4 StR 232/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 232/24 BESCHLUSS vom 14. August 2024 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:140824B4STR232.24.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. August 2024 gemäß § 346 Abs. 2, § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 25. September 2023 wird als unzulässig verworfen.
2. Der Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 18. März 2024 wird aufgehoben.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat Rechtsanwalt A. über sein besonderes Anwaltspostfach am 29. September 2023 in Vertretung für den beigeordneten Verteidiger, Rechtsanwalt J. aus derselben Bürogemeinschaft, Revision eingelegt. Mit Beschluss vom 18. März 2024 hat das Landgericht das Rechtsmittel des Angeklagten als unzulässig verworfen, weil nach Zustellung des schriftlichen Urteils am 29. November 2023 eine Begründung der Revision innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist nicht eingegangen war. Nach Empfangnahme der Entscheidung am 3. April 2024 hat der Pflichtverteidiger mit beim Landgericht am
5. April 2024 eingegangenem Schriftsatz unter Hinweis auf ein Kanzleiverschulden beantragt, dem Angeklagten Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist zu gewähren, und das Rechtsmittel mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.
1. Die Revision des Angeklagten ist unzulässig, weil sie nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen des § 341 Abs. 1 StPO i.V.m. § 32d Satz 2, § 32a Abs. 3 und 4 Satz 1 Nr. 2 StPO eingelegt worden ist. Bei einer Übermittlung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (§ 32a Abs. 3 Var. 2 StPO i.V.m. § 31a BRAO) – wie vorliegend geschehen – muss das elektronische Dokument von der verantwortenden Person signiert und von derselben Person (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 5 RAVPV) abgesandt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2022 – 3 StR 89/22 Rn. 11 mwN). Dies ist vorliegend nicht geschehen, denn das an das Landgericht übermittelte elektronische Dokument der Revision ist nicht von Rechtsanwalt J. als beigeordnetem Verteidiger signiert und über dessen besonderes elektronisches Anwaltspostfach übermittelt worden,
sondern „in Vertretung durch A. Rechtsanwalt“ über dessen Postfach.
Auf diesen konnte Rechtsanwalt J. als Pflichtverteidiger seine Befugnis zur Rechtsmitteleinlegung aber nicht wirksam übertragen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2023 – 6 StR 466/22 Rn. 5 mwN; Beschluss vom 16. Januar 2020 – 4 StR 279/19 Rn. 2 mwN). Anhaltspunkte dafür, dass Rechtsanwalt A. als allgemeiner Vertreter des Pflichtverteidigers gemäß § 53 Abs. 2 BRAO oder als sonstiger Bevollmächtigter des Angeklagten tätig geworden ist, sind nicht ersichtlich (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2022 – 5 StR 202/21 Rn. 2). Hierauf hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 12. Juli 2024 hingewiesen; dem ist der Angeklagte nicht entgegengetreten. Die Verwerfung der Revision obliegt insoweit allein dem Revisionsgericht, denn die Prüfungskompetenz des Tatgerichts erstreckte sich nur auf die Frage, ob die Revision fristgerecht eingelegt worden ist (vgl. KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 346 Rn. 3 mwN; BeckOKStPO/Wiedner, 52. Ed., § 346 Rn. 3).
2. Zudem war der Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 18. März 2024 aufzuheben. Der Wiedereinsetzungsantrag ist gemäß § 300 StPO in einen Antrag auf Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses vom 18. März 2024 umzudeuten (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2024 – 4 StR 456/23 Rn. 2; Beschluss vom 15. November 2021 – 5 StR 90/21 Rn. 2; Beschluss vom 11. August 2021 – 3 StR 118/21 Rn. 3). Dieser Rechtsbehelf ist gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO statthaft und fristgerecht eingelegt. Er führt auch zur Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses, denn das angegriffene Urteil war zum Zeitpunkt dieser Entscheidung aufgrund der unwirksamen Revisionseinlegung bereits rechtskräftig.
Quentin Dietsch Bartel Marks Scheuß Vorinstanz: Landgericht Bielefeld, 25.09.2023 ‒ 20 KLs 336 Js 1947/20-28/21