11 W (pat) 4/19
BUNDESPATENTGERICHT W (pat) 4/19
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(Aktenzeichen)
BESCHLUSS In der Beschwerdesache …
betreffend die Patentanmeldung 10 2005 041 679.9 (hier: Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist) hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 21. Februar 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Höchst sowie der Richter Eisenrauch, Dr.-Ing. Fritze und Dipl.-Ing. Univ. Gruber ECLI:DE:BPatG:2019:210219B11Wpat4.19.0 beschlossen:
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist und in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde gilt als nicht erhoben.
Gründe I.
Die Antragstellerin ist Anmelderin der Patentanmeldung 10 2005 041 679.9 mit der Bezeichnung „Verfahren zum mechanischen Setzen von Spreizmuttern und/oder Tüllen … sowie Vorrichtung zu seiner Durchführung“, das auf Unterlagen zurückgeht, die am 1. September 2005 unter Inanspruchnahme einer inneren Priorität vom 13. April 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingereicht und am 19. Oktober 2006 offengelegt worden sind. Die Prüfungsstelle für Klasse B25B des DPMA hat die Patentanmeldung mit Beschluss vom 8. Januar 2018, der der anwaltlichen Vertreterin der Antragstellerin am 15. Januar 2018 zugestellt worden war, zurückgewiesen.
Mit Eingabe vom 20. Dezember 2018, eingegangen beim Bundespatentgericht am selben Tag, hat die Antragstellerin gegen den Zurückweisungsbeschluss beim DPMA Beschwerde eingelegt sowie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist gestellt und am 21. Dezember 2018 die entsprechende Beschwerdegebühr in Höhe von 200,-- € nachentrichtet.
In der Sache hat die Antragstellerin ausgeführt, der Zurückweisungsbeschluss vom 8. Januar 2018 sei von der anwaltlichen Vertreterin mit Schreiben vom 19. Januar 2018 an die Antragstellerin zu Händen des damalige Geschäftsführers, Herrn W…, mit der Bitte um Handlungsanweisung weitergeleitet worden. Für den Fall, dass keine Rückmeldung erfolgen sollte, sei in dem Schreiben ferner darauf hingewiesen worden, dass von einem fehlenden Interesse an einem Patent ausgegangen werde. Eine Reaktion auf das Schreiben sei sodann deshalb nicht erfolgt, weil Herr W… damals nur noch „sporadisch“ für die Antragstellerin verfügbar gewesen sei. Er habe sich auch um die Angelegenheiten der Firma G… GmbH in G1… kümmern müssen, für die er zur selben Zeit ebenfalls als Geschäftsführer tätig gewesen sei. Während seiner Abwesenheit sei Herr W… innerhalb der Antragstellerin von Herrn S… vertreten worden, der aber in Schutzrechtsangelegenheiten nicht eingeweiht gewesen sei. Das anwaltliche Schreiben vom 19. Januar 2018 sei zwar in den Poststapel von Herrn W… gelegt worden, aber aus „unbekannten Gründen“ weder diesem noch Herrn S… zur Kenntnis gelangt. Nachdem Herr S… mit Wirkung vom 28. August 2018 zum neuen Geschäftsführer der Antragstellerin bestellt worden sei, habe dieser im November 2018 eine Aufstellung zu allen laufenden Patentangelegenheiten angefordert. Am 26. November 2018 sei diesem schließlich aufgefallen, dass die vorliegende Patentanmeldung in dieser Aufstellung nicht mehr vermerkt gewesen sei.
Zur Glaubhaftmachung des geschilderten Sachverhalts hat die Antragstellerin eine eidesstattliche Versicherung des Herrn W… von 11. Januar 2019 vorgelegt. In dieser führt Herr W… aus, dass die Gründe dafür, dass das anwaltliche Schreiben vom 19. Januar 2018 anfangs weder ihm noch Herrn S… zur Kenntnis gelangt sei, im Nachhinein nicht mehr feststellbar seien. Im Dezember 2018 sei das Schreiben schließlich in einem Ablagestapel für Firmenkorrespondenz wieder aufgetaucht. Möglicherweise sei das Schreiben im Sekretariat falsch zugeordnet worden.
Die Antragstellerin hat sinngemäß den Antrag gestellt,
ihr Wiedereinsetzung sowohl in die Frist zur Einlegung der Beschwerde als auch in die zur Zahlung der Beschwerdegebühr zu gewähren und sodann das Beschwerdeverfahren durchzuführen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
1. Der Wiedereinsetzungsantrag ist gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG statthaft, da die Antragstellerin die Frist zur Einlegung der Beschwerde und zur Zahlung der Beschwerdegebühr versäumt und dadurch einen gesetzlichen Rechtsnachteil erlitten hat. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde war gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 PatG i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO und § 187 Abs. 1 BGB am 15. Februar 2018 abgelaufen, da der hier in Rede stehende Zurückweisungsbeschluss am 15. Januar 2018 bei der anwaltlichen Vertreterin der Antragstellerin zugestellt worden war. Damit war die am 20. Dezember 2018 beim DPMA eingereichte Beschwerde der Antragstellerin verspätet, was nach § 79 Abs. 2 Satz 1 PatG die Unzulässigkeit der Beschwerde zu Folge hatte. Ein zusätzlicher und darüber hinaus vorgreiflicher Rechtsnachteil ergibt sich zudem aus § 6 Abs. 1 und 2 PatKostG, wonach die nicht fristgerecht innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist eingezahlte Beschwerdegebühr dazu geführt hat, dass die Beschwerde als nicht erhoben gilt.
2. Der Wiedereinsetzungsantrag ist auch zulässig, da er im Sinne von § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG auch innerhalb von zwei Monaten nach „Wegfall des Hindernisses“ eingereicht wurde. Zu Gunsten der Antragstellerin kann davon ausgegangen werden, dass ihrem Geschäftsführer S… erst am 26. November 2018 das Fehlen der vorliegenden Patentanmeldung in der angeforderten Aufstellung bewusst geworden war. Die Antragstellerin hatte hiernach bis zum 26. Januar 2019 Zeit gehabt, den Wiedereinsetzungsantrag zu stellen und die versäumten Handlungen nachzuholen. Indem sie diesen Antrag bereits am 20. Dezember 2018 gestellt, entsprechende Tatsachen vorgetragen und gleichzeitig die Beschwerde beim DPMA eingereicht hatte und am 21. Dezember 2018 die Beschwerdegebühr nachentrichtet worden war, hatte sie diese Zulässigkeitsvoraussetzungen ersichtlich erfüllt.
3. Die sachlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung sind hier allerdings nicht gegeben. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG kann eine Wiedereinsetzung in die Frist zur Beschwerdeeinlegung und zur Zahlung der Beschwerdegebühr nur gewährt werden, wenn der Beschwerdeführer glaubhaft macht, dass er ohne Verschulden gehindert gewesen war, die Frist einzuhalten. Dies kann hier nicht festgestellt werden.
Nach dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt, der innerhalb der zweimonatigen Antragsfrist vorgetragen worden ist, ist davon auszugehen, dass die Versäumung der Zahlungsfrist auf einem schuldhaften Verhalten der Geschäftsleitung der Antragstellerin beruht, nämlich auf einen Organisationsmangel innerhalb ihres Sekretariats. Nur so ist zu erklären, dass das Schreiben der anwaltlichen Vertreterin vom 19. Januar 2018, mit dem der Geschäftsleitung die Zurückweisung der vorliegenden Anmeldung angezeigt werden sollte, weder dem damaligen Geschäftsführer W… noch dessen Stellvertreter Herrn S… zur Kenntnis gelangt war.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung muss ein Antragsteller im Rahmen seines Wiedereinsetzungsantrags die tatsächlichen Abläufe, aus denen sich ergibt, auf welchen Umständen die Fristversäumung beruht, verständlich und geschlossen schildern; kann ein Antragsteller eine solche Darstellung nicht liefern, geht dies zu seinen Lasten (vgl. BGH NJW 2008, 3501, 3502). Vorliegend fällt deshalb ins Gewicht, dass die Antragstellerin bei ihrer Darstellung der entscheidungserheblichen Umstände, die zur Fristversäumung geführt haben, sich auf allgemeine Ausführungen beschränkt hat. Insbesondere betrifft dies die Aussage, dass das anwaltliche Schreiben vom 19. Januar 2018 zwar in den Bereich der Geschäftsleitung der Antragstellerin gelangt gewesen sei, später aber „aus unbekannten Gründen“ nicht an einen der beiden Herrn, die als Geschäftsführer fungierten, weitergeleitet worden sei. Beruht die Säumnis – wie im vorliegenden Fall – offensichtlich auch auf einem Fehlverhalten von Hilfskräften, muss ein nachvollziehbarer Vortrag geliefert werden, weshalb ein derartiges Fehlverhalten nicht auf ein Organisationsverschulden von Personen zurückzuführen ist, die der Geschäftsleitung zuzurechnen sind.
Ein Bürobetrieb oder ein Sekretariat müssen organisatorisch und personell so ausgestattet sein, dass ein Verschwinden von wichtigen Eingaben im normalen Geschäftsbetrieb nicht vorkommen kann (vgl. Schulte/Schell, PatG, 10. Aufl., § 123 Rn. 94). Eine einmalige Fehlleistung einer Hilfsperson, die im Übrigen konkret und namentlich zu benennen wäre, lässt zwar in aller Regel noch keine Rückschlüsse auf einen allgemeinen Organisationsmangel zu. Vorliegend muss allerdings mangels eines entsprechenden Vortrags davon ausgegangen werden, dass ein Organisationsverschulden der Geschäftsleitung für die Versäumung der hier in Rede stehenden Beschwerde- nebst Zahlungsfrist ursächlich war.
4. Da der vorgetragene Sachverhalt bereits in der Sache keine Wiedereinsetzung rechtfertigt, kommt es auf eine Glaubhaftmachung im Sinne von § 123 Abs. 2 Satz 2 PatG nicht mehr an.
III.
Dieser Beschluss enthält keine Rechtsmittelbelehrung, weil seine Anfechtung im Patentgesetz selbst nicht zugelassen ist und für diesen Fall in § 99 Abs. 2 PatG bestimmt wird, dass kein Rechtsmittel gegeben ist (vgl. Schulte/Schell, PatG, 10. Aufl., § 123 Rn. 173; Hofmeister in: Fitzner/Lutz/Bodewig, PatKomm., PatG, 4. Aufl., § 123 Rn. 36).
Dr. Höchst Eisenrauch Dr. Fritze Gruber Fa