5 StR 4/24
BUNDESGERICHTSHOF StR 4/24 BESCHLUSS vom 24. April 2024 in der Strafsache gegen
1. 2. 3.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2024:240424B5STR4.24.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. April 2024 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 sowie entsprechend § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten A.
wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 8. Juni 2023, soweit es diesen Angeklagten betrifft,
a) im Schuldspruch dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis in neun Fällen sowie des Handeltreibens mit Cannabis in zwei Fällen schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben und c) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen mit der Feststellung zur Höhe des Einkaufspreises bei Tat II.7 aufgehoben, soweit die Einziehung in Höhe von mehr als 46.150 Euro angeordnet ist; im Übrigen dahin abgeändert, dass der Angeklagte in Höhe von 23.350 Euro als Gesamtschuldner haftet.
2. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es diesen Angeklagten betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis sowie des Handeltreibens mit Cannabis schuldig ist, und b) im Strafausspruch aufgehoben.
3. Auf die Revision der Angeklagten J. B.
wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es diese Angeklagte betrifft, mit den Feststellungen zur inneren Tatseite aufgehoben.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
5. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
1 Das Landgericht hat den Angeklagten A.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren fünf Monaten, den Angeklagten K. wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren vier Monaten und die Angeklagte J. B.
wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Geldstrafe verurteilt. Außerdem hat es Einziehungsentscheidungen getroffen; unter anderem hat es gegen den Angeklagten A.
die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 74.750 Euro angeordnet.
Dagegen wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen, die Angeklagte J. B.
erhebt zudem eine Verfahrensrüge. Die Rechtsmittel haben jeweils mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen erweisen sie sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4 Der Angeklagte A.
handelte zwischen April und September 2019 in insgesamt elf Fällen mit Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 7 % THC und Handelsmengen zwischen 500 g und 12 kg. Dabei war er in zwei Fällen als Allein- oder Mittäter mit dem gesondert Verurteilten C. tätig (Taten I.1 und 2 der Urteilsgründe), in den übrigen Fällen als Mitglied einer aus jeweils mindestens drei Mitgliedern bestehenden Gruppierung, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hatte (Taten II.1 bis 7 sowie III.1 und 2).
Der Angeklagte K. erwarb in einem dieser Fälle eine Teilmenge von 2 kg Marihuana von der Bande, um sie seinerseits gewinnbringend zu veräußern (Tat II.6). Später schloss er sich in Kenntnis aller Umstände der Gruppierung an, um deren Handel als Depothalter zu unterstützen; in Umsetzung dessen lagerte er in einem Fall für die Bande 2 kg Marihuana für deren gewinnbringenden Weiterverkauf (Tat III.1).
6 Die nicht revidierende Angeklagte R. B.
nahm von dem Angeklagten A.
am 9. September 2019 eine unbekannte Menge Marihuana im Gesamtwert von 5.000 Euro entgegen, die anschließend in der Wohnung der Angeklagten J. B.
– die selbst nicht Bandenmitglied war – gelagert wurde; am Folgetag verbrachten die Nichtrevidentin R. B.
und die sie begleitende Angeklagte J. B.
im Auftrag des Angeklagten A.
in einer Tasche knapp 1 kg von dem in der Wohnung gelagerten Marihuana zu einem Abnehmer in dessen Garage, wo die Angeklagte J. B.
der Abwicklung des vom Angeklagten A.
vereinbarten Geschäftes durch die Nichtrevidentin beiwohnte (Tat III.2). Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht ausgeführt:
„Der Angeklagten J. B.
war bewusst bzw. sie nahm zumindest billigend in Kauf, dass sie mit ihrer Handlung wenigstens psychische Unterstützung für den Betäubungsmittelhandel des A.
, des C. und des K. leistet.“
Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat das Landgericht sodann zur subjektiven Tatseite weiter ausgeführt: „Selbst wenn man zu ihren Gunsten davon ausgeht, dass ihr der Inhalt der Tasche noch nicht bekannt war, als sie diese in ihrer Wohnung aufbewahrte, erlangte sie Kenntnis hiervon spätestens in dem Garagenkomplex. Denn dort wurde in ihrem Beisein die Tasche geöffnet. Anschlie- ßend fanden noch mündliche und telefonische Gespräche über den vereinbarten Preis und eine Ratenzahlung statt. [...] Sodann fand der Austausch Drogen gegen Geld statt. Die Angeklagte J. B.
hat sich dennoch nicht vom Tatort entfernt, um sich von diesem Drogengeschäft zu distanzieren. Vielmehr unterstützte sie die R.
B.
weiter – zumindest psychisch –, indem sie als zweite Person auf Verkäuferseite neben ihr stand, damit der Verkauf wie vereinbart – Ware gegen Bargeld – ablaufen kann. Sie wusste dabei bzw. nahm zumindest billigend in Kauf, dass sie durch ihre Anwesenheit diese psychische Beihilfe leistet.“
II.
7
1. Betreffend die Angeklagten A.
und K. führt die auf die Sachrüge jeweils gebotene Nachprüfung des Urteils zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs; überdies hat die den Angeklagten A.
betreffende Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen nur teilweise Bestand.
a) Der Schuldspruch kann nicht bestehen bleiben, weil die Angeklagten für ihren Umgang mit Marihuana nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden sind, dieser aber nunmehr – nach dem insoweit am 1. April 2024 in Kraft getretenen Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz) vom 27. März 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 109) – dem Konsumcannabisgesetz unterfällt (vgl. § 1 Nr. 8 KCanG).
aa) Die Neuregelung sieht sowohl für das Handeltreiben mit Cannabis (in nicht geringer Menge) im Sinne des § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 4 KCanG als auch für den Regel- und den minder schweren Fall des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis (in nicht geringer Menge) im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG gegenüber den vom Landgericht der Bemessung der Strafen zu Grunde gelegten Bestimmungen des § 29a Abs. 1 sowie des § 30a Abs. 1 und 3 BtMG geringere Strafrahmen vor und ist deshalb das mildere Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB; dies hat das Revisionsgericht auf die Sachrüge hin zu beachten (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2024 – 5 StR 542/23 mwN).
bb) Das vom Landgericht festgestellte Tatgeschehen ist für den Angeklagten A.
nunmehr als bandenmäßiges Handeltreiben mit Cannabis gemäß
§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG in neun Fällen (Taten II.1 bis 7 sowie III.1 und 2) in Tatmehrheit mit Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG in zwei Fällen (Taten I.1 und 2) und für den Angeklagten K. als Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG,
§ 27 StGB (Tat III.1) in Tatmehrheit mit Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG (Tat II.6) zu würdigen.
Der Grenzwert der nicht geringen Menge liegt auch für das Konsumcannabisgesetz bei einem Wirkstoffgehalt von 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) in der Cannabismenge (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24; vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24). Dass sich die Taten jeweils auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen, bedarf keiner Kennzeichnung in der Urteilsformel. Der Qualifikationstatbestand des Bandenhandels mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG setzt stets voraus, dass die Tat eine nicht geringe Menge betrifft; in solchen Fällen ist der Zusatz zur rechtlichen Bezeichnung des Qualifikationstatbestandes entbehrlich (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10. November 2020 – 3 StR 355/20 [zum bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG]). Für die Fälle des einfachen Handeltreibens mit Cannabis stellt der Umstand, dass sie sich auf eine nicht geringe Menge beziehen, lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG dar, der im Schuldspruch keinen Ausdruck findet (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2024 – 5 StR 115/24). Ein Zusatz unerlaubter oder verbotener Tatbegehung ist im Urteilstenor auch für die Tatbestände nach dem Konsumcannabisgesetz entbehrlich (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24).
cc) Die konkurrenzrechtliche Beurteilung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Insbesondere hat es die Taten II.1 und II.2 zutreffend als zwei tatmehrheitliche und die Taten II.3 bis 5 zutreffend als drei tatmehrheitliche Fälle des bandenmäßigen Handeltreibens durch den Angeklagten A.
bewertet.
Für die Annahme jeweils nur einer einheitlichen Tat (Taten II.1 und 2 einerseits sowie Taten II.3 bis 5 andererseits) nach den Grundsätzen der Bewertungseinheit war kein Raum, denn auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die bei den Einkaufstaten II.1 und II.3 jeweils erworbenen 10 kg Marihuana tatsächlich geliefert wurden (zumal vor den nachfolgenden Verkaufshandlungen) und die Handelsmengen der Verkaufstaten II.2 bzw. II.4 und 5 aus diesen Einkaufsmengen stammten. Vielmehr lässt sich der Kommunikation des Angeklagten zu den beiden Ankäufen entnehmen, dass die Lieferung der jeweils bestellten Drogen zwar erörtert, eine konkrete Absprache darüber indes in keinem der Fälle getroffen wurde. Es ist aber auch nach dem Zweifelssatz nicht geboten, von einer Tat im Sinne einer Bewertungseinheit auszugehen, wenn lediglich eine nicht näher konkretisierte Möglichkeit besteht, dass mehrere veräußerte Kleinmengen aus einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge oder sonst aus einem Verkaufsvorrat herrühren (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2018 – 5 StR 547/17; Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 345/12 jeweils mwN).
dd) Der Senat hat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO iVm § 354a StPO die Schuldsprüche in der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Weise geändert. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.
b) Die gesetzliche Neuregelung zwingt indes zur Aufhebung der die Angeklagten A.
und K. betreffenden Strafaussprüche.
Der Senat kann trotz der ausdrücklichen strafmildernden Berücksichtigung der herabgesetzten Gefährlichkeit von Cannabis durch das Landgericht („weiche Droge“), nicht ausschließen, dass es bei Anwendung der milderen Strafrahmen des Konsumcannabisgesetzes niedrigere Strafen gegen die Angeklagten verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO).
Die zum jeweiligen Strafausspruch gehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, denn sie werden von der aufgrund der Gesetzesänderung notwendigen Aufhebung nicht berührt (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.
17 c) Die den Angeklagten A.
betreffende Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) hält rechtlicher Überprüfung nur teilweise stand.
aa) Sie ist aufzuheben, soweit sie einen Betrag von 46.150 Euro übersteigt.
(1) Die Urteilsgründe belegen für Tat I.1 eine tatsächliche Verfügungsgewalt des Angeklagten A.
am Tatertrag im Sinne des § 73 StGB lediglich für die von ihm durch Veräußerung von 6 kg Marihuana unmittelbar erzielten Erlöse in Höhe von insgesamt mindestens 18.600 Euro, nicht aber für die vom Mittäter durch die Veräußerung weiterer 6 kg Marihuana erlangten Erlöse in Höhe von nochmals mindestens 18.600 Euro.
Allein die mittäterschaftliche Tatbeteiligung des Angeklagten belegt oder begründet für sich betrachtet keine tatsächliche Verfügungsgewalt im Sinne von § 73 StGB. Einem Tatbeteiligten kann die Gesamtheit des aus der Tat Erlangten mit der Folge einer gesamtschuldnerischen Haftung nur dann zugerechnet werden, wenn sich die Beteiligten einig sind, dass jedem die Mitverfügungsgewalt hierüber zukommen soll, und er diese auch tatsächlich hatte. Dabei genügt es, dass der Tatbeteiligte zumindest faktische oder wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über den Vermögensgegenstand erlangte. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen konnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 2021 – 2 StR 3/20; vom 11. Juni 2020 – 5 StR 154/20 jeweils mwN).
Daran fehlt es hier im Hinblick auf die vom Mittäter bei Tat I.1 durch die Veräußerung weiterer 6 kg Marihuana erlangten Erlöse. Den Feststellungen lässt sich auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht entnehmen, dass der Angeklagte A.
faktische oder wirtschaftliche Verfügungsgewalt auch über diesen Teil des Gesamterlöses erlangt hat. Vielmehr ist ausdrücklich festgestellt, dass der Lieferant vom Angeklagten und seinem Mittäter jeweils aus den Veräußerungserlösen bezahlt wurde, wobei der Mit- täter insgesamt sogar 20.000 Euro an ihn entrichtete. Weitergehende Feststellungen, die eine zwischenzeitliche Verfügungsgewalt des Angeklagten A. auch an den Erlösen des Mittäters begründeten, hat das Landgericht zu Tat I.1 nicht getroffen.
(2) Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen hält der rechtlichen Nachprüfung auch im Fall II.7 nicht stand, weil die Feststellungen zur Höhe des der tatrichterlichen Einziehungsentscheidung als Mindestveräußerungserlös zu Grunde gelegten Einkaufspreises nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung beruhen.
Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabes (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. August 2023 – 5 StR 169/23; vom 20. Dezember 2023 – 4 StR 447/23) nicht rechtsfehlerfrei, denn sie ist widersprüchlich.
24 Die Feststellung, der Angeklagte A.
habe die später veräußerten kg Marihuana zum Gesamtpreis von 10.000 Euro erworben, stützt die Strafkammer auf die Angabe der Ermittlungsführerin, der Angeklagte habe in einem Telefonat mit dem Lieferanten mitgeteilt, „dass er 10 € übergeben könne, also 10.000,- €“. Diese Zeugenaussage wird aus Sicht der Strafkammer durch das abgehörte Telefonat bestätigt. Tatsächlich ergibt sich daraus aber etwas anderes. Zwar wird darin der Satz geäußert: „Nein nein Onkel, ich gebe dir 10 Euro Onkel.“ Dieser stammt allerdings nicht vom Angeklagten, sondern vom Lieferanten. Überdies wird der Begriff „Euro“ in der Kommunikation des Angeklagten und seines Lieferanten nach den Feststellungen des Landgerichts allgemein und auch im Fall II.7 nicht in seiner eigentlichen Bedeutung, sondern als Codewort für das Gewicht an Marihuana verwandt. Hinzu kommt, dass der sich aus der Annahme eines Einkaufspreises von 10.000 Euro ergebende Kilogrammpreis von 2.000 Euro erheblich von dem im Verhältnis zwischen der Bande und diesem Lieferanten für Marihuana dieser Qualität üblicherweise vereinbarten Kilogrammpreis von 800 Euro abweicht. Der Widerspruch bleibt unaufgelöst.
(3) Die aufgezeigten Rechtsfehler nötigen zur Aufhebung der Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von insgesamt 28.600 Euro. Die der Einziehungsentscheidung zu Grunde liegenden Feststellungen – mit Ausnahme derjenigen zur Höhe des Einkaufspreises bei Tat II.7 – sind von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt; sie bleiben deshalb insoweit aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen zu den Einziehungsvoraussetzungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
bb) Hinsichtlich der verbleibenden Einziehung des Wertes von Taterträgen
(§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) haftet der Angeklagte A.
in Höhe der Taterträge des Bandenhandels von insgesamt 23.350 Euro als Gesamtschuldner, da die Bande über eine gemeinsame Kasse für die Taterträge verfügte und somit weitere Tatbeteiligte Mitverfügungsgewalt daran erlangt hatten. Die gesamtschuldnerische Haftung ist in der Entscheidungsformel zu kennzeichnen; der individuellen Benennung der anderen Gesamtschuldner bedarf es dabei nicht (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2023 – 3 StR 422/23). Der Senat holt dies entsprechend § 354 Abs. 1 StPO nach. Dabei geht er – um jede Beschwer für den Angeklagten auszuschließen – davon aus, dass das sichergestellte und rechtsfehlerfrei als Tatertrag gemäß § 73 StGB eingezogene Bargeld in Höhe von 3.000 Euro nicht aus den Banden-, sondern aus einer der beiden anderen Taten stammt.
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2. Die Verurteilung der Angeklagten J. B.
im Fall III.2 wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (nunmehr: mit Cannabis) kann keinen Bestand haben, denn die Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht.
Die Strafbarkeit wegen Beihilfe nach § 27 Abs. 1 StGB setzt in objektiver Hinsicht eine von einem anderen vorsätzlich begangene rechtswidrige Haupttat sowie deren Förderung durch den Gehilfen voraus. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite muss sich der Vorsatz des Gehilfen auf die Haupttat beziehen und sowohl die Verwirklichung der nach ihren wesentlichen Merkmalen oder Grundlagen hinreichend konkretisierten Tat des anderen als auch die Förderung dieser Tat durch einen eigenen Unterstützungsbeitrag umfassen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2023 – 5 StR 343/22 Rn. 11 mwN).
Gemessen daran belegen die Feststellungen eine Strafbarkeit der Angeklagten J. B.
wegen Beihilfe nicht. Im Einzelnen:
a) Es bleibt bereits unklar, worin das Landgericht objektiv die Beihilfehandlung der Angeklagten gesehen hat. Zwar würde das Verwahren der Betäubungsmittel in ihrer Wohnung und das Verbringen eines Teils davon gemeinsam mit der Nichtrevidentin zum Abnehmer eine die Haupttat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln fördernde physische Unterstützungshandlung darstellen können. Es ist allerdings den Feststellungen nicht zu entnehmen, dass die Angeklagte J. B.
im Zeitpunkt der Einlagerung oder des Transports der Betäubungsmittel Kenntnis davon erhielt. Vielmehr hat das Landgericht in der rechtlichen Würdigung zu Gunsten der Angeklagten nicht auszuschließen vermocht,
dass sie erst anlässlich des Öffnens der Tasche beim Abnehmer Kenntnis von deren Inhalt erlangte.
b) Soweit das Landgericht eine Beihilfe der Angeklagten darin gesehen haben sollte, dass sie sich nach Kenntniserlangung vom Inhalt der Tasche nicht vom Tatort entfernte, um sich von dem Drogengeschäft zu distanzieren, sondern die Nichtrevidentin R.
B.
weiter „zumindest psychisch“ unterstützte,
„indem sie als zweite Person auf Verkäuferseite neben ihr stand, damit der Verkauf wie vereinbart – Ware gegen Bargeld – ablaufen kann“, wird durch diese Formulierung eine taugliche Beihilfehandlung nicht hinreichend belegt.
Zwar kann Beihilfe auch dadurch geleistet werden, dass der Gehilfe seinerseits die Tatförderung eines (weiteren) Gehilfen unterstützt (sogenannte „Beihilfe zur Beihilfe”, vgl. BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2015 – 2 StR 419/15, NStZ 2016, 463, 464; Urteil vom 8. März 2001 – 4 StR 453/00, NJW 2001, 2409, 2410; oder auch „Kettenbeihilfe“, vgl. BGH, Urteile vom 18. März 2004 – 4 StR 533/03; vom 14. November 2019 – 3 StR 561/18, NStZ-RR 2020, 184,
mwN). Voraussetzung wäre aber, dass die Angeklagte die weitere Tatbestandsverwirklichung nach Kenntniserlangung durch ein strafrechtlich relevantes Verhalten in irgendeiner Weise objektiv gefördert hätte. Die bloß einseitige Kenntnisnahme von der Tat eines anderen und deren subjektive Billigung ohne einen die Tatbegehung objektiv fördernden Beitrag reichen grundsätzlich als (auch nur psychische) Beihilfe nicht aus. Feststellungen dazu, dass die Angeklagte J. B.
die Billigung der Tat dem Täter oder auch nur der gegebenenfalls von ihr unterstützten Gehilfin R.
B.
gegenüber zum Ausdruck gebracht und dadurch in ihrem Tatentschluss bestärkt hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. Mai 2012 – 3 StR 178/12; vom 17. November 2009 – 3 StR 455/09 jeweils mwN), hat die Strafkammer nicht getroffen.
c) Solche weitergehenden Feststellungen zu einer möglichen Beihilfestrafbarkeit der Angeklagten erscheinen indes nicht ausgeschlossen. Die bisherigen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind rechtsfehlerfrei getroffen; sie können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.
3. Im Umfang der Aufhebungen bedarf die Sache der neuen Verhandlung und Entscheidung.
4. Die Abfassung der Urteilsgründe gibt dem Senat Anlass, darauf hinzuweisen, dass die Beweiswürdigung keine umfassende Dokumentation der Beweisaufnahme enthalten, sondern lediglich belegen soll, warum bestimmte bedeutsame Umstände so festgestellt worden sind. Den gesetzlichen Anforderungen (§ 267 Abs. 1 Satz 2 StPO) an eine aus sich heraus verständliche Beweiswürdigung genügt es, klar und bestimmt die für die Überzeugungsbildung des Tatgerichts maßgeblichen Gesichtspunkte im Rahmen einer strukturierten, verstandesmäßig einsichtigen Darstellung hervorzuheben. Als Ergebnis einer wertenden Auswahl des Tatgerichts zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem ist das Beweisergebnis daher nur so weit zu erörtern, wie es für die Entscheidung von Bedeutung ist. Eine Dokumentation des Ermittlungsverfahrens und der Beweisaufnahme ist damit ebenso wenig angezeigt wie die Angabe eines Belegs für jede Feststellung, mag diese in Bezug auf den Tatvorwurf auch noch so unwesentlich sein. Die umfangreiche Wiedergabe von Chatnachrichten, deren Beweisbedeutung sich nicht ohne Weiteres erschließt, ist regelmäßig verfehlt. Eine derart ausufernde Abfassung der schriftlichen Gründe kann die Würdigung der Beweise nicht ersetzen und unter Umständen sogar den Bestand des Urteils gefährden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2023 – 4 StR 188/23; vom 9. August 2022 – 6 StR 249/22; Urteil vom 27. April 2022 – 5 StR 18/22).
Cirener Gericke Mosbacher Köhler Resch Vorinstanz: Landgericht Chemnitz, 08.06.2023 - 5 KLs 810 Js 34319/20