 14).
Eine solche erkennbare Ermessensausübung ist vorliegend rechtsfehlerhaft unterblieben. Die Begründung der Entscheidung über die Einziehung des Pkw beschränkt sich darauf, die Eigentümerstellung des Angeklagten zu belegen. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer bei Ausübung des ihr zukommenden Ermessens von einer Einziehung des Pkw abgesehen hätte (vgl. zu einer solchen Konstellation BGH, Beschluss vom 4. November 2020 - 6 StR 333/20, juris Rn. 8).
Die damit notwendige Aufhebung dieser Einziehungsanordnung berührt den Strafausspruch gleichfalls nicht. Denn bei einem etwaigen Wegfall der Einziehung im zweiten Rechtsgang käme eine Erhöhung der Strafe wegen des Verbots der Schlechterstellung nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Juni 2024 - 3 StR 93/24, juris Rn. 16; vom 28. Juni 2022 - 3 StR 128/22, juris Rn. 6; vom 11. Januar 2022 - 3 StR 415/21, juris Rn. 8).
b) Das Landgericht hat zudem „sämtliche sichergestellten Waffen, Waffenteile und waffenähnlichen Gegenstände nebst Munition“ eingezogen, und zwar gleichfalls als Tatmittel gemäß § 74 Abs. 1 Variante 2 StGB. Diese Einziehungsentscheidung hat, obgleich die Strafkammer das Eigentum des Angeklagten an diesen Gegenständen tragfähig belegt hat, keinen Bestand, weil der Einziehungsausspruch insofern nicht hinreichend konkretisiert ist.
aa) Einziehungsgegenstände müssen in der Urteilsformel so genau bezeichnet werden, dass für alle Beteiligten und die Vollstreckungsorgane aus dem Tenor selbst zweifelsfrei erkennbar ist, welche Objekte der Einziehung unterworfen sind (st. Rspr.; s. nur BGH, Urteil vom 12. September 2023 - 3 StR 306/22, juris Rn. 112; Beschlüsse vom 8. Februar 2023 - 3 StR 477/22, StV 2024, 440 Rn. 5; vom 27. Oktober 2021 - 4 StR 351/21, juris Rn. 7; vom 8. April 2020 - 3 StR 55/20, juris Rn. 3 f.; MüKoStPO/Maier, 2. Aufl., § 260 Rn. 322; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 43). Die Anordnung der Einziehung muss stets aus sich heraus und insbesondere ohne Heranziehung nicht zum Urteil gehörender Dokumente verständlich sein. Daher genügen auch (implizite) Bezugnahmen auf bei den Akten befindliche Asservatenverzeichnisse oder Sicherstellungsprotokolle den rechtlichen Anforderungen nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Juni 2024 - 4 StR 450/23, juris Rn. 7; vom 8. Februar 2023 - 3 StR 477/22, StV 2024, 440 Rn. 5; vom 27. Oktober 2021 - 4 StR 351/21, juris Rn. 7; vom 10. November 2016 - 1 StR 453/16, NStZ 2017, 88 f.; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 74 Rn. 24; MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 74 Rn. 41).
bb) Diesen Anforderungen entspricht die vorstehend im Wortlaut wiedergegebene Tenorierung der Einziehungsentscheidung nicht. Entgegen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts lässt sich den Urteilsgründen eine hinreichende Spezifizierung der Einziehungsgegenstände nicht entnehmen, so dass eine Präzisierung der Urteilsformel durch den Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2017 - 5 StR 531/16, juris Rn. 3; vom 14. Mai 2014 - 3 StR 398/13, NStZ-RR 2015, 16, 17) ausscheidet. Zum einen sind in den Urteilsgründen lediglich Waffen und weitere relevante Gegenstände aufgeführt, die in der Wohnung des Angeklagten aufgefunden wurden, und bleibt offen, in welchem Umfang diesbezüglich eine Sicherstellung vorgenommen wurde. Zum anderen genügt die in weiten Teilen gleichfalls nur pauschale Benennung der in den Räumlichkeiten aufgefundenen Objekte in den Urteilsgründen nicht dem Konkretisierungsgebot.
cc) Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es bei einer Vielzahl von Einziehungsgegenständen zur Entlastung des Tenors statthaft und regelmäßig sachgerecht ist, diese in einer zum Bestandteil der Urteilsurkunde zu machenden Anlage zum Urteilstenor im Einzelnen aufzuführen und in der Urteilsformel auf diese Anlage dergestalt Bezug zu nehmen, dass die Einziehung der in der Anlage bezeichneten Gegenstände angeordnet wird (vgl. insofern BGH, Urteil vom 12. September 2023 - 3 StR 306/22, juris Rn. 85; Beschlüsse vom 8. Februar 2023 - 3 StR 477/22, StV 2024, 440 Rn. 5; vom 10. November 2016 - 1 StR 453/16, NStZ 2017, 88; Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl., § 74 Rn. 32; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 43).
c) Die in Bezug auf die Einziehungsentscheidungen getroffenen Feststellungen werden von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt und bleiben deshalb aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache dagegen der neuen Verhandlung und Entscheidung.
Berg Kreicker Anstötz Erbguth RiBGH Dr. Voigt befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben.
Berg Vorinstanz: Landgericht Trier, 08.05.2024 - 8031 Js 32454/23.1 KLs